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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Lin Bankdepotgesetz

Gesetzgeber als leitende Gedanken für eine gesetzliche Neugestaltung der soge¬
nannten "Bankdepotgeschäfte" aufstellen: erstens eine möglichst genaue Speziali-
sirung des Kommissionsgutes, damit das Eigentum des Kommittenten an beson¬
dern Stücken hervorgehoben werden kann; ferner eine möglichst genaue Bestim¬
mung des Zeitpunktes, wo das Kommissionsgut auf den Kommittenten übergeht
und damit in seiner eigentlichen Natur als Depot der Verfügungsgewalt des
Kommissionärs entzogen wird.

Eine Spezicilisirung des Kommissionsgntes kann nur dadurch erreicht
werden, daß der Kommissionär die eingekauften oder selbst gelieferten Ob¬
jekte, sei es im Depvtkonto des Kommittenten, sei es sonst in seinen Hand¬
lungsbüchern, einzeln eintrügt und in gesonderte Verwahrung nimmt. Nur
so können die angekauften Effekten, als in das Eigentum des Kommittenten
übergegangen, bis zu deren Ablieferung nach außen hiu erkennbar gemacht
werden. Kommt der Kommissionär dieser seiner Verpflichtung binnen einer
angemessenen Frist uicht nach, so soll es dem Kommittenten freistehen, von
dem Geschäfte zurückzutreten und Schadenersatz zu fordern. Die Frist würde
von dem Zeitpunkte an zu rechnen sein, wo der Kommissionär die von dritten
gekauften Effekten geliefert erhalten hat, oder bei Selbstlicferung mit der Ab-
sendung der Ansführuugsanzeige beginnen. Eine Vorschrift, die dem Kom¬
missionär eine solche Verpflichtung auferlegt, und an ein Zuwiderhandeln gegen
das Gebot das Recht des Rücktritts knüpft, wäre somit die erste allgemeine
gesetzgeberische Maßregel, die sich außerhalb der oben angeregten besondern
Vorschlüge empfehlen würde. ^) Auf Widerspruch dürfte diese Neuerung wohl
auf keiner Seite stoßen, es müßte denn der unverfälschte Manchestermann
mit feiner Spürnase auch hier wieder einen Vorstoß gegen sein unverstandnes
Ideal von dem "freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte" wittern-

Anders die zweite Frage. Hier wirft der Kampf, der unser ganzes
bürgerliches Recht und seine Lebensprobleme beherrscht, der Kampf zwischen
starrer Doktrin und lebendiger Praxis, seine Schatten auch auf unser Thema.
Entweder man hält fest an der Theorie des römischen Rechts, wie sie sich in
den Ländern des preußischen und des gemeinen Rechts zu Tode ermattet hin¬
schleppt und in dem "großen" Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs ihre
Auferstehung feiern soll. Darnach kann nur der das Eigentum über eine be¬
wegliche Sache erlangen, dein sie der Nechtsvorgänger, sei es durch Ein¬
räumung des körperlichen Gewahrsams, sei es durch Vornahme gewisser Hand¬
lungen, die den Übertragungsmillen nach außen kenntlich zu machen bestimmt
sind -- das sogenannte c;on8t,iwwin possöWorinin --, übertragen hat. Auf
unsern Fall angewandt, würde der Kommissionär zunächst, weil er das Geschäft
in eignem Namen abschließt, das Eigentum für sich erwerben und erst nach



2) Hierin stimmen Wiener, Lesse und Julian Goldschmidt überein.
Grenzboten IV 1892 38
Lin Bankdepotgesetz

Gesetzgeber als leitende Gedanken für eine gesetzliche Neugestaltung der soge¬
nannten „Bankdepotgeschäfte" aufstellen: erstens eine möglichst genaue Speziali-
sirung des Kommissionsgutes, damit das Eigentum des Kommittenten an beson¬
dern Stücken hervorgehoben werden kann; ferner eine möglichst genaue Bestim¬
mung des Zeitpunktes, wo das Kommissionsgut auf den Kommittenten übergeht
und damit in seiner eigentlichen Natur als Depot der Verfügungsgewalt des
Kommissionärs entzogen wird.

Eine Spezicilisirung des Kommissionsgntes kann nur dadurch erreicht
werden, daß der Kommissionär die eingekauften oder selbst gelieferten Ob¬
jekte, sei es im Depvtkonto des Kommittenten, sei es sonst in seinen Hand¬
lungsbüchern, einzeln eintrügt und in gesonderte Verwahrung nimmt. Nur
so können die angekauften Effekten, als in das Eigentum des Kommittenten
übergegangen, bis zu deren Ablieferung nach außen hiu erkennbar gemacht
werden. Kommt der Kommissionär dieser seiner Verpflichtung binnen einer
angemessenen Frist uicht nach, so soll es dem Kommittenten freistehen, von
dem Geschäfte zurückzutreten und Schadenersatz zu fordern. Die Frist würde
von dem Zeitpunkte an zu rechnen sein, wo der Kommissionär die von dritten
gekauften Effekten geliefert erhalten hat, oder bei Selbstlicferung mit der Ab-
sendung der Ansführuugsanzeige beginnen. Eine Vorschrift, die dem Kom¬
missionär eine solche Verpflichtung auferlegt, und an ein Zuwiderhandeln gegen
das Gebot das Recht des Rücktritts knüpft, wäre somit die erste allgemeine
gesetzgeberische Maßregel, die sich außerhalb der oben angeregten besondern
Vorschlüge empfehlen würde. ^) Auf Widerspruch dürfte diese Neuerung wohl
auf keiner Seite stoßen, es müßte denn der unverfälschte Manchestermann
mit feiner Spürnase auch hier wieder einen Vorstoß gegen sein unverstandnes
Ideal von dem „freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte" wittern-

