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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Fast vier Jahre lang hat dann Roon in den beiden Garnisonen des Re¬
giments, zu Stargard in Hinterpommern und zu Königsberg in der Neumark,
rüstig und eifrig den kleinen praktischen Dienst geübt. Freilich machte sich
auch hier die Enge der Verhältnisse drückend genug geltend. Das stehende
Heer war sehr klein, nur 115000 Mann in achtunddreißig (später vierund¬
vierzig) Infanterieregimentern mit den SpezialWaffen, da der verarmte Staat
einen höhern Friedensstand nicht ertragen konnte, der Sold schmal, das Avance¬
ment schlecht, der Dienst einförmig. Aber die ruhmreiche Erinnerung an die
Kriegsjahre -- von den Offizieren seines Regiments trugen fünfundzwanzig
das eiserne Kreuz --, der frische Sinn der Jugend, der leichte Verkehr mit
den Frankenbergs, die seit 1819 in Zimmerhausen bei dem Schwiegersöhne
seiner Tante, von Blankenburg, wohnten, halfen Roon darüber hinweg, und
was etwa noch fehlte, thaten eifrige wissenschaftliche Studien, die damals frei¬
lich wenig Mode waren und von den meisten praktischen Offizieren gering¬
geschätzt wurden. Ihnen aber verdankte Roon seine Aufnahme auf der Kriegs¬
schule in Berlin zu Eude des Jahres 1824. Nun begann für ihn eine neue
Zeit, die in der Verbindung praktisch-militärischer Thätigkeit mit wissenschaft¬
licher Bildung für das neue preußisch-deutsche Heer so bezeichnend geworden
ist und ihm seine glänzendsten Erfolge geschenkt hat. Roon hörte die Vor¬
lesungen des Historikers der Hohenstaufen R. von Rnumer, des berühmten
Philosophen und Physikers Paul Erman und des großen Begründers der
neuen wissenschaftlichen Erdkunde K. Ritter, dessen begeisterter Schüler er
wurde. Die Abendstunden vergingen ihm oft in heiterer und anregender, aber
sehr anspruchslosen Geselligkeit in kleinem Kreise. Es schien, als ob ihn die
theoretische Seite des Kriegswesens für immer fesseln würde, denn nach wenig
mehr als einjähriger praktischer Dienstleistung im fünfzehnten Infanterieregi¬
ment, das damals in Minden und Bielefeld stand, wurde er schon im Oktober
1828 an dieselbe Berliner Kadettenanstalt kommandirt, der er selbst einst als
Zögling angehört hatte.

Sein frisches, ernstes und dabei doch im tiefsten Grunde von herzlichem
Wohlwollen erfülltes Wesen machte ihn zu einen trefflichem Erzieher. Wie
er die Studien seiner Kadetten sorgfältig beaufsichtigte, so leitete er auch ihre
körperlichen Übungen und nahm unermüdlich daran teil. Sie hatten einen
"höllischen Respekt" vor der kräftigen Faust und der dröhnenden Stimme des
"groben Roon," aber sie hingen mit der herzlichsten Zuneigung an ihm. Das
Vertrauen zu seiner Tüchtigkeit als Erzieher bewog auch die Verwandten in
Zimmerhausen, ihm den vierzehnjährigen Moritz von Blankenburg ganz zu
übergeben. Daraus ging dann eine Freundschaft fürs Leben hervor. Auch
seine wissenschaftlichen Arbeiten, seine trefflichen geographischen Handbücher
stellte Roon in den Dienst der Schule. Doch in der wachen Sorge, die dem
preußisch-deutschen Heerwesen geblieben ist, daß sich der junge Offizier nicht


Fast vier Jahre lang hat dann Roon in den beiden Garnisonen des Re¬
giments, zu Stargard in Hinterpommern und zu Königsberg in der Neumark,
rüstig und eifrig den kleinen praktischen Dienst geübt. Freilich machte sich
auch hier die Enge der Verhältnisse drückend genug geltend. Das stehende
Heer war sehr klein, nur 115000 Mann in achtunddreißig (später vierund¬
vierzig) Infanterieregimentern mit den SpezialWaffen, da der verarmte Staat
einen höhern Friedensstand nicht ertragen konnte, der Sold schmal, das Avance¬
ment schlecht, der Dienst einförmig. Aber die ruhmreiche Erinnerung an die
Kriegsjahre — von den Offizieren seines Regiments trugen fünfundzwanzig
das eiserne Kreuz —, der frische Sinn der Jugend, der leichte Verkehr mit
den Frankenbergs, die seit 1819 in Zimmerhausen bei dem Schwiegersöhne
seiner Tante, von Blankenburg, wohnten, halfen Roon darüber hinweg, und
was etwa noch fehlte, thaten eifrige wissenschaftliche Studien, die damals frei¬
lich wenig Mode waren und von den meisten praktischen Offizieren gering¬
geschätzt wurden. Ihnen aber verdankte Roon seine Aufnahme auf der Kriegs¬
schule in Berlin zu Eude des Jahres 1824. Nun begann für ihn eine neue
Zeit, die in der Verbindung praktisch-militärischer Thätigkeit mit wissenschaft¬
licher Bildung für das neue preußisch-deutsche Heer so bezeichnend geworden
ist und ihm seine glänzendsten Erfolge geschenkt hat. Roon hörte die Vor¬
lesungen des Historikers der Hohenstaufen R. von Rnumer, des berühmten
Philosophen und Physikers Paul Erman und des großen Begründers der
neuen wissenschaftlichen Erdkunde K. Ritter, dessen begeisterter Schüler er
wurde. Die Abendstunden vergingen ihm oft in heiterer und anregender, aber
sehr anspruchslosen Geselligkeit in kleinem Kreise. Es schien, als ob ihn die
theoretische Seite des Kriegswesens für immer fesseln würde, denn nach wenig
mehr als einjähriger praktischer Dienstleistung im fünfzehnten Infanterieregi¬
ment, das damals in Minden und Bielefeld stand, wurde er schon im Oktober
1828 an dieselbe Berliner Kadettenanstalt kommandirt, der er selbst einst als
Zögling angehört hatte.

Sein frisches, ernstes und dabei doch im tiefsten Grunde von herzlichem
Wohlwollen erfülltes Wesen machte ihn zu einen trefflichem Erzieher. Wie
er die Studien seiner Kadetten sorgfältig beaufsichtigte, so leitete er auch ihre
körperlichen Übungen und nahm unermüdlich daran teil. Sie hatten einen
„höllischen Respekt" vor der kräftigen Faust und der dröhnenden Stimme des
„groben Roon," aber sie hingen mit der herzlichsten Zuneigung an ihm. Das
Vertrauen zu seiner Tüchtigkeit als Erzieher bewog auch die Verwandten in
Zimmerhausen, ihm den vierzehnjährigen Moritz von Blankenburg ganz zu
übergeben. Daraus ging dann eine Freundschaft fürs Leben hervor. Auch
seine wissenschaftlichen Arbeiten, seine trefflichen geographischen Handbücher
stellte Roon in den Dienst der Schule. Doch in der wachen Sorge, die dem
preußisch-deutschen Heerwesen geblieben ist, daß sich der junge Offizier nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/222>, abgerufen am 23.07.2024.