Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

von Kapitalisten und bilden einen Teil von deren Vermögen. Uber wie nicht
alles Volksvermögen Privatvermögen, so ist auch nicht alles Privatvermögen
Volksvermögen. Nur so weit die Staatsschuld durch Domänen, Eisenbahnen
u. dergl. Bcsitzstücke gedeckt ist, kann sie als Vermögen gerechnet, darf aber
wieder nicht doppelt angeschlagen werden, einmal im Pfandvbjekt und einmal
im Vermögen der Kapitalisten, die die Schuldtitel besitzen. Entweder also ist
z. B. der Wert der Bahn und ihres rollenden und sonstigen Materials oder
die Summe ihrer Aktien zu rechnen, nicht beides. Das gilt natürlich auch
für die Privatbahne"; Staatsbahueu giebt es ja wohl in England überhaupt
nicht. Die nngedeckte Staatsschuld dagegen ist in keinem Sinne Vermögen,
sondern sie verleiht nur jedem Inhaber von Staatsschuldscheinen das Anrecht
aus einen Anteil am jährlichen Stenerertrage, führt also nur eiuen Teil des
Vollseiukommeus aus den Taschen der eiuen Steuerzahler in die der andern
über, ohne das Voltsvermögen zu vermehren. Die Staatsschuldscheiue des
eignen Staats gehören also zwar zum Vermögen der Rentner, dürfe" über bei
Berechnung des Vvlksvermögens nicht mitgezählt werden. Wohl aber die
Schuldverschreibungen fremder Staaten, die ja einen Anspruch auf das Ver¬
mögen andrer Völker verleihen und einen Teil ihres Arbeitsertrages ins
.Amt bringen.

Aber selbst wenn die Berechuer des englischen Nationalvermögens in
allen diesen Dingen die sorgfältigste Unterscheidung geübt hätten, würden die
angeführten Zahle" noch täusche", weil doch die Häuser, Fabriken und Ma¬
schinen ganz gewiß zum vollen Taxwert angesetzt sind. Aber dieser Taxwert
überschreitet stets den wirklichen Wert. Denken wir an die Millionenbauer"
der Berliner Vororte und nehmen wir an, einem solchen sei sein Grundstück,
das bei landwirtschaftlicher Nutzung 30000 Mark wert war, mit drei Millionen
Mark bezahlt worden; für "0 Morgen Baugrund wäre das jn wohl in Berlin
eher zu wenig als zu viel. Dieser Mann erscheint also von jetzt ab in der
Steuerrvlle als Besitzer von drei Millionen, und wer das Nationalvermögen
berechnet, der wird nach diesem Kauf drei Millionen mehr anzusetzen finden
als vorher. Ist aber dadurch, das; eine Spckulautengesellschaft dem Bauer
jene Geldsumme bezahlt hat, das Volksvermögen wirklich um drei Millionen
größer geworden? Auch nicht um eine" Stecknadelknopf! Im Gegeiiteil!
Dem Volke entgehe" Feldfrüchte und Erzeugnisse der Viehzucht im Werte vou
jährlich mindestens 3000 Mark. So viel oder so wenig Gebranchsgüter und
Annehmlichkeiten el" Mensch oder el" Volk alljährlich hat, so reich oder so
arm ist er oder es, hat der alte Adam Smith gesagt, "ut dabei bleibt es;
jeder andre Begriff vo" Vermögen oder Reichtum ist unsinnig. Eine Ver¬
mehrung der Gebrauchsgüter tritt erst ein, wenn der neue Baugrund mit
Häusern bedeckt wird. Allein die Zinsen des Gruudstückswerts, die von den
Bewohnern dieser Häuser aufgebracht werden müssen, bleiben el" stehender


von Kapitalisten und bilden einen Teil von deren Vermögen. Uber wie nicht
alles Volksvermögen Privatvermögen, so ist auch nicht alles Privatvermögen
Volksvermögen. Nur so weit die Staatsschuld durch Domänen, Eisenbahnen
u. dergl. Bcsitzstücke gedeckt ist, kann sie als Vermögen gerechnet, darf aber
wieder nicht doppelt angeschlagen werden, einmal im Pfandvbjekt und einmal
im Vermögen der Kapitalisten, die die Schuldtitel besitzen. Entweder also ist
z. B. der Wert der Bahn und ihres rollenden und sonstigen Materials oder
die Summe ihrer Aktien zu rechnen, nicht beides. Das gilt natürlich auch
für die Privatbahne»; Staatsbahueu giebt es ja wohl in England überhaupt
nicht. Die nngedeckte Staatsschuld dagegen ist in keinem Sinne Vermögen,
sondern sie verleiht nur jedem Inhaber von Staatsschuldscheinen das Anrecht
aus einen Anteil am jährlichen Stenerertrage, führt also nur eiuen Teil des
Vollseiukommeus aus den Taschen der eiuen Steuerzahler in die der andern
über, ohne das Voltsvermögen zu vermehren. Die Staatsschuldscheiue des
eignen Staats gehören also zwar zum Vermögen der Rentner, dürfe» über bei
Berechnung des Vvlksvermögens nicht mitgezählt werden. Wohl aber die
Schuldverschreibungen fremder Staaten, die ja einen Anspruch auf das Ver¬
mögen andrer Völker verleihen und einen Teil ihres Arbeitsertrages ins
.Amt bringen.

