Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Bunte Holzschnitte

dies fast allein, als vornehme Schwarzkunst ist sie fast ganz vergessen -- aus
technischen Gründen nicht mitzuwirken imstande war.

Nun eröffnen diese kleinen Holzschnittbuntdrucke, aus die unsre Zeilen auf¬
merksam machen wollen, einen ganz neuen Ausblick in die Zukunft, und einen
uni so erfreulichem, als er dem alten guten Holzschnitt, der schon seine Tage
gezählt glaubte, die schönsten 'Aufgaben stellt.

Wir haben im ganzen jetzt zehn dieser entzückenden Blätter vor uns
liegen, von dem Kniistverleger Julius Schmidt in Florenz veröffentlicht, ge¬
schnitten -- auch gedruckt? -- von H. und R. Knöfler in Wien. Es sind
Wiedergaben der Madora della stelln von Fra Angelico, von acht der zwölf
Engel des genannten Tabernakels desselben Meisters -- die übrigen vier
sollen noch folgen --, und von Giulio Romanos Reigen Apollos und der
Musen.

Alle diese Blätter zeigen, auf Goldgrund, einen Farbenglanz, der mit
jeder Leistung der Lithographie wetteifern kann; aber sie haben eins, was sie
von der Lithographie unterscheidet und ihnen einen besondern Vorzug giebt,
das ist die Festigkeit der Zeichnung, der außerordentlich klare Umriß der
Formen und damit deren große Plastik. Das ist etwas, was weder Stift noch
Feder beim Steindruck zuwege bringen. Aber -- ein Aber ist ja auch hier
dabei: dies zuwege zu bringen, dazu gehört ein wirklicher Künstler!

Der Holzschnitt hat jn mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die
Sprödigkeit des Materials, der Zwang, nicht nur seine Töne durch Linien zu
geben -- eine Schwierigkeit, die für die Lithographie nicht vorhanden ist --,
sondern auch dem harten Holzstock die weiche Umrißlinie des Pinsels abringen
zu sollen, hat ihre Grenzen, über die hinwegzukommen nicht möglich schien.
Die Herren Knöfler haben aber gezeigt, wie man darüber hinwegkommen
kann, und sie haben ferner gezeigt, wie man einen Nachteil des Materials zu
einem Vorteil wenden kann. Man sehe nur einmal, wie bei den beiden
Engeln mit der Trommel und mit dem Tamburin die Händchen einmal vom
dunkeln, einmal vom hellen Hintergrunde abgehn; da kommt die Festigkeit
des Holzschnitts zur schönsten Wirkung, während sein Hölzernes völlig über¬
wunden ist.

Wir besitzen einen gelegentlich erbettelten Prvbeabzug eines Holzschnitts
von unserm Leipziger Meister Käseberg auf chinesischem Papier, der auch zeigt,
was ein Künstler vermag. Es ist die Wiedergabe einer der Perlen des Leip¬
ziger Museums, der Hochgcbirgslandschast nach einem verheerenden Gewitter
von Calame. Das Bild Ccilames hat einen Fehler; es giebt eine Szene in
Maßverhältnissen, bei denen man keinen einheitlichen Gesamteindruck gewinne"
kann; das Auge bleibt an den Einzelheiten haften, und das Bild zerslattert.
Dies hatte also Käsebcrg nachgeschritten, und es war wunderbar, wie ge¬
schlossen, einheitlich und außerordentlich wirkungsvoll die Komposition des


Bunte Holzschnitte

dies fast allein, als vornehme Schwarzkunst ist sie fast ganz vergessen — aus
technischen Gründen nicht mitzuwirken imstande war.

Nun eröffnen diese kleinen Holzschnittbuntdrucke, aus die unsre Zeilen auf¬
merksam machen wollen, einen ganz neuen Ausblick in die Zukunft, und einen
uni so erfreulichem, als er dem alten guten Holzschnitt, der schon seine Tage
gezählt glaubte, die schönsten 'Aufgaben stellt.

Wir haben im ganzen jetzt zehn dieser entzückenden Blätter vor uns
liegen, von dem Kniistverleger Julius Schmidt in Florenz veröffentlicht, ge¬
schnitten — auch gedruckt? — von H. und R. Knöfler in Wien. Es sind
Wiedergaben der Madora della stelln von Fra Angelico, von acht der zwölf
Engel des genannten Tabernakels desselben Meisters — die übrigen vier
sollen noch folgen —, und von Giulio Romanos Reigen Apollos und der
Musen.

