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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Die christliche Mission in "Lhina

Priester der syrischen Kirche. Am Schluß steht eine Ode, die so beginnt:
Der wahre Gott ist ohne Anfang, tief, unsichtbar und unveränderlich; mit
seiner Macht und Fähigkeit, zu vollenden und zu verändern, schuf er Himmel
und Erde.

Auch Marco Polo erwähnt die Nestorianer oft und spricht besonders von
zwei Kirchen in Tschinkiaug und vou einer in Hangtschcm. Es ist aber sehr
fraglich, ob sie damals noch viel von der ursprünglichen Reinheit ihrer Lehre
bewahrt haben können, weil sie seit dein Emporkommen des Muhammedanismus
vou der Mutterkirche in Syrien abgeschnitten waren. Allmählich sind sie dann
ganz verschwunden, und jetzt giebt nichts mehr unmittelbare Kunde von ihnen
als nur die eine Tafel.

Den gewaltigen Bemühungen der römischen Kirche, das Christentum im
fernen Reich der Mitte anzupflanzen, wird auch von protestantischer Seite
die Achtung nicht versagt. Einmal waren ihre Sendboten nahe am Siege,
aber gerade da ließ die Kurie, berauscht von den großen Erfolgen, ihre sonst
so gewohnte Vorsicht außer acht, indem sie zu früh in Angelegenheiten, deren
Regelung sich die Kaiser selbst vorbehalten wollten, mit ihrem bekannten
Avr xvWumu" kam. Dadurch wurden dann die Herrscher vor den Kopf ge¬
stoßen, und fast alles ging wieder verloren. Hätten sich die katholischen
Missionare stets ausschließlich auf die Verbreitung ihrer Lehre beschränkt, so
würde jetzt aller Wahrscheinlichkeit nach ein großer Teil des chinesischen Volkes
römisch-katholischer Konfession sein.

Papst Nikolaus IV. war der erste, der am Ende des dreizehnten Jahr¬
hunderts eine dauernde Mission in China errichtete; Johann von Moutecvrvino
hieß der erste Missionar, der sich dort niederließ. Er wurde von Kublai
Khan freundlich aufgenommen und hatte bald solche Erfolge, daß ihn der
Papst zum Erzbischof eruamite und ihm sieben Suffraganbischöfe schickte. Als
aber die Mongolen im Jahre 1368 ans China vertrieben wurden, werdeu
ihnen die meisten Anhänger beider christlichen Kirchen nach Westen gefolgt sein
und dort ging dann die römische Richtung ebenso im Buddhismus und
Muhammedanismus unter wie die nestvrianische.

Mehr als zwei Jahrhunderte hindurch wurden dann von Rom aus keine
weitern Anstrengungen zur Bekehrung der Chinesen gemacht, was bei dem
damaligen Verfall des Papsttums nicht Wunder nehmen kann. Aber bei dem
abermaligen Erstarken wurden alsbald mit großer Energie die alten welt¬
umspannenden Pläne wieder ausgenommen. Zu derselben Zeit, wo in Deutsch¬
land während der Gegenreformation ein Stück gut protestantischen Landes
nach dem andern wieder an die römische Kirche fiel, setzte diese auch im Reiche
der Mitte neue Hebel an. Der Jesuitenpater Matteo Ricci landete im Jahre
1580 in Macao, und bald darauf gelang es ihm, für sich und seinen Begleiter
Michael Roger vom Gouverneur der Provinz Kwcingtung die Erlaubnis zur


Die christliche Mission in «Lhina

Priester der syrischen Kirche. Am Schluß steht eine Ode, die so beginnt:
Der wahre Gott ist ohne Anfang, tief, unsichtbar und unveränderlich; mit
seiner Macht und Fähigkeit, zu vollenden und zu verändern, schuf er Himmel
und Erde.

Auch Marco Polo erwähnt die Nestorianer oft und spricht besonders von
zwei Kirchen in Tschinkiaug und vou einer in Hangtschcm. Es ist aber sehr
fraglich, ob sie damals noch viel von der ursprünglichen Reinheit ihrer Lehre
bewahrt haben können, weil sie seit dein Emporkommen des Muhammedanismus
vou der Mutterkirche in Syrien abgeschnitten waren. Allmählich sind sie dann
ganz verschwunden, und jetzt giebt nichts mehr unmittelbare Kunde von ihnen
als nur die eine Tafel.

Den gewaltigen Bemühungen der römischen Kirche, das Christentum im
fernen Reich der Mitte anzupflanzen, wird auch von protestantischer Seite
die Achtung nicht versagt. Einmal waren ihre Sendboten nahe am Siege,
aber gerade da ließ die Kurie, berauscht von den großen Erfolgen, ihre sonst
so gewohnte Vorsicht außer acht, indem sie zu früh in Angelegenheiten, deren
Regelung sich die Kaiser selbst vorbehalten wollten, mit ihrem bekannten
Avr xvWumu» kam. Dadurch wurden dann die Herrscher vor den Kopf ge¬
stoßen, und fast alles ging wieder verloren. Hätten sich die katholischen
Missionare stets ausschließlich auf die Verbreitung ihrer Lehre beschränkt, so
würde jetzt aller Wahrscheinlichkeit nach ein großer Teil des chinesischen Volkes
römisch-katholischer Konfession sein.

