Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
langweilige Uaminerherr

Stein. Ein büschen nackigt sind sie mich woll vorgekommen; aller aus sowas
machen sich ja die Vorredners nix.

Als wir diesen Sommertag in den Sloßgarten kamen -- ich ging hinter
meinen Junker her --, da war ein große Gesellschaft versammelt. Auf ein
Platz nahe bei das Gehölz, was sie den Rudel nennen, da steht ein ganzen
Berg Bäume, lingelcmg gepflanzt, daß man zwischen sie Stücke Zeug oder
sowas ähnliches hängen kann. Die nennt man Klissens, und die Dingers
braucht man zun Theaterspielen. Hier, in diesen Momang, wo wir kamen,
würd denn auch Komedi gespielt, von Damens mit kurzen Kleidern und von
Herrens in bunten Rocken. Auch ein paar Lümmers liesen da mit mang, und
auf den besten Platz bei die Zuschauers saß Herzog Peter Friedrich und strickte
Strümpfe. Das war sein liebste Arbeit, und da kann ja auch kein Mensch was
gegen sagen.

Weil nu all die Herrschaftcns doch was zu essen haben sollten, sagt
mein Junker zu mich, ich sollt mir an den herzoglichen Kammerdiener wenden,
ob ich nich ein büschen bei die Aufwartung mit helfen konnte. Das thu ich
denn und sehe, daß mein Freund Piähr mit einmal auch da is, mien Limmer-
nadenbrett rumläuft und mich ganz verstohlen znwinkt. Als ich nahstens ein
Packen Teller an ihn vorbcitrag, stößt er mir leise an und sagt: Mein jungen
Herzog is hier, und die Prinzessin auch!

Ich hätt beinah all das Geschirr fallen lassen, so verfiehrte ich mir, und
denn ärgerte ich mir noch obendrein. Denn heut morgen noch hatt mein
Kammerjunker an Rosenstein in Hamburg geschrieben, er sollt ihn Geld in
voraus schicken, weil daß er wieder nix hatte. Wenn er das um all gewußt
hätt, daß die französche Prinzessin und ihr Bräutgam hier wären, so würd
er ja Geld genug dafür gekriegt haben. Vielleicht konnt er nu noch einmal
schreiben!

Ich überlege mich das gerade und verleite inzwischen die Tellers an die
Herrschaftens, da sehe ich mit einmal ein starkes junges Mädchen. Sie geht
durch die Reihers von die Gesellschaft und spricht mit jedereincn. Groß
war sie weiter nich, hatt ein simples weißes Kleid an und nich mal Puder
auf ihre blonden Haarens. Nach was besondern sah sie gar nich aus. Als
sie mir aber so ein büschen ankuckt, dn krieg ich das Fliegen in die Glieders
und muß drecktemang stille stehn. Neben sie geht ein jungen Mann. Der
is groß und breit und hat ein gutes Gesicht. Beide snncken französch mit die
andern Herrschaften und lachen und machen Konversatschvn, gerade so wie die
andern, und doch sind sie anders -- ganz und gar anders. Das war grad,
als wenn die zwei Menschen casu ganz soeben Berg stünden, und die andern
könnten nich mal ordentlich in die Höchte kneten.

Den Tag hab ich man steche aufgewartet, denn ich möcht die französche
Prinzessin so gern ansehen. Natürlich nur aus die Ferne, weil ich gleich das


langweilige Uaminerherr

Stein. Ein büschen nackigt sind sie mich woll vorgekommen; aller aus sowas
machen sich ja die Vorredners nix.

Als wir diesen Sommertag in den Sloßgarten kamen — ich ging hinter
meinen Junker her —, da war ein große Gesellschaft versammelt. Auf ein
Platz nahe bei das Gehölz, was sie den Rudel nennen, da steht ein ganzen
Berg Bäume, lingelcmg gepflanzt, daß man zwischen sie Stücke Zeug oder
sowas ähnliches hängen kann. Die nennt man Klissens, und die Dingers
braucht man zun Theaterspielen. Hier, in diesen Momang, wo wir kamen,
würd denn auch Komedi gespielt, von Damens mit kurzen Kleidern und von
Herrens in bunten Rocken. Auch ein paar Lümmers liesen da mit mang, und
auf den besten Platz bei die Zuschauers saß Herzog Peter Friedrich und strickte
Strümpfe. Das war sein liebste Arbeit, und da kann ja auch kein Mensch was
gegen sagen.

