Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.allmählich aus dem Munde derer, die anfangs dem jungen Herrn am lautesten Aber zum Glück gab es doch auch noch eine große Anzahl verstündiger So standen die Dinge, als es der kleine Drache für nötig hielt, das Dennoch beschäftigte ihn der Vorfall, und als sie in die Burg heimge¬ allmählich aus dem Munde derer, die anfangs dem jungen Herrn am lautesten Aber zum Glück gab es doch auch noch eine große Anzahl verstündiger So standen die Dinge, als es der kleine Drache für nötig hielt, das Dennoch beschäftigte ihn der Vorfall, und als sie in die Burg heimge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0243" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213357"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_712" prev="#ID_711"> allmählich aus dem Munde derer, die anfangs dem jungen Herrn am lautesten<lb/> Jubel geschrieen hatten. Sie gehörten den verschiedensten Parteien des Landes<lb/> an, und alle hatten sich alles versprochen von dem neuen Regiments, das Mög¬<lb/> liche und das Unmögliche, das Vereinbare und das sich Widersprechende. Und<lb/> weil das alles nicht zu gleicher Zeit in Erfüllung ging und die schwere Not<lb/> der Zeit nicht mit ein paar Gesetzen zu beseitigen war, weil sie hätten aus¬<lb/> harren müssen in mühevoller, endlos scheinender Arbeit mit ihrem Kalifen, um<lb/> langsam und geduldig manches zu bessern und Künftiges vorzubereiten, da<lb/> schwenkten sie ab und schrien: Wir sind betrogen, die Bäume, die wir eben<lb/> gepflanzt haben, tragen noch leine Früchte!</p><lb/> <p xml:id="ID_713"> Aber zum Glück gab es doch auch noch eine große Anzahl verstündiger<lb/> im Lande; die freuten sich der frischen Begeisterung, mit der der junge Kauf<lb/> seines Amtes waltete. Sahen sie ihn doch von früh bis spät unermüdlich<lb/> sich kümmern um alles, was im Lande vorging, und dnrch immer neuen An¬<lb/> stoß sorgen, daß Gutes und Nützliches geschah. Mochte auch manches mit<lb/> unterlaufen, was bei den Einzelnen Bedenken erregte und nicht nach ihrem<lb/> Sinne war, sie waren doch klug genug, sich zu sagen, daß es keiner allen<lb/> recht machen könne, und Grund genug vorhanden sei, auf einen solche» Kalifen<lb/> stolz zu sein. Mochte man doch warten, was er sür weitere Pläne hegte; bis<lb/> jetzt, das war sicher, war noch nichts geschehen, was das Wohl des Volkes<lb/> Hütte gefährden können, und es lag gar keine Ursache vor, Zeter zu schreien<lb/> und von dem Zusammenbruch der bestehenden Ordnung zu faseln.</p><lb/> <p xml:id="ID_714"> So standen die Dinge, als es der kleine Drache für nötig hielt, das<lb/> Ehrenkleid des Kalifen zu beschmutzen. Und der hatte es wieder nicht geachtet,<lb/> wenn es nicht einer seiner Bezire, die hinter ihm ritten, für seine Pflicht ge¬<lb/> halten Hütte, ihn zu fragen, ob er das Schwert ziehen solle, dem kleinen<lb/> Drachen eins auf die Schnauze geben. Da wehrte der Kauf lächelnd ab und<lb/> sagte: Wischt mir nur das Gift vom Kleide — es wird wohl keine Flecken<lb/> machen!</p><lb/> <p xml:id="ID_715"> Dennoch beschäftigte ihn der Vorfall, und als sie in die Burg heimge¬<lb/> kehrt waren, fragte er seinen Vezir: Kennst du deu kleinen Drachen? Was<lb/> will sie denn eigentlich von mir, die kleine Giftkröte? So geschah ein erstes<lb/> Wunder: das Geschrei des Drachen drang bis zum Thron. Der Vezir aber<lb/> antwortete: Er meint, du sollest nicht an deine Sendung glauben, denn die<lb/> Vorsehung habe den Kalifatsgedanken verworfen. Du selber führest gleich<lb/> Phaöthon dem Abgrunde zu, und nach dir werde man auf einen Kalifen im<lb/> Purpur verzichten und einen Bürger im schwarzen Rock hinstellen — der sei<lb/> billiger. Da richtete sich der Kauf hoch auf und sprach: Was die Vorsehung<lb/> in dunkler Zukunft über das Schicksal der Kalifen und ihrer Völker beschlossen<lb/> haben mag. ist nus alleu verborgen, und albern ist es, zu prophezeien, als ob<lb/> man es wüßte. Eins aber weiß ich: noch sind wir nicht so weit, und zu¬<lb/> nächst hat mich diese selbige Vorsehung auf diesen meinen Platz gestellt und<lb/> mir Kraft verliehen, ihn zu behaupten, und Söhne, mein Amt zu erben. Und<lb/> darum glaube ich an die Vorsehung und an meine Sendung, und ich wäre<lb/> doch ein jammervoller Kalis, wenn ich selbst den großen Kalifatsgedanken ver¬<lb/> würfe, ehe denn es sich zeigt, daß er wirklich verworfen ist. Denen aber, die<lb/> das nicht erwarten können, weil ich ihnen zu mächtig bin im Lande und ein<lb/> Dorn im Auge, denen sage ich: Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott<lb/> helfe mir. Amen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0243]