Papst Nikolaus IV. war der erste, der am Ende des dreizehnten Jahr¬
hunderts eine dauernde Mission in China errichtete; Johann von Moutecvrvino
hieß der erste Missionar, der sich dort niederließ. Er wurde von Kublai
Khan freundlich aufgenommen und hatte bald solche Erfolge, daß ihn der
Papst zum Erzbischof eruamite und ihm sieben Suffraganbischöfe schickte. Als
aber die Mongolen im Jahre 1368 ans China vertrieben wurden, werdeu
ihnen die meisten Anhänger beider christlichen Kirchen nach Westen gefolgt sein
und dort ging dann die römische Richtung ebenso im Buddhismus und
Muhammedanismus unter wie die nestvrianische.

Mehr als zwei Jahrhunderte hindurch wurden dann von Rom aus keine
weitern Anstrengungen zur Bekehrung der Chinesen gemacht, was bei dem
damaligen Verfall des Papsttums nicht Wunder nehmen kann. Aber bei dem
abermaligen Erstarken wurden alsbald mit großer Energie die alten welt¬
umspannenden Pläne wieder ausgenommen. Zu derselben Zeit, wo in Deutsch¬
land während der Gegenreformation ein Stück gut protestantischen Landes
nach dem andern wieder an die römische Kirche fiel, setzte diese auch im Reiche
der Mitte neue Hebel an. Der Jesuitenpater Matteo Ricci landete im Jahre
1580 in Macao, und bald darauf gelang es ihm, für sich und seinen Begleiter
Michael Roger vom Gouverneur der Provinz Kwcingtung die Erlaubnis zur


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[0573] Die christliche Mission in «Lhina Priester der syrischen Kirche. Am Schluß steht eine Ode, die so beginnt: Der wahre Gott ist ohne Anfang, tief, unsichtbar und unveränderlich; mit seiner Macht und Fähigkeit, zu vollenden und zu verändern, schuf er Himmel und Erde. Auch Marco Polo erwähnt die Nestorianer oft und spricht besonders von zwei Kirchen in Tschinkiaug und vou einer in Hangtschcm. Es ist aber sehr fraglich, ob sie damals noch viel von der ursprünglichen Reinheit ihrer Lehre bewahrt haben können, weil sie seit dein Emporkommen des Muhammedanismus vou der Mutterkirche in Syrien abgeschnitten waren. Allmählich sind sie dann ganz verschwunden, und jetzt giebt nichts mehr unmittelbare Kunde von ihnen als nur die eine Tafel. Den gewaltigen Bemühungen der römischen Kirche, das Christentum im fernen Reich der Mitte anzupflanzen, wird auch von protestantischer Seite die Achtung nicht versagt. Einmal waren ihre Sendboten nahe am Siege, aber gerade da ließ die Kurie, berauscht von den großen Erfolgen, ihre sonst so gewohnte Vorsicht außer acht, indem sie zu früh in Angelegenheiten, deren Regelung sich die Kaiser selbst vorbehalten wollten, mit ihrem bekannten Avr xvWumu» kam. Dadurch wurden dann die Herrscher vor den Kopf ge¬ stoßen, und fast alles ging wieder verloren. Hätten sich die katholischen Missionare stets ausschließlich auf die Verbreitung ihrer Lehre beschränkt, so würde jetzt aller Wahrscheinlichkeit nach ein großer Teil des chinesischen Volkes römisch-katholischer Konfession sein. Papst Nikolaus IV. war der erste, der am Ende des dreizehnten Jahr¬ hunderts eine dauernde Mission in China errichtete; Johann von Moutecvrvino hieß der erste Missionar, der sich dort niederließ. Er wurde von Kublai Khan freundlich aufgenommen und hatte bald solche Erfolge, daß ihn der Papst zum Erzbischof eruamite und ihm sieben Suffraganbischöfe schickte. Als aber die Mongolen im Jahre 1368 ans China vertrieben wurden, werdeu ihnen die meisten Anhänger beider christlichen Kirchen nach Westen gefolgt sein und dort ging dann die römische Richtung ebenso im Buddhismus und Muhammedanismus unter wie die nestvrianische. Mehr als zwei Jahrhunderte hindurch wurden dann von Rom aus keine weitern Anstrengungen zur Bekehrung der Chinesen gemacht, was bei dem damaligen Verfall des Papsttums nicht Wunder nehmen kann. Aber bei dem abermaligen Erstarken wurden alsbald mit großer Energie die alten welt¬ umspannenden Pläne wieder ausgenommen. Zu derselben Zeit, wo in Deutsch¬ land während der Gegenreformation ein Stück gut protestantischen Landes nach dem andern wieder an die römische Kirche fiel, setzte diese auch im Reiche der Mitte neue Hebel an. Der Jesuitenpater Matteo Ricci landete im Jahre 1580 in Macao, und bald darauf gelang es ihm, für sich und seinen Begleiter Michael Roger vom Gouverneur der Provinz Kwcingtung die Erlaubnis zur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/573>, abgerufen am 23.07.2024.