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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Aufklärungen über studentische Dinge

gierige und tyrannische Verteuerungen im Geschüftsleben beabsichtigen. Auf
den Zweck kommt es an, und der ist ja wohl deutlich geworden.

Aber wie soll denn nun das alles ins Werk gesetzt werden, und wer soll
anfangen? Und da erklären wir selber: so weit ist es noch lange nicht. Aber
besprochen und erörtert, nach allen Seiten hin gewendet und überlegt kann es
doch werden. Im heutigen Studentenleben ist schon viel gewonnen, wenn
überhaupt wieder einmal nachgedacht wird, und wäre es auch nur zur Wider¬
legung. Die Aktiven mögen sich das Thema je für sich mit gesunden Augen
oder auch durchs Monocle ansehen; bei den alten Herren aber läßt sich darüber
auch einmal in einer gemischten Gruppe reden. Denn zum Glück hört ja die
gegenseitige Absperrung im Philisterleben auf; alte Korpsiers, alte Burschen¬
schafter haben ihre Zusaunneukünfte für sich, aber unter dritten beschleicht sie,
wie wir selber so oft mit angesehen haben, ein gewisses Solidaritätsgefühl,
das es sogar verträgt, wenn man sich gelegentlich gegenseitig ausspricht. Hier
wäre also ein Ausgangspunkt vorhanden.

Dabei wären die alten Herren zu der ersten Betrachtung solcher Vor¬
schläge ohnedies viel geeigneter als die Aktiven. Diese stehen jeder uuter dem
Baume eben erst angeeigneter Gesichtspunkte, sie sehen nicht weit und objektiv
genug. Dazu ist die "alte Treue" ans dem prächtigen Liede von der alten
Burschenherrlichkeit ein ganz besondres Ding, sie leistet noch mehr als die
Opferwilligkeit des Aktiven, der ja nur seines Vaters Geld und seine Semester
leichtherzig verschmerzt, sie hat die feste innere Kraft, die die alten Herren so
oft schon und immer wieder, bald hier bald dort, veranlaßt hat, nicht immer
bloß durch fröhliches Mitmachen und Bezahlen, sondern auch durch ernsten
Tadel und warnenden Zuspruch mit Hintansetzung ihrer persönlichen Popu¬
larität ihre Hingebung an das alte Banner zu bewähren. Bis jetzt hat zwar
solches Vorgehen von Gruppen alter Herren nirgends tiefgehende und dauernde
Wirkung üben können, aber doch nur weil die dazu gehörigen einzelnen Ver¬
bindungen oder Kartelle beim besten Willen für sich allein nichts ausrichte-!
können; sie müssen antreiben. Die Reform muß auf der ganzen Linie zu¬
gleich in Angriff genommen werden. Der Sinn für Besserungen und Umkehr
ist ja überall vorhanden, es fehlt nur der Glaube an die Möglichkeit gemein¬
schaftlichen Vorgehens nud damit eines größern Erfolgs. Wir für unsern
Teil haben unsre Meinung ausgesprochen, ohne für das vorgebrachte Einzelne
allgemeine Zustimmung vorauszusetzen oder gar zu verlangen. Wenn nur
die allgemeine Reformbedürftigst nud die Meinung, daß es noch nicht zu
spät sei, daß es noch Mittel und Wege gebe, anerkannt wird! Gerade bei
den alten Verbindungsarten, bei den Korps, muß die Reform unsrer studirenden
Jugend einsetzen, dort sind Unzuträglichkeiten am bedenklichsten und gefähr¬
lichsten, von dort aus haben sie zu den andern hinüber, auch bis zu den
Finken hin, ansteckend übergegriffeu. Die öffentliche Meinung aber darf und


Aufklärungen über studentische Dinge

gierige und tyrannische Verteuerungen im Geschüftsleben beabsichtigen. Auf
den Zweck kommt es an, und der ist ja wohl deutlich geworden.

Aber wie soll denn nun das alles ins Werk gesetzt werden, und wer soll
anfangen? Und da erklären wir selber: so weit ist es noch lange nicht. Aber
besprochen und erörtert, nach allen Seiten hin gewendet und überlegt kann es
doch werden. Im heutigen Studentenleben ist schon viel gewonnen, wenn
überhaupt wieder einmal nachgedacht wird, und wäre es auch nur zur Wider¬
legung. Die Aktiven mögen sich das Thema je für sich mit gesunden Augen
oder auch durchs Monocle ansehen; bei den alten Herren aber läßt sich darüber
auch einmal in einer gemischten Gruppe reden. Denn zum Glück hört ja die
gegenseitige Absperrung im Philisterleben auf; alte Korpsiers, alte Burschen¬
schafter haben ihre Zusaunneukünfte für sich, aber unter dritten beschleicht sie,
wie wir selber so oft mit angesehen haben, ein gewisses Solidaritätsgefühl,
das es sogar verträgt, wenn man sich gelegentlich gegenseitig ausspricht. Hier
wäre also ein Ausgangspunkt vorhanden.

