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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Überweisungen von Staatseinrnnften

ja noch mehr, als man hat. Und man giebt aus, um nnr auszugeben. Es
ist falsch, erst Gelder für die Ausgabe zu bestimmen und sich dann erst zu
fragen, was man wohl anschaffen könnte. Das führt notwendig zur Ver¬
schwendung. Gelder, die nicht redlich verdient, die gewonnen oder geschenkt
werden, sitzen zu locker im Beutel. Dasselbe gilt aber auch von Geldern, die
"überwiesen," die nicht durch Steuern aufgebracht werden. Man soll Gelder,
die man nicht braucht, überhaupt nicht erheben, man soll Überschüsse zum
Steuererlaß verwenden. Das wäre eine richtige Finanzverwaltung, man würde
bei einer solchen Verwaltung viele Millionen ersparen, die jetzt verschwendet
werden.

Das übelste aber ist: die Kreise haben sich an die üppige Wirtschaft ge¬
wöhnt, sie fürchten, die Aufhebung des Gesetzes, ja man hört bereits die Mei¬
nung, die Kreise müßten bei der Aufhebung der lvx Hucue entschädigt werden!
Das heißt denn doch, die Dinge auf den Kopf stellen, es ist gerade, als wollte
jemand eine Entschädigung dafür verlangen, daß ein Geschenk, das man ihm
gegeben hat, nicht groß genug gewesen sei.

Nicht günstiger, ja vielleicht noch übler haben sich die Dinge gestaltet bei
der ..Überweisung" von sechsundzwanzig Millionen infolge des Gesetzes vom
14. Juni 1888, betreffend die Erleichterung der Schnllasten. Dem einfachen
Menschenverstande scheint es selbstverständlich zu sein, daß man bei einem
solchen Gesetze zuerst ermittelt, ob und wo solche Lasten vorhanden sind, und
daß man sie dort erleichtert, wo sie als drückend empfunden werden. Wer
könnte nun eine gerechte Verteilung der Gelder vornehmen? Offenbar die aus¬
führende Behörde, die königliche Regierung. Man hätte ihr also eine ziem¬
lich freie Verfügung über die Gelder überlasten sollen. Dazu war aber im
preußischen Abgeordnetenhaus" keine Neigung vorhanden. Die liberale Partei
wollte den Einfluß der Regierung überhaupt nicht stärken, das Zentrum ganz
besonders in Schulangelegenheiten nicht. Dazu kam die Legende von der
"glänzenden Bewährung" der Selbstverwaltung. Und so wurde wieder "über¬
wiesen." Jede Gemeinde erhielt für einen ersten Lehrer fünfhundert, für den
zweiten und jeden folgenden dreihundert Mark Staatsbeitrag zu den Schul-
kosten, gleichviel, ob die Gemeinde durch Schulaufgaben belastet war oder nicht,
ob die Schulaufgaben dnrch kirchliche Mittel oder Grundbesitz bestritten, oder
ob sie durch die Gemeinden aufgebracht wurden. Und die Schulvorstände er¬
hielten diese Mittel zur freien Verfügung. Der geizigste Bauer, der ruppigste
Tagelöhner hatte darüber zu beschließen, ob diese Staatsmittel sachgemäß oder
nicht sachgemäß verwendet werden sollten.

Es soll nun nicht geleugnet werden, daß die Schulvorstände in vielen
Fällen die ihnen überwiesenen Gelder gut angewendet haben, in vielen Füllen
haben sie es aber anch nicht gethan. Es haben sich da Zustände gebildet, die
einem geordneten Stnatswesen nicht zur Zierde gereichen. Hier ein Beispiel.


Überweisungen von Staatseinrnnften

ja noch mehr, als man hat. Und man giebt aus, um nnr auszugeben. Es
ist falsch, erst Gelder für die Ausgabe zu bestimmen und sich dann erst zu
fragen, was man wohl anschaffen könnte. Das führt notwendig zur Ver¬
schwendung. Gelder, die nicht redlich verdient, die gewonnen oder geschenkt
werden, sitzen zu locker im Beutel. Dasselbe gilt aber auch von Geldern, die
„überwiesen," die nicht durch Steuern aufgebracht werden. Man soll Gelder,
die man nicht braucht, überhaupt nicht erheben, man soll Überschüsse zum
Steuererlaß verwenden. Das wäre eine richtige Finanzverwaltung, man würde
bei einer solchen Verwaltung viele Millionen ersparen, die jetzt verschwendet
werden.

Das übelste aber ist: die Kreise haben sich an die üppige Wirtschaft ge¬
wöhnt, sie fürchten, die Aufhebung des Gesetzes, ja man hört bereits die Mei¬
nung, die Kreise müßten bei der Aufhebung der lvx Hucue entschädigt werden!
Das heißt denn doch, die Dinge auf den Kopf stellen, es ist gerade, als wollte
jemand eine Entschädigung dafür verlangen, daß ein Geschenk, das man ihm
gegeben hat, nicht groß genug gewesen sei.

Nicht günstiger, ja vielleicht noch übler haben sich die Dinge gestaltet bei
der ..Überweisung" von sechsundzwanzig Millionen infolge des Gesetzes vom
14. Juni 1888, betreffend die Erleichterung der Schnllasten. Dem einfachen
Menschenverstande scheint es selbstverständlich zu sein, daß man bei einem
solchen Gesetze zuerst ermittelt, ob und wo solche Lasten vorhanden sind, und
daß man sie dort erleichtert, wo sie als drückend empfunden werden. Wer
könnte nun eine gerechte Verteilung der Gelder vornehmen? Offenbar die aus¬
führende Behörde, die königliche Regierung. Man hätte ihr also eine ziem¬
lich freie Verfügung über die Gelder überlasten sollen. Dazu war aber im
preußischen Abgeordnetenhaus« keine Neigung vorhanden. Die liberale Partei
wollte den Einfluß der Regierung überhaupt nicht stärken, das Zentrum ganz
besonders in Schulangelegenheiten nicht. Dazu kam die Legende von der
„glänzenden Bewährung" der Selbstverwaltung. Und so wurde wieder „über¬
wiesen." Jede Gemeinde erhielt für einen ersten Lehrer fünfhundert, für den
zweiten und jeden folgenden dreihundert Mark Staatsbeitrag zu den Schul-
kosten, gleichviel, ob die Gemeinde durch Schulaufgaben belastet war oder nicht,
ob die Schulaufgaben dnrch kirchliche Mittel oder Grundbesitz bestritten, oder
ob sie durch die Gemeinden aufgebracht wurden. Und die Schulvorstände er¬
hielten diese Mittel zur freien Verfügung. Der geizigste Bauer, der ruppigste
Tagelöhner hatte darüber zu beschließen, ob diese Staatsmittel sachgemäß oder
nicht sachgemäß verwendet werden sollten.

Es soll nun nicht geleugnet werden, daß die Schulvorstände in vielen
Fällen die ihnen überwiesenen Gelder gut angewendet haben, in vielen Füllen
haben sie es aber anch nicht gethan. Es haben sich da Zustände gebildet, die
einem geordneten Stnatswesen nicht zur Zierde gereichen. Hier ein Beispiel.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/117>, abgerufen am 01.09.2024.