Weil nu all die Herrschaftcns doch was zu essen haben sollten, sagt
mein Junker zu mich, ich sollt mir an den herzoglichen Kammerdiener wenden,
ob ich nich ein büschen bei die Aufwartung mit helfen konnte. Das thu ich
denn und sehe, daß mein Freund Piähr mit einmal auch da is, mien Limmer-
nadenbrett rumläuft und mich ganz verstohlen znwinkt. Als ich nahstens ein
Packen Teller an ihn vorbcitrag, stößt er mir leise an und sagt: Mein jungen
Herzog is hier, und die Prinzessin auch!

Ich hätt beinah all das Geschirr fallen lassen, so verfiehrte ich mir, und
denn ärgerte ich mir noch obendrein. Denn heut morgen noch hatt mein
Kammerjunker an Rosenstein in Hamburg geschrieben, er sollt ihn Geld in
voraus schicken, weil daß er wieder nix hatte. Wenn er das um all gewußt
hätt, daß die französche Prinzessin und ihr Bräutgam hier wären, so würd
er ja Geld genug dafür gekriegt haben. Vielleicht konnt er nu noch einmal
schreiben!

Ich überlege mich das gerade und verleite inzwischen die Tellers an die
Herrschaftens, da sehe ich mit einmal ein starkes junges Mädchen. Sie geht
durch die Reihers von die Gesellschaft und spricht mit jedereincn. Groß
war sie weiter nich, hatt ein simples weißes Kleid an und nich mal Puder
auf ihre blonden Haarens. Nach was besondern sah sie gar nich aus. Als
sie mir aber so ein büschen ankuckt, dn krieg ich das Fliegen in die Glieders
und muß drecktemang stille stehn. Neben sie geht ein jungen Mann. Der
is groß und breit und hat ein gutes Gesicht. Beide snncken französch mit die
andern Herrschaften und lachen und machen Konversatschvn, gerade so wie die
andern, und doch sind sie anders — ganz und gar anders. Das war grad,
als wenn die zwei Menschen casu ganz soeben Berg stünden, und die andern
könnten nich mal ordentlich in die Höchte kneten.

Den Tag hab ich man steche aufgewartet, denn ich möcht die französche
Prinzessin so gern ansehen. Natürlich nur aus die Ferne, weil ich gleich das


