Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.persönliche Verhältnis eines Privatbesitzers zu seinen Sklaven, mögen es nun Rogers findet einen patriotischen Trost darin, mit der in der Mitte des persönliche Verhältnis eines Privatbesitzers zu seinen Sklaven, mögen es nun Rogers findet einen patriotischen Trost darin, mit der in der Mitte des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0639" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213753"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2026" prev="#ID_2025"> persönliche Verhältnis eines Privatbesitzers zu seinen Sklaven, mögen es nun<lb/> zweibeinige oder vierbeinige sein, immer einigermaßen menschlich; durch Ge¬<lb/> wohnheit bildet sich eine gewisse Anhänglichkeit aus. Zweitens liegt es im<lb/> Interesse des Privatbesitzers, wenn er sein Arbeitsvieh auf dem eignen Hofe<lb/> züchtet, für kräftigen, gesunden Nachwuchs zu sorgen, wenn er es aber kauft,<lb/> es nicht zu schnell abzunutzen. Und weiter: da die Arbeiter doch noch so weit<lb/> Menschen blieben, daß sie sich nicht immer wie Schlachtschafe benahmen — in<lb/> der Zeit der Besserung von 1700 bis 1750, wo einige Arbeiterklassen beinahe<lb/> satt zu essen hatten, kamen hie und da kleine Aufstände vor —, so wurde jede<lb/> Verabredung von Arbeitern zur Erlangung besserer Lohnbedingungen als „Ver¬<lb/> schwörung" bestraft. Wurde durch den Raub der Gemeiudelüudereien, die so¬<lb/> genannten Molosui'W, nicht allein die Bauernschaft um einen Teil ihres recht¬<lb/> mäßigen Besitzes gebracht, sondern auch den etwa noch ansässigen Feldarbeitern<lb/> die Möglichkeit genommen, sich Gänse oder ein Schwein zu halten — mau<lb/> verbot es ihnen wohl auch ausdrücklich —, so begütigter sich damit die Lnnd-<lb/> lords noch nicht, sondern brannten die Arbeiterhütten und die Hütten kleiner<lb/> Pächter, wo sich noch solche fanden, einfach nieder und machten so den letzten<lb/> Rest der ärmern Bevölkerung vollends vogelfrei. Noch Karl der Erste, noch<lb/> Cromwell hatten die Ausstattung der Arbeiterhäuser mit vier Acres Land zu<lb/> erzwingen gesucht. Heute ist der Arbeiter schou froh, wenn man feine Hütte<lb/> nicht niederbrennt, noch froher, wenn man ihm ein Gürtchen läßt; Ausstattung<lb/> mit ein paar Morgen Land duldet mau nicht mehr, das würde ihn, wie nach<lb/> or. Hunter die Pächter sagen, zu unabhängig machen. Das so zusammen¬<lb/> geraubte kolossale Vermögen vergrößerten die Landlords einerseits durch Er¬<lb/> pressung hoher Mieter für ihre städtischen Grundstücke, andrerseits dnrch eine<lb/> Zollpolitik, die auf die Erzeugung von Hungersnöten berechnet war, und<lb/> wälzten die Armenlast auf den Mittelstand und die Armen ab: „Der Reiche<lb/> raubte dem armen Lnzarus vollends die Brosamen, die dieser an den Tischen<lb/> der etwas weniger Armen aufgelesen hatte." Mit den Laudlords wetteiferten<lb/> die Großhändler, die sich durch eine ähnliche Zollpolitik und durch Monopole<lb/> bereicherten, und die Fabrikanten, von denen wir später noch reden werden.<lb/> Alle großen englischen Vermögen, meint Rogers, seien durch Raub, und zwar<lb/> durch unverhüllten Raub aufgehäuft worden. Das Parlament wurde seit der<lb/> „glorreichen Revolution" — so wird die von 1689 mit Vorliebe genannt —<lb/> ausschließlich eine Vertretung der genannten drei Klassen, und die beiden<lb/> Cliquen der Whigs und Tories waren eine so räuberisch wie die andre.</p><lb/> <p xml:id="ID_2027" next="#ID_2028"> Rogers findet einen patriotischen Trost darin, mit der in der Mitte des<lb/> vorigen Jahrhunderts noch leidlich kräftigen, wenn auch nicht mehr sehr zahl¬<lb/> reichen Bauernschaft seines Vaterlandes die französische zu vergleichen, deren<lb/> Elend er nach den bekannten Quellen ausführlich schildert. Leider ist seitdem<lb/> jene englische Bauernschaft vollends verschwunden, während die französische</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0639]