Alle diese Blätter zeigen, auf Goldgrund, einen Farbenglanz, der mit
jeder Leistung der Lithographie wetteifern kann; aber sie haben eins, was sie
von der Lithographie unterscheidet und ihnen einen besondern Vorzug giebt,
das ist die Festigkeit der Zeichnung, der außerordentlich klare Umriß der
Formen und damit deren große Plastik. Das ist etwas, was weder Stift noch
Feder beim Steindruck zuwege bringen. Aber — ein Aber ist ja auch hier
dabei: dies zuwege zu bringen, dazu gehört ein wirklicher Künstler!

Der Holzschnitt hat jn mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die
Sprödigkeit des Materials, der Zwang, nicht nur seine Töne durch Linien zu
geben — eine Schwierigkeit, die für die Lithographie nicht vorhanden ist —,
sondern auch dem harten Holzstock die weiche Umrißlinie des Pinsels abringen
zu sollen, hat ihre Grenzen, über die hinwegzukommen nicht möglich schien.
Die Herren Knöfler haben aber gezeigt, wie man darüber hinwegkommen
kann, und sie haben ferner gezeigt, wie man einen Nachteil des Materials zu
einem Vorteil wenden kann. Man sehe nur einmal, wie bei den beiden
Engeln mit der Trommel und mit dem Tamburin die Händchen einmal vom
dunkeln, einmal vom hellen Hintergrunde abgehn; da kommt die Festigkeit
des Holzschnitts zur schönsten Wirkung, während sein Hölzernes völlig über¬
wunden ist.

Wir besitzen einen gelegentlich erbettelten Prvbeabzug eines Holzschnitts
von unserm Leipziger Meister Käseberg auf chinesischem Papier, der auch zeigt,
was ein Künstler vermag. Es ist die Wiedergabe einer der Perlen des Leip¬
ziger Museums, der Hochgcbirgslandschast nach einem verheerenden Gewitter
von Calame. Das Bild Ccilames hat einen Fehler; es giebt eine Szene in
Maßverhältnissen, bei denen man keinen einheitlichen Gesamteindruck gewinne»
kann; das Auge bleibt an den Einzelheiten haften, und das Bild zerslattert.
Dies hatte also Käsebcrg nachgeschritten, und es war wunderbar, wie ge¬
schlossen, einheitlich und außerordentlich wirkungsvoll die Komposition des