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0552" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213666"/>
          <fw type="header" place="top"> langweilige Uaminerherr</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1707" prev="#ID_1706"> Stein. Ein büschen nackigt sind sie mich woll vorgekommen; aller aus sowas<lb/>
machen sich ja die Vorredners nix.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1708"> Als wir diesen Sommertag in den Sloßgarten kamen &#x2014; ich ging hinter<lb/>
meinen Junker her &#x2014;, da war ein große Gesellschaft versammelt. Auf ein<lb/>
Platz nahe bei das Gehölz, was sie den Rudel nennen, da steht ein ganzen<lb/>
Berg Bäume, lingelcmg gepflanzt, daß man zwischen sie Stücke Zeug oder<lb/>
sowas ähnliches hängen kann. Die nennt man Klissens, und die Dingers<lb/>
braucht man zun Theaterspielen. Hier, in diesen Momang, wo wir kamen,<lb/>
würd denn auch Komedi gespielt, von Damens mit kurzen Kleidern und von<lb/>
Herrens in bunten Rocken. Auch ein paar Lümmers liesen da mit mang, und<lb/>
auf den besten Platz bei die Zuschauers saß Herzog Peter Friedrich und strickte<lb/>
Strümpfe. Das war sein liebste Arbeit, und da kann ja auch kein Mensch was<lb/>
gegen sagen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1709"> Weil nu all die Herrschaftcns doch was zu essen haben sollten, sagt<lb/>
mein Junker zu mich, ich sollt mir an den herzoglichen Kammerdiener wenden,<lb/>
ob ich nich ein büschen bei die Aufwartung mit helfen konnte. Das thu ich<lb/>
denn und sehe, daß mein Freund Piähr mit einmal auch da is, mien Limmer-<lb/>
nadenbrett rumläuft und mich ganz verstohlen znwinkt. Als ich nahstens ein<lb/>
Packen Teller an ihn vorbcitrag, stößt er mir leise an und sagt: Mein jungen<lb/>
Herzog is hier, und die Prinzessin auch!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1710"> Ich hätt beinah all das Geschirr fallen lassen, so verfiehrte ich mir, und<lb/>
denn ärgerte ich mir noch obendrein. Denn heut morgen noch hatt mein<lb/>
Kammerjunker an Rosenstein in Hamburg geschrieben, er sollt ihn Geld in<lb/>
voraus schicken, weil daß er wieder nix hatte. Wenn er das um all gewußt<lb/>
hätt, daß die französche Prinzessin und ihr Bräutgam hier wären, so würd<lb/>
er ja Geld genug dafür gekriegt haben. Vielleicht konnt er nu noch einmal<lb/>
schreiben!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1711"> Ich überlege mich das gerade und verleite inzwischen die Tellers an die<lb/>
Herrschaftens, da sehe ich mit einmal ein starkes junges Mädchen. Sie geht<lb/>
durch die Reihers von die Gesellschaft und spricht mit jedereincn. Groß<lb/>
war sie weiter nich, hatt ein simples weißes Kleid an und nich mal Puder<lb/>
auf ihre blonden Haarens. Nach was besondern sah sie gar nich aus. Als<lb/>
sie mir aber so ein büschen ankuckt, dn krieg ich das Fliegen in die Glieders<lb/>
und muß drecktemang stille stehn. Neben sie geht ein jungen Mann. Der<lb/>
is groß und breit und hat ein gutes Gesicht. Beide snncken französch mit die<lb/>
andern Herrschaften und lachen und machen Konversatschvn, gerade so wie die<lb/>
andern, und doch sind sie anders &#x2014; ganz und gar anders. Das war grad,<lb/>
als wenn die zwei Menschen casu ganz soeben Berg stünden, und die andern<lb/>
könnten nich mal ordentlich in die Höchte kneten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1712" next="#ID_1713"> Den Tag hab ich man steche aufgewartet, denn ich möcht die französche<lb/>
Prinzessin so gern ansehen. Natürlich nur aus die Ferne, weil ich gleich das</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0552] langweilige Uaminerherr Stein. Ein büschen nackigt sind sie mich woll vorgekommen; aller aus sowas machen sich ja die Vorredners nix. Als wir diesen Sommertag in den Sloßgarten kamen — ich ging hinter meinen Junker her —, da war ein große Gesellschaft versammelt. Auf ein Platz nahe bei das Gehölz, was sie den Rudel nennen, da steht ein ganzen Berg Bäume, lingelcmg gepflanzt, daß man zwischen sie Stücke Zeug oder sowas ähnliches hängen kann. Die nennt man Klissens, und die Dingers braucht man zun Theaterspielen. Hier, in diesen Momang, wo wir kamen, würd denn auch Komedi gespielt, von Damens mit kurzen Kleidern und von Herrens in bunten Rocken. Auch ein paar Lümmers liesen da mit mang, und auf den besten Platz bei die Zuschauers saß Herzog Peter Friedrich und strickte Strümpfe. Das war sein liebste Arbeit, und da kann ja auch kein Mensch was gegen sagen. Weil nu all die Herrschaftcns doch was zu essen haben sollten, sagt mein Junker zu mich, ich sollt mir an den herzoglichen Kammerdiener wenden, ob ich nich ein büschen bei die Aufwartung mit helfen konnte. Das thu ich denn und sehe, daß mein Freund Piähr mit einmal auch da is, mien Limmer- nadenbrett rumläuft und mich ganz verstohlen znwinkt. Als ich nahstens ein Packen Teller an ihn vorbcitrag, stößt er mir leise an und sagt: Mein jungen Herzog is hier, und die Prinzessin auch! Ich hätt beinah all das Geschirr fallen lassen, so verfiehrte ich mir, und denn ärgerte ich mir noch obendrein. Denn heut morgen noch hatt mein Kammerjunker an Rosenstein in Hamburg geschrieben, er sollt ihn Geld in voraus schicken, weil daß er wieder nix hatte. Wenn er das um all gewußt hätt, daß die französche Prinzessin und ihr Bräutgam hier wären, so würd er ja Geld genug dafür gekriegt haben. Vielleicht konnt er nu noch einmal schreiben! Ich überlege mich das gerade und verleite inzwischen die Tellers an die Herrschaftens, da sehe ich mit einmal ein starkes junges Mädchen. Sie geht durch die Reihers von die Gesellschaft und spricht mit jedereincn. Groß war sie weiter nich, hatt ein simples weißes Kleid an und nich mal Puder auf ihre blonden Haarens. Nach was besondern sah sie gar nich aus. Als sie mir aber so ein büschen ankuckt, dn krieg ich das Fliegen in die Glieders und muß drecktemang stille stehn. Neben sie geht ein jungen Mann. Der is groß und breit und hat ein gutes Gesicht. Beide snncken französch mit die andern Herrschaften und lachen und machen Konversatschvn, gerade so wie die andern, und doch sind sie anders — ganz und gar anders. Das war grad, als wenn die zwei Menschen casu ganz soeben Berg stünden, und die andern könnten nich mal ordentlich in die Höchte kneten. Den Tag hab ich man steche aufgewartet, denn ich möcht die französche Prinzessin so gern ansehen. Natürlich nur aus die Ferne, weil ich gleich das

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/552
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/552>, abgerufen am 03.07.2024.