persönliche Verhältnis eines Privatbesitzers zu seinen Sklaven, mögen es nun
zweibeinige oder vierbeinige sein, immer einigermaßen menschlich; durch Ge¬
wohnheit bildet sich eine gewisse Anhänglichkeit aus. Zweitens liegt es im
Interesse des Privatbesitzers, wenn er sein Arbeitsvieh auf dem eignen Hofe
züchtet, für kräftigen, gesunden Nachwuchs zu sorgen, wenn er es aber kauft,
es nicht zu schnell abzunutzen. Und weiter: da die Arbeiter doch noch so weit
Menschen blieben, daß sie sich nicht immer wie Schlachtschafe benahmen — in
der Zeit der Besserung von 1700 bis 1750, wo einige Arbeiterklassen beinahe
satt zu essen hatten, kamen hie und da kleine Aufstände vor —, so wurde jede
Verabredung von Arbeitern zur Erlangung besserer Lohnbedingungen als „Ver¬
schwörung" bestraft. Wurde durch den Raub der Gemeiudelüudereien, die so¬
genannten Molosui'W, nicht allein die Bauernschaft um einen Teil ihres recht¬
mäßigen Besitzes gebracht, sondern auch den etwa noch ansässigen Feldarbeitern
die Möglichkeit genommen, sich Gänse oder ein Schwein zu halten — mau
verbot es ihnen wohl auch ausdrücklich —, so begütigter sich damit die Lnnd-
lords noch nicht, sondern brannten die Arbeiterhütten und die Hütten kleiner
Pächter, wo sich noch solche fanden, einfach nieder und machten so den letzten
Rest der ärmern Bevölkerung vollends vogelfrei. Noch Karl der Erste, noch
Cromwell hatten die Ausstattung der Arbeiterhäuser mit vier Acres Land zu
erzwingen gesucht. Heute ist der Arbeiter schou froh, wenn man feine Hütte
nicht niederbrennt, noch froher, wenn man ihm ein Gürtchen läßt; Ausstattung
mit ein paar Morgen Land duldet mau nicht mehr, das würde ihn, wie nach
or. Hunter die Pächter sagen, zu unabhängig machen. Das so zusammen¬
geraubte kolossale Vermögen vergrößerten die Landlords einerseits durch Er¬
pressung hoher Mieter für ihre städtischen Grundstücke, andrerseits dnrch eine
Zollpolitik, die auf die Erzeugung von Hungersnöten berechnet war, und
wälzten die Armenlast auf den Mittelstand und die Armen ab: „Der Reiche
raubte dem armen Lnzarus vollends die Brosamen, die dieser an den Tischen
der etwas weniger Armen aufgelesen hatte." Mit den Laudlords wetteiferten
die Großhändler, die sich durch eine ähnliche Zollpolitik und durch Monopole
bereicherten, und die Fabrikanten, von denen wir später noch reden werden.
Alle großen englischen Vermögen, meint Rogers, seien durch Raub, und zwar
durch unverhüllten Raub aufgehäuft worden. Das Parlament wurde seit der
„glorreichen Revolution" — so wird die von 1689 mit Vorliebe genannt —
ausschließlich eine Vertretung der genannten drei Klassen, und die beiden
Cliquen der Whigs und Tories waren eine so räuberisch wie die andre.
Rogers findet einen patriotischen Trost darin, mit der in der Mitte des
vorigen Jahrhunderts noch leidlich kräftigen, wenn auch nicht mehr sehr zahl¬
reichen Bauernschaft seines Vaterlandes die französische zu vergleichen, deren
Elend er nach den bekannten Quellen ausführlich schildert. Leider ist seitdem
jene englische Bauernschaft vollends verschwunden, während die französische
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