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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Die deutsche Aolonialpolitik und die öffentliche Meinung

der Anwendung ihrer Mittel ja entschieden menschlicherer Erforscher und Pfad¬
finder schöpft. So wird eine günstige Aufnahme der kolonialpvlitischen Be¬
strebungen mich in den Gemütern des heranwachsenden Geschlechts angebahnt.
Es schadet nicht einmal, daß auf diesem Gebiete hie und da etwas zu viel
Personenkultus getrieben wird, oder daß sich die geschäftliche Reklame, was
nun einmal heute unausbleiblich ist, der Ausbeutung der neuen Errungen¬
schaften für ihre Zwecke bemächtigt, etwa indem sie Wißmannhiite, Eminpfeifen
und andre schöne Dinge mehr fabrizirt und aufschreit. Es ist doch ein
Glück, daß die Jugend diese Personen und nicht manche andern verehrt, daß
sie noch immer kriegerische und koloniale Erzählungen vorzieht und nicht etwa
für die sozialistische Alleriveltshumanität und den faulen ewigen Frieden
schwärmt; wer die Jugend hat, hat auch die öffentliche Meinung der Zukunft.

Von unsern Kolonien sind es entschieden die afrikanischen, mit denen sich
die öffentliche Meinung mit Vorliebe beschäftigt. Auch haben nur sie den
Vorzug gehabt, volkstümlich, "populär" zu werden, sie sind auch die meist¬
genannten und bestbekannten, von Kamerun, Sansibar, Deutschostafrikn und
den großen Seen ist in den Zeitungen am häufigsten die Rede. Man könnte
versucht sein, es als eine Art Bestimmung und Schickung anzusehn, daß der
germanische Deutsche im Verlauf der Geschichte gerade nach dem tropischen
Afrika hingeführt worden ist, wie es Englands Beruf gewesen zu sein scheint,
Ostindien zu besetzen, und der der Niederländer, sich aus Java und Sumatra
zu bereichern. Germania und Afrika, wer hätte denken können, daß sich ihre
Schicksale je verweben und verschlingen würden, daß sich ihre Völker je um
einander kümmern und sorgen würden? Wie wird sich dies Verhältnis in
einer nähern und fernern Zukunft gestalten?

Einige Gelehrte haben ans Grund ihrer völkerkundlichen Forschungen
behauptet, daß die schwarze Rasse, die bisher vereinzelt und abgesondert ge¬
blieben ist und sich mehr in duldenden Leiden als durch thatkräftiges Handeln
ausgezeichnet hat, bestimmt sei, zuletzt von allen, aber um so wirksamer in
den Gang der Geschichte einzugreifen. Es wäre dann ein merkwürdiges Zu¬
sammentreffen, daß Deutschland zuletzt von den großen europäischen Mächten
seine Hand nach Kolonien auszustrecken gewagt, und daß es die letzte große
Nasse, die sich der europäischen Zivilisation verschloß, zu erziehen unternommen
hat. Wem? Deutschland dieser Rasse seine unerbetenen guten Dienste zu ihrer
Hebung und Bildung zu leisten imstande ist, welche Vergeltung, welchen Lohn
wird es einst von ihr erhalten?

Sich einseitig und fanatisch für Ideale aufzuopfern, ist durchaus nicht
im Sinne unsrer verständigen, praktischen, realpolitischen und materialen Gegen¬
wart, in der der Kapitalismus seine Triumphe feiert und die ihm zugewiesene
geschichtliche Rolle durch die wirtschaftliche Unterwerfung und Verknüpfung
aller Länder des Erdganzen spielt. In einer solchen Zeit verlangt die offene-


Die deutsche Aolonialpolitik und die öffentliche Meinung

der Anwendung ihrer Mittel ja entschieden menschlicherer Erforscher und Pfad¬
finder schöpft. So wird eine günstige Aufnahme der kolonialpvlitischen Be¬
strebungen mich in den Gemütern des heranwachsenden Geschlechts angebahnt.
Es schadet nicht einmal, daß auf diesem Gebiete hie und da etwas zu viel
Personenkultus getrieben wird, oder daß sich die geschäftliche Reklame, was
nun einmal heute unausbleiblich ist, der Ausbeutung der neuen Errungen¬
schaften für ihre Zwecke bemächtigt, etwa indem sie Wißmannhiite, Eminpfeifen
und andre schöne Dinge mehr fabrizirt und aufschreit. Es ist doch ein
Glück, daß die Jugend diese Personen und nicht manche andern verehrt, daß
sie noch immer kriegerische und koloniale Erzählungen vorzieht und nicht etwa
für die sozialistische Alleriveltshumanität und den faulen ewigen Frieden
schwärmt; wer die Jugend hat, hat auch die öffentliche Meinung der Zukunft.

Von unsern Kolonien sind es entschieden die afrikanischen, mit denen sich
die öffentliche Meinung mit Vorliebe beschäftigt. Auch haben nur sie den
Vorzug gehabt, volkstümlich, „populär" zu werden, sie sind auch die meist¬
genannten und bestbekannten, von Kamerun, Sansibar, Deutschostafrikn und
den großen Seen ist in den Zeitungen am häufigsten die Rede. Man könnte
versucht sein, es als eine Art Bestimmung und Schickung anzusehn, daß der
germanische Deutsche im Verlauf der Geschichte gerade nach dem tropischen
Afrika hingeführt worden ist, wie es Englands Beruf gewesen zu sein scheint,
Ostindien zu besetzen, und der der Niederländer, sich aus Java und Sumatra
zu bereichern. Germania und Afrika, wer hätte denken können, daß sich ihre
Schicksale je verweben und verschlingen würden, daß sich ihre Völker je um
einander kümmern und sorgen würden? Wie wird sich dies Verhältnis in
einer nähern und fernern Zukunft gestalten?

