Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches grüßten Geringschätzung, und häufig vernahm man das Wart: zwecklose Pferde¬ Was ist es deun, was dem Distnnzritt einen so glänzenden Nimbus verliehen Wir sind keine Feinde des Sports, wir möchten ihn in dem Leben unsrer Maßgebliches und Unmaßgebliches grüßten Geringschätzung, und häufig vernahm man das Wart: zwecklose Pferde¬ Was ist es deun, was dem Distnnzritt einen so glänzenden Nimbus verliehen Wir sind keine Feinde des Sports, wir möchten ihn in dem Leben unsrer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0196" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213310"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_587" prev="#ID_586"> grüßten Geringschätzung, und häufig vernahm man das Wart: zwecklose Pferde¬<lb/> schinderei.</p><lb/> <p xml:id="ID_588"> Was ist es deun, was dem Distnnzritt einen so glänzenden Nimbus verliehen<lb/> hat? Weiter nichts, als daß es sich dabei um einen Sport, um eine Wette, um<lb/> Spiel gehandelt hat. Diese Leidenschaft ist so heftig, daß verständige Erwägung<lb/> in deu Hintergrund tritt, und so verbreitet, daß viele ganz ohne Nachdenken mit<lb/> fortgerissen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_589" next="#ID_590"> Wir sind keine Feinde des Sports, wir möchten ihn in dem Leben unsrer<lb/> Nation nicht entbehren. Aber darum ist doch nicht jedes Unternehmen zu billige»,<lb/> bei dem der Gesichtspunkt des Wettbewerbs vor allen andern hervortritt; es muß<lb/> doch unter allen Umständen erwogen werden, ob nicht Rücksichten der Sittlichkeit,<lb/> ja der Menschlichkeit entgegenstehen. Daß beim Sport die Kräfte von Menschen<lb/> und Tieren oft in hohem Grade angespannt werden, ist »»erläßlich; es ist auch<lb/> gar nichts dagegen zu sagen, wenn man sich innerhalb solcher Grenzen hält, daß<lb/> nicht Grausamkeit gegen Menschen oder Tiere verübt wird. Bei dem Distanzritt<lb/> aber ist diese Grenze weit überschritten worden. Wenn sich junge rüstige Männer<lb/> die Anstrengung auferlegen, drei- bis viermal vierundzwanzig Stunden körperliche<lb/> Anstrengung zu erdulden und sich den Schlaf fast ganz zu entziehen, so mögen sie<lb/> das thu«. Es zu bewundern liegt kein Grund vor, zumal da ein vernünftiger<lb/> Zweck nicht zu erkennen ist. Anders aber steht es mit den Pferden, die der<lb/> Laune ihrer Herren preisgegeben find. Von diesen armen Tieren hat man<lb/> Leistungen verlangt, denen ihre Kräfte nicht gewachsen waren. Nur durch grau¬<lb/> samste Anwendung von Sporn und Peitsche ist es möglich gewesen, sie bis ans<lb/> Ziel zu bringen; viele sind bereits verendet, und die meisten übrigen werde» die<lb/> unbarmherzige Ausbeutung ihrer Kräfte zeitlebens nicht verwinden. Es versteht<lb/> sich, daß es Umstände geben kauu, unter denen das Tier dem Menschen bis zur<lb/> Vernichtung der eignen Existenz dienen muß: so im Kriege. Aber handelt es sich<lb/> hier um irgend einen Zweck, der das Mittel rechtfertigen könnte? Wir vermöge»<lb/> solchen Zweck in keiner Weise zu erkennen. Wenn trotzdem das Unternehmen in<lb/> weiten Kreisen so viele Leute zur Bewunderung fortgerissen hat, so rührt das nnr<lb/> daher, daß es, in vornehmen, vielfach maßgebe»den Kreisen ersonnen und zur Aus¬<lb/> führung gebracht, durch seiue Neliden und Ungewöhnlichkeit die überreizten und ab¬<lb/> gestumpften Nerve» zu erregen geeignet, daß es Sport und Spiel in hohem Stile<lb/> war. Wenn es aber wirklich darauf ankommen sollte, ein durch Übermaß des<lb/> Genusses verwöhntes Publikum zu erregen und zu unterhalte», so würde» wir deu<lb/> Stiergefechten de» Borzug geben. Auch bei diesem die Nerven in hohem Grade<lb/> anregenden Schauspiel werdeu Tiere getötet und verletzt; die Stiere erliegen dem<lb/> Degen des Mntndvrs, einigen Pferden werden die Hörner der wütenden Stiere<lb/> verderblich. Aber das Stiergefecht hat den Vorzug, daß die ganze Tierquälerei von<lb/> bezahlte» Leuten verübt wird, während bei dem Distnnzritt vornehmen Herren die<lb/> Aufgabe gestellt wird, durch langsame Marter den edeln, treuen, schönen Tieren<lb/> die äußerste Kraftnufwendung abzuzwingen und sie langsam z» Grunde z» richte».<lb/> Diese Roheit ist das verletzende bei dem Distanzritt, und da in den öffentliche»<lb/> Blättern dieser Anpassung bisher uur sehr vereinzelt Ausdruck gegeben, worden ist,<lb/> so scheint es uus angebracht, dem weitverbreiteten Jubel gegenüber anch einmal<lb/> diese Seite der Sache zu betonen und nu das öffentliche Gewissen zu appelliren.<lb/> Der kleine Händler, der, um sei» Brot zu verdienen, gelegentlich in der Lage ist,<lb/> von seinem elenden Gaul oder seinem Hunde die äußerste Anstrengung zu ver¬<lb/> langen, verfällt dem Unwillen des Publikums, wenn nicht gar einer polizeiliche»</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0196]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
grüßten Geringschätzung, und häufig vernahm man das Wart: zwecklose Pferde¬
schinderei.