Anders die zweite Frage. Hier wirft der Kampf, der unser ganzes
bürgerliches Recht und seine Lebensprobleme beherrscht, der Kampf zwischen
starrer Doktrin und lebendiger Praxis, seine Schatten auch auf unser Thema.
Entweder man hält fest an der Theorie des römischen Rechts, wie sie sich in
den Ländern des preußischen und des gemeinen Rechts zu Tode ermattet hin¬
schleppt und in dem „großen" Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs ihre
Auferstehung feiern soll. Darnach kann nur der das Eigentum über eine be¬
wegliche Sache erlangen, dein sie der Nechtsvorgänger, sei es durch Ein¬
räumung des körperlichen Gewahrsams, sei es durch Vornahme gewisser Hand¬
lungen, die den Übertragungsmillen nach außen kenntlich zu machen bestimmt
sind — das sogenannte c;on8t,iwwin possöWorinin —, übertragen hat. Auf
unsern Fall angewandt, würde der Kommissionär zunächst, weil er das Geschäft
in eignem Namen abschließt, das Eigentum für sich erwerben und erst nach



2) Hierin stimmen Wiener, Lesse und Julian Goldschmidt überein.
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[0305] Lin Bankdepotgesetz Gesetzgeber als leitende Gedanken für eine gesetzliche Neugestaltung der soge¬ nannten „Bankdepotgeschäfte" aufstellen: erstens eine möglichst genaue Speziali- sirung des Kommissionsgutes, damit das Eigentum des Kommittenten an beson¬ dern Stücken hervorgehoben werden kann; ferner eine möglichst genaue Bestim¬ mung des Zeitpunktes, wo das Kommissionsgut auf den Kommittenten übergeht und damit in seiner eigentlichen Natur als Depot der Verfügungsgewalt des Kommissionärs entzogen wird. Eine Spezicilisirung des Kommissionsgntes kann nur dadurch erreicht werden, daß der Kommissionär die eingekauften oder selbst gelieferten Ob¬ jekte, sei es im Depvtkonto des Kommittenten, sei es sonst in seinen Hand¬ lungsbüchern, einzeln eintrügt und in gesonderte Verwahrung nimmt. Nur so können die angekauften Effekten, als in das Eigentum des Kommittenten übergegangen, bis zu deren Ablieferung nach außen hiu erkennbar gemacht werden. Kommt der Kommissionär dieser seiner Verpflichtung binnen einer angemessenen Frist uicht nach, so soll es dem Kommittenten freistehen, von dem Geschäfte zurückzutreten und Schadenersatz zu fordern. Die Frist würde von dem Zeitpunkte an zu rechnen sein, wo der Kommissionär die von dritten gekauften Effekten geliefert erhalten hat, oder bei Selbstlicferung mit der Ab- sendung der Ansführuugsanzeige beginnen. Eine Vorschrift, die dem Kom¬ missionär eine solche Verpflichtung auferlegt, und an ein Zuwiderhandeln gegen das Gebot das Recht des Rücktritts knüpft, wäre somit die erste allgemeine gesetzgeberische Maßregel, die sich außerhalb der oben angeregten besondern Vorschlüge empfehlen würde. ^) Auf Widerspruch dürfte diese Neuerung wohl auf keiner Seite stoßen, es müßte denn der unverfälschte Manchestermann mit feiner Spürnase auch hier wieder einen Vorstoß gegen sein unverstandnes Ideal von dem „freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte" wittern- Anders die zweite Frage. Hier wirft der Kampf, der unser ganzes bürgerliches Recht und seine Lebensprobleme beherrscht, der Kampf zwischen starrer Doktrin und lebendiger Praxis, seine Schatten auch auf unser Thema. Entweder man hält fest an der Theorie des römischen Rechts, wie sie sich in den Ländern des preußischen und des gemeinen Rechts zu Tode ermattet hin¬ schleppt und in dem „großen" Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs ihre Auferstehung feiern soll. Darnach kann nur der das Eigentum über eine be¬ wegliche Sache erlangen, dein sie der Nechtsvorgänger, sei es durch Ein¬ räumung des körperlichen Gewahrsams, sei es durch Vornahme gewisser Hand¬ lungen, die den Übertragungsmillen nach außen kenntlich zu machen bestimmt sind — das sogenannte c;on8t,iwwin possöWorinin —, übertragen hat. Auf unsern Fall angewandt, würde der Kommissionär zunächst, weil er das Geschäft in eignem Namen abschließt, das Eigentum für sich erwerben und erst nach 2) Hierin stimmen Wiener, Lesse und Julian Goldschmidt überein. Grenzboten IV 1892 38

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/305>, abgerufen am 23.07.2024.