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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Gin Bankdepotgesetz

heit, da er sich nicht durch Zahlung des Kaufpreises die wirtschaftlichen Vor¬
aussetzungen für den Eigentumserwerb geschaffen hat, und den Konnnissivnär
rettet eine derartige Maßregel vor der Gefahr der Enteignung.

Nirgends ist die Verführung so groß wie gerade bei der Erörterung wirt¬
schaftlicher Tagesfragen, sich mit kühnem Sprunge über die Grenzen der That¬
sachen hinwegzusetzen und sich aus dem Boden der Wirklichkeit in das Reich
idealer Zukunftsträume zu ougen. Die Doppelnatur des heutigen Bankier¬
gewerbes in Deutschland als Vermittlungs- und Eigenhandel ist es, die das
eingerißne Unheil im modernen Depotwesen verschuldet. Der Bankier vereinigt
in dieser Doppelstellung zwei nach ihrer sittlichen und wirtschaftlichen Be¬
schaffenheit entgegengesetzte Dinge in sich, hier das werbende Kapital, das in
der Befriedigung eigenster Interessen sein erstes und letztes Ziel sucht, dort
die Vertrauensstellung des Vermittlers, die die Interessen des Auftraggebers
uach Kräften wahrzunehmen zur Pflicht macht. Auch die Insolvenz des Bankiers,
die in den meisten Fällen den Angriff auf die Depots der Kunden veranlaßt
hat, ist nur eine Folge spekulireuder Eigenthätigkeit des Kommissionärs. Eine
einzige mißlungne Ultimvspetulation des Bankiers kann die Existenz seiner sämt¬
lichen Depotkuuden in Frage stellen.

Wer aber, von solchen Gedanken ausgehend, von einer Trennung dieser ge¬
fährlichen Personalunion, sei es unmittelbar, sei es auch nur mittelbar durch das
Gebot jährlicher Vermögensverösfentlichungen das Heil erwartet und die Rück¬
kehr zu jenem Rechtszustande vorzubereiten unternimmt, wo der Kommissionär
lediglich in seiner Rolle als Vermittler in Thätigkeit zu treten und jeden
Eigenhandel in Acht und Bann zu thun hat, der erstrebt Unmögliches. Wohl
ist in England dieser Unterschied äußerlich durchgeführt. Aber was dort den
brolcor und äsalör, bWlcsr und rorsig'n blmlcsr trennt, das hat sich dort nach
dem streng durchgeführten wirtschaftlichen Gesetze der Arbeitsteilung in jahr¬
hundertelangem Ringen gebildet, und das Bankleben hat sich dem angepaßt.
Bei uns, wo die wirtschaftliche Entwicklung den entgegengesetzten Weg ge¬
gangen ist, wo sich das Vankgewerbe gerade aus der Vereinigung von Speku-
lations- und Vermittlungsthätigkeit von Grund auf gebildet hat, würde wieder
die Zeit eines Jahrhunderts dazu gehören, dein englischen Vorbilde allmählich
nachstreben zu können. Ein gewaltsames Eingreifen staatlicher Gesetzgebung
in den selbständigen Gang des Verkehrslebens würde uns hier dasselbe im
großen erleben lassen, was uns das Bild der vereideten Makler heute im
kleinen zeigt.

Auch den vereideten Maklern ist es gesetzlich verboten, Eigeuhandel zu
treiben, und durch einen Eid müssen sie dies gesetzliche Verbot bei ihrem Amts¬
antritt bekräftigen. Wenn hente der vereidete Makler vor den Augen des
Publikums, vor den Augen des Vvrsenkommissariats und der Ältesten täglich
Eid und Gesetz wissentlich bricht und bei den von ihm vermittelten Geschäften


Gin Bankdepotgesetz

heit, da er sich nicht durch Zahlung des Kaufpreises die wirtschaftlichen Vor¬
aussetzungen für den Eigentumserwerb geschaffen hat, und den Konnnissivnär
rettet eine derartige Maßregel vor der Gefahr der Enteignung.

Nirgends ist die Verführung so groß wie gerade bei der Erörterung wirt¬
schaftlicher Tagesfragen, sich mit kühnem Sprunge über die Grenzen der That¬
sachen hinwegzusetzen und sich aus dem Boden der Wirklichkeit in das Reich
idealer Zukunftsträume zu ougen. Die Doppelnatur des heutigen Bankier¬
gewerbes in Deutschland als Vermittlungs- und Eigenhandel ist es, die das
eingerißne Unheil im modernen Depotwesen verschuldet. Der Bankier vereinigt
in dieser Doppelstellung zwei nach ihrer sittlichen und wirtschaftlichen Be¬
schaffenheit entgegengesetzte Dinge in sich, hier das werbende Kapital, das in
der Befriedigung eigenster Interessen sein erstes und letztes Ziel sucht, dort
die Vertrauensstellung des Vermittlers, die die Interessen des Auftraggebers
uach Kräften wahrzunehmen zur Pflicht macht. Auch die Insolvenz des Bankiers,
die in den meisten Fällen den Angriff auf die Depots der Kunden veranlaßt
hat, ist nur eine Folge spekulireuder Eigenthätigkeit des Kommissionärs. Eine
einzige mißlungne Ultimvspetulation des Bankiers kann die Existenz seiner sämt¬
lichen Depotkuuden in Frage stellen.