Was ist es deun, was dem Distnnzritt einen so glänzenden Nimbus verliehen
hat? Weiter nichts, als daß es sich dabei um einen Sport, um eine Wette, um
Spiel gehandelt hat. Diese Leidenschaft ist so heftig, daß verständige Erwägung
in deu Hintergrund tritt, und so verbreitet, daß viele ganz ohne Nachdenken mit
fortgerissen werden.
Wir sind keine Feinde des Sports, wir möchten ihn in dem Leben unsrer
Nation nicht entbehren. Aber darum ist doch nicht jedes Unternehmen zu billige»,
bei dem der Gesichtspunkt des Wettbewerbs vor allen andern hervortritt; es muß
doch unter allen Umständen erwogen werden, ob nicht Rücksichten der Sittlichkeit,
ja der Menschlichkeit entgegenstehen. Daß beim Sport die Kräfte von Menschen
und Tieren oft in hohem Grade angespannt werden, ist »»erläßlich; es ist auch
gar nichts dagegen zu sagen, wenn man sich innerhalb solcher Grenzen hält, daß
nicht Grausamkeit gegen Menschen oder Tiere verübt wird. Bei dem Distanzritt
aber ist diese Grenze weit überschritten worden. Wenn sich junge rüstige Männer
die Anstrengung auferlegen, drei- bis viermal vierundzwanzig Stunden körperliche
Anstrengung zu erdulden und sich den Schlaf fast ganz zu entziehen, so mögen sie
das thu«. Es zu bewundern liegt kein Grund vor, zumal da ein vernünftiger
Zweck nicht zu erkennen ist. Anders aber steht es mit den Pferden, die der
Laune ihrer Herren preisgegeben find. Von diesen armen Tieren hat man
Leistungen verlangt, denen ihre Kräfte nicht gewachsen waren. Nur durch grau¬
samste Anwendung von Sporn und Peitsche ist es möglich gewesen, sie bis ans
Ziel zu bringen; viele sind bereits verendet, und die meisten übrigen werde» die
unbarmherzige Ausbeutung ihrer Kräfte zeitlebens nicht verwinden. Es versteht
sich, daß es Umstände geben kauu, unter denen das Tier dem Menschen bis zur
Vernichtung der eignen Existenz dienen muß: so im Kriege. Aber handelt es sich
hier um irgend einen Zweck, der das Mittel rechtfertigen könnte? Wir vermöge»
solchen Zweck in keiner Weise zu erkennen. Wenn trotzdem das Unternehmen in
weiten Kreisen so viele Leute zur Bewunderung fortgerissen hat, so rührt das nnr
daher, daß es, in vornehmen, vielfach maßgebe»den Kreisen ersonnen und zur Aus¬
führung gebracht, durch seiue Neliden und Ungewöhnlichkeit die überreizten und ab¬
gestumpften Nerve» zu erregen geeignet, daß es Sport und Spiel in hohem Stile
war. Wenn es aber wirklich darauf ankommen sollte, ein durch Übermaß des
Genusses verwöhntes Publikum zu erregen und zu unterhalte», so würde» wir deu
Stiergefechten de» Borzug geben. Auch bei diesem die Nerven in hohem Grade
anregenden Schauspiel werdeu Tiere getötet und verletzt; die Stiere erliegen dem
Degen des Mntndvrs, einigen Pferden werden die Hörner der wütenden Stiere
verderblich. Aber das Stiergefecht hat den Vorzug, daß die ganze Tierquälerei von
bezahlte» Leuten verübt wird, während bei dem Distnnzritt vornehmen Herren die
Aufgabe gestellt wird, durch langsame Marter den edeln, treuen, schönen Tieren
die äußerste Kraftnufwendung abzuzwingen und sie langsam z» Grunde z» richte».
Diese Roheit ist das verletzende bei dem Distanzritt, und da in den öffentliche»
Blättern dieser Anpassung bisher uur sehr vereinzelt Ausdruck gegeben, worden ist,
so scheint es uus angebracht, dem weitverbreiteten Jubel gegenüber anch einmal
diese Seite der Sache zu betonen und nu das öffentliche Gewissen zu appelliren.
Der kleine Händler, der, um sei» Brot zu verdienen, gelegentlich in der Lage ist,
von seinem elenden Gaul oder seinem Hunde die äußerste Anstrengung zu ver¬
langen, verfällt dem Unwillen des Publikums, wenn nicht gar einer polizeiliche»
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