allmählich aus dem Munde derer, die anfangs dem jungen Herrn am lautesten
Jubel geschrieen hatten. Sie gehörten den verschiedensten Parteien des Landes
an, und alle hatten sich alles versprochen von dem neuen Regiments, das Mög¬
liche und das Unmögliche, das Vereinbare und das sich Widersprechende. Und
weil das alles nicht zu gleicher Zeit in Erfüllung ging und die schwere Not
der Zeit nicht mit ein paar Gesetzen zu beseitigen war, weil sie hätten aus¬
harren müssen in mühevoller, endlos scheinender Arbeit mit ihrem Kalifen, um
langsam und geduldig manches zu bessern und Künftiges vorzubereiten, da
schwenkten sie ab und schrien: Wir sind betrogen, die Bäume, die wir eben
gepflanzt haben, tragen noch leine Früchte!
Aber zum Glück gab es doch auch noch eine große Anzahl verstündiger
im Lande; die freuten sich der frischen Begeisterung, mit der der junge Kauf
seines Amtes waltete. Sahen sie ihn doch von früh bis spät unermüdlich
sich kümmern um alles, was im Lande vorging, und dnrch immer neuen An¬
stoß sorgen, daß Gutes und Nützliches geschah. Mochte auch manches mit
unterlaufen, was bei den Einzelnen Bedenken erregte und nicht nach ihrem
Sinne war, sie waren doch klug genug, sich zu sagen, daß es keiner allen
recht machen könne, und Grund genug vorhanden sei, auf einen solche» Kalifen
stolz zu sein. Mochte man doch warten, was er sür weitere Pläne hegte; bis
jetzt, das war sicher, war noch nichts geschehen, was das Wohl des Volkes
Hütte gefährden können, und es lag gar keine Ursache vor, Zeter zu schreien
und von dem Zusammenbruch der bestehenden Ordnung zu faseln.
So standen die Dinge, als es der kleine Drache für nötig hielt, das
Ehrenkleid des Kalifen zu beschmutzen. Und der hatte es wieder nicht geachtet,
wenn es nicht einer seiner Bezire, die hinter ihm ritten, für seine Pflicht ge¬
halten Hütte, ihn zu fragen, ob er das Schwert ziehen solle, dem kleinen
Drachen eins auf die Schnauze geben. Da wehrte der Kauf lächelnd ab und
sagte: Wischt mir nur das Gift vom Kleide — es wird wohl keine Flecken
machen!
Dennoch beschäftigte ihn der Vorfall, und als sie in die Burg heimge¬
kehrt waren, fragte er seinen Vezir: Kennst du deu kleinen Drachen? Was
will sie denn eigentlich von mir, die kleine Giftkröte? So geschah ein erstes
Wunder: das Geschrei des Drachen drang bis zum Thron. Der Vezir aber
antwortete: Er meint, du sollest nicht an deine Sendung glauben, denn die
Vorsehung habe den Kalifatsgedanken verworfen. Du selber führest gleich
Phaöthon dem Abgrunde zu, und nach dir werde man auf einen Kalifen im
Purpur verzichten und einen Bürger im schwarzen Rock hinstellen — der sei
billiger. Da richtete sich der Kauf hoch auf und sprach: Was die Vorsehung
in dunkler Zukunft über das Schicksal der Kalifen und ihrer Völker beschlossen
haben mag. ist nus alleu verborgen, und albern ist es, zu prophezeien, als ob
man es wüßte. Eins aber weiß ich: noch sind wir nicht so weit, und zu¬
nächst hat mich diese selbige Vorsehung auf diesen meinen Platz gestellt und
mir Kraft verliehen, ihn zu behaupten, und Söhne, mein Amt zu erben. Und
darum glaube ich an die Vorsehung und an meine Sendung, und ich wäre
doch ein jammervoller Kalis, wenn ich selbst den großen Kalifatsgedanken ver¬
würfe, ehe denn es sich zeigt, daß er wirklich verworfen ist. Denen aber, die
das nicht erwarten können, weil ich ihnen zu mächtig bin im Lande und ein
Dorn im Auge, denen sage ich: Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott
helfe mir. Amen.
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