Aber selbst wenn die Berechuer des englischen Nationalvermögens in
allen diesen Dingen die sorgfältigste Unterscheidung geübt hätten, würden die
angeführten Zahle» noch täusche», weil doch die Häuser, Fabriken und Ma¬
schinen ganz gewiß zum vollen Taxwert angesetzt sind. Aber dieser Taxwert
überschreitet stets den wirklichen Wert. Denken wir an die Millionenbauer»
der Berliner Vororte und nehmen wir an, einem solchen sei sein Grundstück,
das bei landwirtschaftlicher Nutzung 30000 Mark wert war, mit drei Millionen
Mark bezahlt worden; für «0 Morgen Baugrund wäre das jn wohl in Berlin
eher zu wenig als zu viel. Dieser Mann erscheint also von jetzt ab in der
Steuerrvlle als Besitzer von drei Millionen, und wer das Nationalvermögen
berechnet, der wird nach diesem Kauf drei Millionen mehr anzusetzen finden
als vorher. Ist aber dadurch, das; eine Spckulautengesellschaft dem Bauer
jene Geldsumme bezahlt hat, das Volksvermögen wirklich um drei Millionen
größer geworden? Auch nicht um eine» Stecknadelknopf! Im Gegeiiteil!
Dem Volke entgehe» Feldfrüchte und Erzeugnisse der Viehzucht im Werte vou
jährlich mindestens 3000 Mark. So viel oder so wenig Gebranchsgüter und
Annehmlichkeiten el» Mensch oder el» Volk alljährlich hat, so reich oder so
arm ist er oder es, hat der alte Adam Smith gesagt, »ut dabei bleibt es;
jeder andre Begriff vo» Vermögen oder Reichtum ist unsinnig. Eine Ver¬
mehrung der Gebrauchsgüter tritt erst ein, wenn der neue Baugrund mit
Häusern bedeckt wird. Allein die Zinsen des Gruudstückswerts, die von den
Bewohnern dieser Häuser aufgebracht werden müssen, bleiben el» stehender


