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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Lriinierinigen an Lothar Bucher

abgeurteilt wurde, die er gründlich studirt hatte. Glaubte doch, als er einmal
von dem schwereren deutschen Pfluge, mit dem östliche Länder erobert worden,
sprach, ein weiser Thebaner, der wohl nie über einen Sturzäcker gegangen sein
mochte, ihn lächerlich machen zu können durch die Frage, ob damit etwa das
Schwert gemeint sei! Bucher blieb wohl noch einige Zeit in Verbindung mit
der Nationalzeitung, schrieb aber nur über Themen aus dem sozialen Leben
und dachte daran, nach England zurückzugehen. Einen Antrag des Ministers
von Schleinitz, in eine sogenannte offiziöse Stellung zur preußischen Gesandt¬
schaft in London zu treten, lehnte er ab.

Ein Zufall bewirkte, daß er im Vaterlande blieb. Während einer Gesell¬
schaft bei dem Besitzer der Nationalzeitung und des Korrespondenzbüreaus,
V. Wolfs, lief ein Telegramm, ich weiß nicht in welcher Sprache, ein, das
der Hausherr nicht zu entziffern vermochte. Er reichte es meinem Bruder,
und die Schnelligkeit, mit der es dieser las, gab Wolff den Gedanken ein,
ihm eine Stellung in dein Korrespondeuzbüreau anzubieten. Er nahm sie an,
ging jedoch im April 1862 zunächst wieder nach London zur Eröffnung der
dritten Weltausstellung. Daß sich die Illusionen, mit denen er, wie alle
Welt, die Vorgängerin elf Jahre früher begrüßt hatte, inzwischen abgekühlt
hatten, gab seinen damaligen Berichten ein andres Gepräge. Doch schien er
sich, nun als Gast, der jeden Tag seinen Stab weitersetzeu konnte, in London
recht wohl zu fühlen, er hatte auch eine Wohnung, wie er sie liebte, in
Brompton, mit der Aussicht auf einen noch uncmgebrochnen Parkgrund (einen
ähnlichen Vorzug hatte auch seiue letzte Wohnung in Berlin). Im September
ging er uach Dieppe, um zu baden und "sein Französisch etwas aufzufrischen,"
und mit dem neuen Jahre trat er seine Stellung bei Wolff an. Die militä¬
rische Ordnung in dem neuen Dienste sagte ihm, wie er mir schrieb, zu, aber
auf die Länge konnte ihn die Thätigkeit nicht befriedigen. Es ist bekannt,
daß er Rechtsanwalt zu werden wünschte, der Justizminister Graf zur Lippe 5
über seine Eingabe keine Entscheidung ohne den Ministerpräsidenten treffen
wollte, und dieser dann durch den Geheimrat von Keudell mit Bücher in
Unterhandlung trat! uach Poschingers Darstellung (Ein Achtundvierziger,
Band 2) ist auch der Minister des Innern Graf Eulenburg dabei thätig ge¬
wesen, und zwar auf Anregung Rudolf Schramms, der die Jahre des Exils
ebenfalls in London zugebracht hatte, uach seiner Heimkehr für die Bis-
marcksche Politik eintrat, später Generalkonsul in Mailand wurde und zuletzt
zu den heftigsten Widersachern Bismarcks gehört habe" soll.

Bei seinem ersten und einzigen Besuch in Wien teilte uns mein Bruder
die überraschende Neuigkeit mit. Das war im August 1864; aber erst im
November wurde er als Hilfsarbeiter in das Auswärtige Amt berufen. Den
König soll es einen schweren Entschluß gekostet haben, dem "Steuerverweigerer"
eine Vertrauensstellung einzuräumen.


Lriinierinigen an Lothar Bucher

abgeurteilt wurde, die er gründlich studirt hatte. Glaubte doch, als er einmal
von dem schwereren deutschen Pfluge, mit dem östliche Länder erobert worden,
sprach, ein weiser Thebaner, der wohl nie über einen Sturzäcker gegangen sein
mochte, ihn lächerlich machen zu können durch die Frage, ob damit etwa das
Schwert gemeint sei! Bucher blieb wohl noch einige Zeit in Verbindung mit
der Nationalzeitung, schrieb aber nur über Themen aus dem sozialen Leben
und dachte daran, nach England zurückzugehen. Einen Antrag des Ministers
von Schleinitz, in eine sogenannte offiziöse Stellung zur preußischen Gesandt¬
schaft in London zu treten, lehnte er ab.

Ein Zufall bewirkte, daß er im Vaterlande blieb. Während einer Gesell¬
schaft bei dem Besitzer der Nationalzeitung und des Korrespondenzbüreaus,
V. Wolfs, lief ein Telegramm, ich weiß nicht in welcher Sprache, ein, das
der Hausherr nicht zu entziffern vermochte. Er reichte es meinem Bruder,
und die Schnelligkeit, mit der es dieser las, gab Wolff den Gedanken ein,
ihm eine Stellung in dein Korrespondeuzbüreau anzubieten. Er nahm sie an,
ging jedoch im April 1862 zunächst wieder nach London zur Eröffnung der
dritten Weltausstellung. Daß sich die Illusionen, mit denen er, wie alle
Welt, die Vorgängerin elf Jahre früher begrüßt hatte, inzwischen abgekühlt
hatten, gab seinen damaligen Berichten ein andres Gepräge. Doch schien er
sich, nun als Gast, der jeden Tag seinen Stab weitersetzeu konnte, in London
recht wohl zu fühlen, er hatte auch eine Wohnung, wie er sie liebte, in
Brompton, mit der Aussicht auf einen noch uncmgebrochnen Parkgrund (einen
ähnlichen Vorzug hatte auch seiue letzte Wohnung in Berlin). Im September
ging er uach Dieppe, um zu baden und „sein Französisch etwas aufzufrischen,"
und mit dem neuen Jahre trat er seine Stellung bei Wolff an. Die militä¬
rische Ordnung in dem neuen Dienste sagte ihm, wie er mir schrieb, zu, aber
auf die Länge konnte ihn die Thätigkeit nicht befriedigen. Es ist bekannt,
daß er Rechtsanwalt zu werden wünschte, der Justizminister Graf zur Lippe 5
über seine Eingabe keine Entscheidung ohne den Ministerpräsidenten treffen
wollte, und dieser dann durch den Geheimrat von Keudell mit Bücher in
Unterhandlung trat! uach Poschingers Darstellung (Ein Achtundvierziger,
Band 2) ist auch der Minister des Innern Graf Eulenburg dabei thätig ge¬
wesen, und zwar auf Anregung Rudolf Schramms, der die Jahre des Exils
ebenfalls in London zugebracht hatte, uach seiner Heimkehr für die Bis-
marcksche Politik eintrat, später Generalkonsul in Mailand wurde und zuletzt
zu den heftigsten Widersachern Bismarcks gehört habe» soll.

Bei seinem ersten und einzigen Besuch in Wien teilte uns mein Bruder
die überraschende Neuigkeit mit. Das war im August 1864; aber erst im
November wurde er als Hilfsarbeiter in das Auswärtige Amt berufen. Den
König soll es einen schweren Entschluß gekostet haben, dem „Steuerverweigerer"
eine Vertrauensstellung einzuräumen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/478>, abgerufen am 22.12.2024.