Dabei wären die alten Herren zu der ersten Betrachtung solcher Vor¬
schläge ohnedies viel geeigneter als die Aktiven. Diese stehen jeder uuter dem
Baume eben erst angeeigneter Gesichtspunkte, sie sehen nicht weit und objektiv
genug. Dazu ist die „alte Treue" ans dem prächtigen Liede von der alten
Burschenherrlichkeit ein ganz besondres Ding, sie leistet noch mehr als die
Opferwilligkeit des Aktiven, der ja nur seines Vaters Geld und seine Semester
leichtherzig verschmerzt, sie hat die feste innere Kraft, die die alten Herren so
oft schon und immer wieder, bald hier bald dort, veranlaßt hat, nicht immer
bloß durch fröhliches Mitmachen und Bezahlen, sondern auch durch ernsten
Tadel und warnenden Zuspruch mit Hintansetzung ihrer persönlichen Popu¬
larität ihre Hingebung an das alte Banner zu bewähren. Bis jetzt hat zwar
solches Vorgehen von Gruppen alter Herren nirgends tiefgehende und dauernde
Wirkung üben können, aber doch nur weil die dazu gehörigen einzelnen Ver¬
bindungen oder Kartelle beim besten Willen für sich allein nichts ausrichte-!
können; sie müssen antreiben. Die Reform muß auf der ganzen Linie zu¬
gleich in Angriff genommen werden. Der Sinn für Besserungen und Umkehr
ist ja überall vorhanden, es fehlt nur der Glaube an die Möglichkeit gemein¬
schaftlichen Vorgehens nud damit eines größern Erfolgs. Wir für unsern
Teil haben unsre Meinung ausgesprochen, ohne für das vorgebrachte Einzelne
allgemeine Zustimmung vorauszusetzen oder gar zu verlangen. Wenn nur
die allgemeine Reformbedürftigst nud die Meinung, daß es noch nicht zu
spät sei, daß es noch Mittel und Wege gebe, anerkannt wird! Gerade bei
den alten Verbindungsarten, bei den Korps, muß die Reform unsrer studirenden
Jugend einsetzen, dort sind Unzuträglichkeiten am bedenklichsten und gefähr¬
lichsten, von dort aus haben sie zu den andern hinüber, auch bis zu den
Finken hin, ansteckend übergegriffeu. Die öffentliche Meinung aber darf und


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[0476] Aufklärungen über studentische Dinge gierige und tyrannische Verteuerungen im Geschüftsleben beabsichtigen. Auf den Zweck kommt es an, und der ist ja wohl deutlich geworden. Aber wie soll denn nun das alles ins Werk gesetzt werden, und wer soll anfangen? Und da erklären wir selber: so weit ist es noch lange nicht. Aber besprochen und erörtert, nach allen Seiten hin gewendet und überlegt kann es doch werden. Im heutigen Studentenleben ist schon viel gewonnen, wenn überhaupt wieder einmal nachgedacht wird, und wäre es auch nur zur Wider¬ legung. Die Aktiven mögen sich das Thema je für sich mit gesunden Augen oder auch durchs Monocle ansehen; bei den alten Herren aber läßt sich darüber auch einmal in einer gemischten Gruppe reden. Denn zum Glück hört ja die gegenseitige Absperrung im Philisterleben auf; alte Korpsiers, alte Burschen¬ schafter haben ihre Zusaunneukünfte für sich, aber unter dritten beschleicht sie, wie wir selber so oft mit angesehen haben, ein gewisses Solidaritätsgefühl, das es sogar verträgt, wenn man sich gelegentlich gegenseitig ausspricht. Hier wäre also ein Ausgangspunkt vorhanden. Dabei wären die alten Herren zu der ersten Betrachtung solcher Vor¬ schläge ohnedies viel geeigneter als die Aktiven. Diese stehen jeder uuter dem Baume eben erst angeeigneter Gesichtspunkte, sie sehen nicht weit und objektiv genug. Dazu ist die „alte Treue" ans dem prächtigen Liede von der alten Burschenherrlichkeit ein ganz besondres Ding, sie leistet noch mehr als die Opferwilligkeit des Aktiven, der ja nur seines Vaters Geld und seine Semester leichtherzig verschmerzt, sie hat die feste innere Kraft, die die alten Herren so oft schon und immer wieder, bald hier bald dort, veranlaßt hat, nicht immer bloß durch fröhliches Mitmachen und Bezahlen, sondern auch durch ernsten Tadel und warnenden Zuspruch mit Hintansetzung ihrer persönlichen Popu¬ larität ihre Hingebung an das alte Banner zu bewähren. Bis jetzt hat zwar solches Vorgehen von Gruppen alter Herren nirgends tiefgehende und dauernde Wirkung üben können, aber doch nur weil die dazu gehörigen einzelnen Ver¬ bindungen oder Kartelle beim besten Willen für sich allein nichts ausrichte-! können; sie müssen antreiben. Die Reform muß auf der ganzen Linie zu¬ gleich in Angriff genommen werden. Der Sinn für Besserungen und Umkehr ist ja überall vorhanden, es fehlt nur der Glaube an die Möglichkeit gemein¬ schaftlichen Vorgehens nud damit eines größern Erfolgs. Wir für unsern Teil haben unsre Meinung ausgesprochen, ohne für das vorgebrachte Einzelne allgemeine Zustimmung vorauszusetzen oder gar zu verlangen. Wenn nur die allgemeine Reformbedürftigst nud die Meinung, daß es noch nicht zu spät sei, daß es noch Mittel und Wege gebe, anerkannt wird! Gerade bei den alten Verbindungsarten, bei den Korps, muß die Reform unsrer studirenden Jugend einsetzen, dort sind Unzuträglichkeiten am bedenklichsten und gefähr¬ lichsten, von dort aus haben sie zu den andern hinüber, auch bis zu den Finken hin, ansteckend übergegriffeu. Die öffentliche Meinung aber darf und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/476>, abgerufen am 23.07.2024.