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0424" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213538"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1281" prev="#ID_1280"> von Kapitalisten und bilden einen Teil von deren Vermögen. Uber wie nicht<lb/>
alles Volksvermögen Privatvermögen, so ist auch nicht alles Privatvermögen<lb/>
Volksvermögen. Nur so weit die Staatsschuld durch Domänen, Eisenbahnen<lb/>
u. dergl. Bcsitzstücke gedeckt ist, kann sie als Vermögen gerechnet, darf aber<lb/>
wieder nicht doppelt angeschlagen werden, einmal im Pfandvbjekt und einmal<lb/>
im Vermögen der Kapitalisten, die die Schuldtitel besitzen. Entweder also ist<lb/>
z. B. der Wert der Bahn und ihres rollenden und sonstigen Materials oder<lb/>
die Summe ihrer Aktien zu rechnen, nicht beides. Das gilt natürlich auch<lb/>
für die Privatbahne»; Staatsbahueu giebt es ja wohl in England überhaupt<lb/>
nicht. Die nngedeckte Staatsschuld dagegen ist in keinem Sinne Vermögen,<lb/>
sondern sie verleiht nur jedem Inhaber von Staatsschuldscheinen das Anrecht<lb/>
aus einen Anteil am jährlichen Stenerertrage, führt also nur eiuen Teil des<lb/>
Vollseiukommeus aus den Taschen der eiuen Steuerzahler in die der andern<lb/>
über, ohne das Voltsvermögen zu vermehren. Die Staatsschuldscheiue des<lb/>
eignen Staats gehören also zwar zum Vermögen der Rentner, dürfe» über bei<lb/>
Berechnung des Vvlksvermögens nicht mitgezählt werden. Wohl aber die<lb/>
Schuldverschreibungen fremder Staaten, die ja einen Anspruch auf das Ver¬<lb/>
mögen andrer Völker verleihen und einen Teil ihres Arbeitsertrages ins<lb/>
.Amt bringen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1282" next="#ID_1283"> Aber selbst wenn die Berechuer des englischen Nationalvermögens in<lb/>
allen diesen Dingen die sorgfältigste Unterscheidung geübt hätten, würden die<lb/>
angeführten Zahle» noch täusche», weil doch die Häuser, Fabriken und Ma¬<lb/>
schinen ganz gewiß zum vollen Taxwert angesetzt sind. Aber dieser Taxwert<lb/>
überschreitet stets den wirklichen Wert. Denken wir an die Millionenbauer»<lb/>
der Berliner Vororte und nehmen wir an, einem solchen sei sein Grundstück,<lb/>
das bei landwirtschaftlicher Nutzung 30000 Mark wert war, mit drei Millionen<lb/>
Mark bezahlt worden; für «0 Morgen Baugrund wäre das jn wohl in Berlin<lb/>
eher zu wenig als zu viel. Dieser Mann erscheint also von jetzt ab in der<lb/>
Steuerrvlle als Besitzer von drei Millionen, und wer das Nationalvermögen<lb/>
berechnet, der wird nach diesem Kauf drei Millionen mehr anzusetzen finden<lb/>
als vorher. Ist aber dadurch, das; eine Spckulautengesellschaft dem Bauer<lb/>
jene Geldsumme bezahlt hat, das Volksvermögen wirklich um drei Millionen<lb/>
größer geworden? Auch nicht um eine» Stecknadelknopf! Im Gegeiiteil!<lb/>
Dem Volke entgehe» Feldfrüchte und Erzeugnisse der Viehzucht im Werte vou<lb/>
jährlich mindestens 3000 Mark. So viel oder so wenig Gebranchsgüter und<lb/>
Annehmlichkeiten el» Mensch oder el» Volk alljährlich hat, so reich oder so<lb/>
arm ist er oder es, hat der alte Adam Smith gesagt, »ut dabei bleibt es;<lb/>
jeder andre Begriff vo» Vermögen oder Reichtum ist unsinnig. Eine Ver¬<lb/>
mehrung der Gebrauchsgüter tritt erst ein, wenn der neue Baugrund mit<lb/>
Häusern bedeckt wird. Allein die Zinsen des Gruudstückswerts, die von den<lb/>
Bewohnern dieser Häuser aufgebracht werden müssen, bleiben el» stehender</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0424] von Kapitalisten und bilden einen Teil von deren Vermögen. Uber wie nicht alles Volksvermögen Privatvermögen, so ist auch nicht alles Privatvermögen Volksvermögen. Nur so weit die Staatsschuld durch Domänen, Eisenbahnen u. dergl. Bcsitzstücke gedeckt ist, kann sie als Vermögen gerechnet, darf aber wieder nicht doppelt angeschlagen werden, einmal im Pfandvbjekt und einmal im Vermögen der Kapitalisten, die die Schuldtitel besitzen. Entweder also ist z. B. der Wert der Bahn und ihres rollenden und sonstigen Materials oder die Summe ihrer Aktien zu rechnen, nicht beides. Das gilt natürlich auch für die Privatbahne»; Staatsbahueu giebt es ja wohl in England überhaupt nicht. Die nngedeckte Staatsschuld dagegen ist in keinem Sinne Vermögen, sondern sie verleiht nur jedem Inhaber von Staatsschuldscheinen das Anrecht aus einen Anteil am jährlichen Stenerertrage, führt also nur eiuen Teil des Vollseiukommeus aus den Taschen der eiuen Steuerzahler in die der andern über, ohne das Voltsvermögen zu vermehren. Die Staatsschuldscheiue des eignen Staats gehören also zwar zum Vermögen der Rentner, dürfe» über bei Berechnung des Vvlksvermögens nicht mitgezählt werden. Wohl aber die Schuldverschreibungen fremder Staaten, die ja einen Anspruch auf das Ver¬ mögen andrer Völker verleihen und einen Teil ihres Arbeitsertrages ins .Amt bringen. Aber selbst wenn die Berechuer des englischen Nationalvermögens in allen diesen Dingen die sorgfältigste Unterscheidung geübt hätten, würden die angeführten Zahle» noch täusche», weil doch die Häuser, Fabriken und Ma¬ schinen ganz gewiß zum vollen Taxwert angesetzt sind. Aber dieser Taxwert überschreitet stets den wirklichen Wert. Denken wir an die Millionenbauer» der Berliner Vororte und nehmen wir an, einem solchen sei sein Grundstück, das bei landwirtschaftlicher Nutzung 30000 Mark wert war, mit drei Millionen Mark bezahlt worden; für «0 Morgen Baugrund wäre das jn wohl in Berlin eher zu wenig als zu viel. Dieser Mann erscheint also von jetzt ab in der Steuerrvlle als Besitzer von drei Millionen, und wer das Nationalvermögen berechnet, der wird nach diesem Kauf drei Millionen mehr anzusetzen finden als vorher. Ist aber dadurch, das; eine Spckulautengesellschaft dem Bauer jene Geldsumme bezahlt hat, das Volksvermögen wirklich um drei Millionen größer geworden? Auch nicht um eine» Stecknadelknopf! Im Gegeiiteil! Dem Volke entgehe» Feldfrüchte und Erzeugnisse der Viehzucht im Werte vou jährlich mindestens 3000 Mark. So viel oder so wenig Gebranchsgüter und Annehmlichkeiten el» Mensch oder el» Volk alljährlich hat, so reich oder so arm ist er oder es, hat der alte Adam Smith gesagt, »ut dabei bleibt es; jeder andre Begriff vo» Vermögen oder Reichtum ist unsinnig. Eine Ver¬ mehrung der Gebrauchsgüter tritt erst ein, wenn der neue Baugrund mit Häusern bedeckt wird. Allein die Zinsen des Gruudstückswerts, die von den Bewohnern dieser Häuser aufgebracht werden müssen, bleiben el» stehender

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/424
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/424>, abgerufen am 22.12.2024.