Einige Gelehrte haben ans Grund ihrer völkerkundlichen Forschungen
behauptet, daß die schwarze Rasse, die bisher vereinzelt und abgesondert ge¬
blieben ist und sich mehr in duldenden Leiden als durch thatkräftiges Handeln
ausgezeichnet hat, bestimmt sei, zuletzt von allen, aber um so wirksamer in
den Gang der Geschichte einzugreifen. Es wäre dann ein merkwürdiges Zu¬
sammentreffen, daß Deutschland zuletzt von den großen europäischen Mächten
seine Hand nach Kolonien auszustrecken gewagt, und daß es die letzte große
Nasse, die sich der europäischen Zivilisation verschloß, zu erziehen unternommen
hat. Wem? Deutschland dieser Rasse seine unerbetenen guten Dienste zu ihrer
Hebung und Bildung zu leisten imstande ist, welche Vergeltung, welchen Lohn
wird es einst von ihr erhalten?

Sich einseitig und fanatisch für Ideale aufzuopfern, ist durchaus nicht
im Sinne unsrer verständigen, praktischen, realpolitischen und materialen Gegen¬
wart, in der der Kapitalismus seine Triumphe feiert und die ihm zugewiesene
geschichtliche Rolle durch die wirtschaftliche Unterwerfung und Verknüpfung
aller Länder des Erdganzen spielt. In einer solchen Zeit verlangt die offene-


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[0213] Die deutsche Aolonialpolitik und die öffentliche Meinung der Anwendung ihrer Mittel ja entschieden menschlicherer Erforscher und Pfad¬ finder schöpft. So wird eine günstige Aufnahme der kolonialpvlitischen Be¬ strebungen mich in den Gemütern des heranwachsenden Geschlechts angebahnt. Es schadet nicht einmal, daß auf diesem Gebiete hie und da etwas zu viel Personenkultus getrieben wird, oder daß sich die geschäftliche Reklame, was nun einmal heute unausbleiblich ist, der Ausbeutung der neuen Errungen¬ schaften für ihre Zwecke bemächtigt, etwa indem sie Wißmannhiite, Eminpfeifen und andre schöne Dinge mehr fabrizirt und aufschreit. Es ist doch ein Glück, daß die Jugend diese Personen und nicht manche andern verehrt, daß sie noch immer kriegerische und koloniale Erzählungen vorzieht und nicht etwa für die sozialistische Alleriveltshumanität und den faulen ewigen Frieden schwärmt; wer die Jugend hat, hat auch die öffentliche Meinung der Zukunft. Von unsern Kolonien sind es entschieden die afrikanischen, mit denen sich die öffentliche Meinung mit Vorliebe beschäftigt. Auch haben nur sie den Vorzug gehabt, volkstümlich, „populär" zu werden, sie sind auch die meist¬ genannten und bestbekannten, von Kamerun, Sansibar, Deutschostafrikn und den großen Seen ist in den Zeitungen am häufigsten die Rede. Man könnte versucht sein, es als eine Art Bestimmung und Schickung anzusehn, daß der germanische Deutsche im Verlauf der Geschichte gerade nach dem tropischen Afrika hingeführt worden ist, wie es Englands Beruf gewesen zu sein scheint, Ostindien zu besetzen, und der der Niederländer, sich aus Java und Sumatra zu bereichern. Germania und Afrika, wer hätte denken können, daß sich ihre Schicksale je verweben und verschlingen würden, daß sich ihre Völker je um einander kümmern und sorgen würden? Wie wird sich dies Verhältnis in einer nähern und fernern Zukunft gestalten? Einige Gelehrte haben ans Grund ihrer völkerkundlichen Forschungen behauptet, daß die schwarze Rasse, die bisher vereinzelt und abgesondert ge¬ blieben ist und sich mehr in duldenden Leiden als durch thatkräftiges Handeln ausgezeichnet hat, bestimmt sei, zuletzt von allen, aber um so wirksamer in den Gang der Geschichte einzugreifen. Es wäre dann ein merkwürdiges Zu¬ sammentreffen, daß Deutschland zuletzt von den großen europäischen Mächten seine Hand nach Kolonien auszustrecken gewagt, und daß es die letzte große Nasse, die sich der europäischen Zivilisation verschloß, zu erziehen unternommen hat. Wem? Deutschland dieser Rasse seine unerbetenen guten Dienste zu ihrer Hebung und Bildung zu leisten imstande ist, welche Vergeltung, welchen Lohn wird es einst von ihr erhalten? Sich einseitig und fanatisch für Ideale aufzuopfern, ist durchaus nicht im Sinne unsrer verständigen, praktischen, realpolitischen und materialen Gegen¬ wart, in der der Kapitalismus seine Triumphe feiert und die ihm zugewiesene geschichtliche Rolle durch die wirtschaftliche Unterwerfung und Verknüpfung aller Länder des Erdganzen spielt. In einer solchen Zeit verlangt die offene-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/213>, abgerufen am 22.12.2024.