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0486" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213600"/>
          <fw type="header" place="top"> Bunte Holzschnitte</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1455" prev="#ID_1454"> dies fast allein, als vornehme Schwarzkunst ist sie fast ganz vergessen &#x2014; aus<lb/>
technischen Gründen nicht mitzuwirken imstande war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1456"> Nun eröffnen diese kleinen Holzschnittbuntdrucke, aus die unsre Zeilen auf¬<lb/>
merksam machen wollen, einen ganz neuen Ausblick in die Zukunft, und einen<lb/>
uni so erfreulichem, als er dem alten guten Holzschnitt, der schon seine Tage<lb/>
gezählt glaubte, die schönsten 'Aufgaben stellt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1457"> Wir haben im ganzen jetzt zehn dieser entzückenden Blätter vor uns<lb/>
liegen, von dem Kniistverleger Julius Schmidt in Florenz veröffentlicht, ge¬<lb/>
schnitten &#x2014; auch gedruckt? &#x2014; von H. und R. Knöfler in Wien. Es sind<lb/>
Wiedergaben der Madora della stelln von Fra Angelico, von acht der zwölf<lb/>
Engel des genannten Tabernakels desselben Meisters &#x2014; die übrigen vier<lb/>
sollen noch folgen &#x2014;, und von Giulio Romanos Reigen Apollos und der<lb/>
Musen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1458"> Alle diese Blätter zeigen, auf Goldgrund, einen Farbenglanz, der mit<lb/>
jeder Leistung der Lithographie wetteifern kann; aber sie haben eins, was sie<lb/>
von der Lithographie unterscheidet und ihnen einen besondern Vorzug giebt,<lb/>
das ist die Festigkeit der Zeichnung, der außerordentlich klare Umriß der<lb/>
Formen und damit deren große Plastik. Das ist etwas, was weder Stift noch<lb/>
Feder beim Steindruck zuwege bringen. Aber &#x2014; ein Aber ist ja auch hier<lb/>
dabei: dies zuwege zu bringen, dazu gehört ein wirklicher Künstler!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1459"> Der Holzschnitt hat jn mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die<lb/>
Sprödigkeit des Materials, der Zwang, nicht nur seine Töne durch Linien zu<lb/>
geben &#x2014; eine Schwierigkeit, die für die Lithographie nicht vorhanden ist &#x2014;,<lb/>
sondern auch dem harten Holzstock die weiche Umrißlinie des Pinsels abringen<lb/>
zu sollen, hat ihre Grenzen, über die hinwegzukommen nicht möglich schien.<lb/>
Die Herren Knöfler haben aber gezeigt, wie man darüber hinwegkommen<lb/>
kann, und sie haben ferner gezeigt, wie man einen Nachteil des Materials zu<lb/>
einem Vorteil wenden kann. Man sehe nur einmal, wie bei den beiden<lb/>
Engeln mit der Trommel und mit dem Tamburin die Händchen einmal vom<lb/>
dunkeln, einmal vom hellen Hintergrunde abgehn; da kommt die Festigkeit<lb/>
des Holzschnitts zur schönsten Wirkung, während sein Hölzernes völlig über¬<lb/>
wunden ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1460" next="#ID_1461"> Wir besitzen einen gelegentlich erbettelten Prvbeabzug eines Holzschnitts<lb/>
von unserm Leipziger Meister Käseberg auf chinesischem Papier, der auch zeigt,<lb/>
was ein Künstler vermag. Es ist die Wiedergabe einer der Perlen des Leip¬<lb/>
ziger Museums, der Hochgcbirgslandschast nach einem verheerenden Gewitter<lb/>
von Calame. Das Bild Ccilames hat einen Fehler; es giebt eine Szene in<lb/>
Maßverhältnissen, bei denen man keinen einheitlichen Gesamteindruck gewinne»<lb/>
kann; das Auge bleibt an den Einzelheiten haften, und das Bild zerslattert.<lb/>
Dies hatte also Käsebcrg nachgeschritten, und es war wunderbar, wie ge¬<lb/>
schlossen, einheitlich und außerordentlich wirkungsvoll die Komposition des</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0486] Bunte Holzschnitte dies fast allein, als vornehme Schwarzkunst ist sie fast ganz vergessen — aus technischen Gründen nicht mitzuwirken imstande war. Nun eröffnen diese kleinen Holzschnittbuntdrucke, aus die unsre Zeilen auf¬ merksam machen wollen, einen ganz neuen Ausblick in die Zukunft, und einen uni so erfreulichem, als er dem alten guten Holzschnitt, der schon seine Tage gezählt glaubte, die schönsten 'Aufgaben stellt. Wir haben im ganzen jetzt zehn dieser entzückenden Blätter vor uns liegen, von dem Kniistverleger Julius Schmidt in Florenz veröffentlicht, ge¬ schnitten — auch gedruckt? — von H. und R. Knöfler in Wien. Es sind Wiedergaben der Madora della stelln von Fra Angelico, von acht der zwölf Engel des genannten Tabernakels desselben Meisters — die übrigen vier sollen noch folgen —, und von Giulio Romanos Reigen Apollos und der Musen. Alle diese Blätter zeigen, auf Goldgrund, einen Farbenglanz, der mit jeder Leistung der Lithographie wetteifern kann; aber sie haben eins, was sie von der Lithographie unterscheidet und ihnen einen besondern Vorzug giebt, das ist die Festigkeit der Zeichnung, der außerordentlich klare Umriß der Formen und damit deren große Plastik. Das ist etwas, was weder Stift noch Feder beim Steindruck zuwege bringen. Aber — ein Aber ist ja auch hier dabei: dies zuwege zu bringen, dazu gehört ein wirklicher Künstler! Der Holzschnitt hat jn mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Sprödigkeit des Materials, der Zwang, nicht nur seine Töne durch Linien zu geben — eine Schwierigkeit, die für die Lithographie nicht vorhanden ist —, sondern auch dem harten Holzstock die weiche Umrißlinie des Pinsels abringen zu sollen, hat ihre Grenzen, über die hinwegzukommen nicht möglich schien. Die Herren Knöfler haben aber gezeigt, wie man darüber hinwegkommen kann, und sie haben ferner gezeigt, wie man einen Nachteil des Materials zu einem Vorteil wenden kann. Man sehe nur einmal, wie bei den beiden Engeln mit der Trommel und mit dem Tamburin die Händchen einmal vom dunkeln, einmal vom hellen Hintergrunde abgehn; da kommt die Festigkeit des Holzschnitts zur schönsten Wirkung, während sein Hölzernes völlig über¬ wunden ist. Wir besitzen einen gelegentlich erbettelten Prvbeabzug eines Holzschnitts von unserm Leipziger Meister Käseberg auf chinesischem Papier, der auch zeigt, was ein Künstler vermag. Es ist die Wiedergabe einer der Perlen des Leip¬ ziger Museums, der Hochgcbirgslandschast nach einem verheerenden Gewitter von Calame. Das Bild Ccilames hat einen Fehler; es giebt eine Szene in Maßverhältnissen, bei denen man keinen einheitlichen Gesamteindruck gewinne» kann; das Auge bleibt an den Einzelheiten haften, und das Bild zerslattert. Dies hatte also Käsebcrg nachgeschritten, und es war wunderbar, wie ge¬ schlossen, einheitlich und außerordentlich wirkungsvoll die Komposition des

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/486
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/486>, abgerufen am 22.12.2024.