Wer aber, von solchen Gedanken ausgehend, von einer Trennung dieser ge¬
fährlichen Personalunion, sei es unmittelbar, sei es auch nur mittelbar durch das
Gebot jährlicher Vermögensverösfentlichungen das Heil erwartet und die Rück¬
kehr zu jenem Rechtszustande vorzubereiten unternimmt, wo der Kommissionär
lediglich in seiner Rolle als Vermittler in Thätigkeit zu treten und jeden
Eigenhandel in Acht und Bann zu thun hat, der erstrebt Unmögliches. Wohl
ist in England dieser Unterschied äußerlich durchgeführt. Aber was dort den
brolcor und äsalör, bWlcsr und rorsig'n blmlcsr trennt, das hat sich dort nach
dem streng durchgeführten wirtschaftlichen Gesetze der Arbeitsteilung in jahr¬
hundertelangem Ringen gebildet, und das Bankleben hat sich dem angepaßt.
Bei uns, wo die wirtschaftliche Entwicklung den entgegengesetzten Weg ge¬
gangen ist, wo sich das Vankgewerbe gerade aus der Vereinigung von Speku-
lations- und Vermittlungsthätigkeit von Grund auf gebildet hat, würde wieder
die Zeit eines Jahrhunderts dazu gehören, dein englischen Vorbilde allmählich
nachstreben zu können. Ein gewaltsames Eingreifen staatlicher Gesetzgebung
in den selbständigen Gang des Verkehrslebens würde uns hier dasselbe im
großen erleben lassen, was uns das Bild der vereideten Makler heute im
kleinen zeigt.

Auch den vereideten Maklern ist es gesetzlich verboten, Eigeuhandel zu
treiben, und durch einen Eid müssen sie dies gesetzliche Verbot bei ihrem Amts¬
antritt bekräftigen. Wenn hente der vereidete Makler vor den Augen des
Publikums, vor den Augen des Vvrsenkommissariats und der Ältesten täglich
Eid und Gesetz wissentlich bricht und bei den von ihm vermittelten Geschäften


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[0308] Gin Bankdepotgesetz heit, da er sich nicht durch Zahlung des Kaufpreises die wirtschaftlichen Vor¬ aussetzungen für den Eigentumserwerb geschaffen hat, und den Konnnissivnär rettet eine derartige Maßregel vor der Gefahr der Enteignung. Nirgends ist die Verführung so groß wie gerade bei der Erörterung wirt¬ schaftlicher Tagesfragen, sich mit kühnem Sprunge über die Grenzen der That¬ sachen hinwegzusetzen und sich aus dem Boden der Wirklichkeit in das Reich idealer Zukunftsträume zu ougen. Die Doppelnatur des heutigen Bankier¬ gewerbes in Deutschland als Vermittlungs- und Eigenhandel ist es, die das eingerißne Unheil im modernen Depotwesen verschuldet. Der Bankier vereinigt in dieser Doppelstellung zwei nach ihrer sittlichen und wirtschaftlichen Be¬ schaffenheit entgegengesetzte Dinge in sich, hier das werbende Kapital, das in der Befriedigung eigenster Interessen sein erstes und letztes Ziel sucht, dort die Vertrauensstellung des Vermittlers, die die Interessen des Auftraggebers uach Kräften wahrzunehmen zur Pflicht macht. Auch die Insolvenz des Bankiers, die in den meisten Fällen den Angriff auf die Depots der Kunden veranlaßt hat, ist nur eine Folge spekulireuder Eigenthätigkeit des Kommissionärs. Eine einzige mißlungne Ultimvspetulation des Bankiers kann die Existenz seiner sämt¬ lichen Depotkuuden in Frage stellen. Wer aber, von solchen Gedanken ausgehend, von einer Trennung dieser ge¬ fährlichen Personalunion, sei es unmittelbar, sei es auch nur mittelbar durch das Gebot jährlicher Vermögensverösfentlichungen das Heil erwartet und die Rück¬ kehr zu jenem Rechtszustande vorzubereiten unternimmt, wo der Kommissionär lediglich in seiner Rolle als Vermittler in Thätigkeit zu treten und jeden Eigenhandel in Acht und Bann zu thun hat, der erstrebt Unmögliches. Wohl ist in England dieser Unterschied äußerlich durchgeführt. Aber was dort den brolcor und äsalör, bWlcsr und rorsig'n blmlcsr trennt, das hat sich dort nach dem streng durchgeführten wirtschaftlichen Gesetze der Arbeitsteilung in jahr¬ hundertelangem Ringen gebildet, und das Bankleben hat sich dem angepaßt. Bei uns, wo die wirtschaftliche Entwicklung den entgegengesetzten Weg ge¬ gangen ist, wo sich das Vankgewerbe gerade aus der Vereinigung von Speku- lations- und Vermittlungsthätigkeit von Grund auf gebildet hat, würde wieder die Zeit eines Jahrhunderts dazu gehören, dein englischen Vorbilde allmählich nachstreben zu können. Ein gewaltsames Eingreifen staatlicher Gesetzgebung in den selbständigen Gang des Verkehrslebens würde uns hier dasselbe im großen erleben lassen, was uns das Bild der vereideten Makler heute im kleinen zeigt. Auch den vereideten Maklern ist es gesetzlich verboten, Eigeuhandel zu treiben, und durch einen Eid müssen sie dies gesetzliche Verbot bei ihrem Amts¬ antritt bekräftigen. Wenn hente der vereidete Makler vor den Augen des Publikums, vor den Augen des Vvrsenkommissariats und der Ältesten täglich Eid und Gesetz wissentlich bricht und bei den von ihm vermittelten Geschäften

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/308>, abgerufen am 22.12.2024.