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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Erst in neuester Zeit hat sich auch hier infolge trüber Erfahrungen eine
bessere Erkenntnis Bahn gebrochen. Zwei Berliner Gesellschaften, die Deutsche
Bank und die Berliner Diskontogesellschaft, gingen ziemlich gleichzeitig mit dem
Bau von Eisenbahnen in Kleinasien und Venezuela vor. Hier soll nur von
dem Unternehmen der Deutschen Bank, von dem Ban der anatolischen Bahn,
die Rede sein. Dieses Werk, das deutschem Fleiße und deutscher Geschicklichkeit
alle Ehre macht, hat bisher im Vaterlande viel zu wenig Beachtung gefunden.

Anatolische Eisenbahn nennt man kurzweg die Bahn, die Jsmid, am
innersten Busen des östlichen Marmarameeres gelegen, mit Angora, dem
Handelsmittelpunkte des innern Kleinasiens, und später auch mit Bagdad und
Basra in Verbindung setzen soll. Es war im Jahre 1880, als der türkische
Minister für öffentliche Arbeiten, Hassan Femi, zur "Entwicklung des großen
natürlichen Bvdenreichtnms in Auntolien" mit einem Entwürfe hervortrat,
der das Marmarameer mit dem persischen Meerbusen durch einen Schienen¬
weg verbinden sollte. Zwei, sogar drei Linien wurden in Betracht gezogen,
bis sich deun der "Wallt," das damalige Regierungsblatt, für die Ausführung
der Hauptlinie Eskischehir - Angora - Kaisarie - Malatie - Diarbekir - Mosul -Bagdad
entschied, und zwar bestimmten ihn dazu wirtschaftliche und nicht zuletzt mili¬
tärische Gründe; erst später sollten die Haupthandelsplätze des Innern durch
Zweiglinieu mit dem Schwarzen und dem Mittelmeer in Verbindung gesetzt
werden.

Aber wie manches andre, so schlummerte auch dieser große Plan infolge
Geldmangels bei der türkischen Negierung wieder ein, bis der Seraskier, der
Kriegsminister, von neuem dafür eintrat und den Bau der Bahn für die
Landesverteidigung als unerläßlich bezeichnete. Anfang Oktober 1888 gelang
es, trotz mancher Ränke andrer sich mitbewerbender Gesellschaften, dem Reichs-
tagsabgeordneten und Bankdirektor Dr. Siemers die Bauerlaubnis für die
Deutsche Bank zu erwirken, und zwar zunächst für die 486 Kilometer lange
Strecke Jsmid-Angora; die schon bestehende 92 Kilometer lange Strecke Haidar-
Pascha-Jsmid sollte durch die Gesellschaft ausgebaut und bis Skutari ver¬
längert werden.

Die Deutsche Bank übertrug die Ausführung des Baues der Gesellschaft
für die anatolischen Bahnen, die ihren Sitz in Frankfurt n. M. hat. Von
Konstantinopel aus leitet ein Baier, v. Kühlmann, der Generaldirektor der
Bahugesellschaft, und ein Schwabe, Kapp, der Leiter der Bauuuternehmuiig,
das Werk. Deu Streckenbau selbst führt ein Oberingenieur aus, der deu nord¬
deutschen Namen Gaedertz trägt. Unter ihm arbeiten Leute aus aller Herren
Ländern: Deutsche, Schweizer, Belgier, Franzosen, Italiener, Russen, Rumänen,
Griechen, Armenier n. a.

Obgleich sich, dem Bau während der Ausführung mancherlei unvorher¬
gesehene Schwierigkeiten und Hindernisse, besonders beim Aufstieg auf die klein-


Erst in neuester Zeit hat sich auch hier infolge trüber Erfahrungen eine
bessere Erkenntnis Bahn gebrochen. Zwei Berliner Gesellschaften, die Deutsche
Bank und die Berliner Diskontogesellschaft, gingen ziemlich gleichzeitig mit dem
Bau von Eisenbahnen in Kleinasien und Venezuela vor. Hier soll nur von
dem Unternehmen der Deutschen Bank, von dem Ban der anatolischen Bahn,
die Rede sein. Dieses Werk, das deutschem Fleiße und deutscher Geschicklichkeit
alle Ehre macht, hat bisher im Vaterlande viel zu wenig Beachtung gefunden.

Anatolische Eisenbahn nennt man kurzweg die Bahn, die Jsmid, am
innersten Busen des östlichen Marmarameeres gelegen, mit Angora, dem
Handelsmittelpunkte des innern Kleinasiens, und später auch mit Bagdad und
Basra in Verbindung setzen soll. Es war im Jahre 1880, als der türkische
Minister für öffentliche Arbeiten, Hassan Femi, zur „Entwicklung des großen
natürlichen Bvdenreichtnms in Auntolien" mit einem Entwürfe hervortrat,
der das Marmarameer mit dem persischen Meerbusen durch einen Schienen¬
weg verbinden sollte. Zwei, sogar drei Linien wurden in Betracht gezogen,
bis sich deun der „Wallt," das damalige Regierungsblatt, für die Ausführung
der Hauptlinie Eskischehir - Angora - Kaisarie - Malatie - Diarbekir - Mosul -Bagdad
entschied, und zwar bestimmten ihn dazu wirtschaftliche und nicht zuletzt mili¬
tärische Gründe; erst später sollten die Haupthandelsplätze des Innern durch
Zweiglinieu mit dem Schwarzen und dem Mittelmeer in Verbindung gesetzt
werden.

Aber wie manches andre, so schlummerte auch dieser große Plan infolge
Geldmangels bei der türkischen Negierung wieder ein, bis der Seraskier, der
Kriegsminister, von neuem dafür eintrat und den Bau der Bahn für die
Landesverteidigung als unerläßlich bezeichnete. Anfang Oktober 1888 gelang
es, trotz mancher Ränke andrer sich mitbewerbender Gesellschaften, dem Reichs-
tagsabgeordneten und Bankdirektor Dr. Siemers die Bauerlaubnis für die
Deutsche Bank zu erwirken, und zwar zunächst für die 486 Kilometer lange
Strecke Jsmid-Angora; die schon bestehende 92 Kilometer lange Strecke Haidar-
Pascha-Jsmid sollte durch die Gesellschaft ausgebaut und bis Skutari ver¬
längert werden.

Die Deutsche Bank übertrug die Ausführung des Baues der Gesellschaft
für die anatolischen Bahnen, die ihren Sitz in Frankfurt n. M. hat. Von
Konstantinopel aus leitet ein Baier, v. Kühlmann, der Generaldirektor der
Bahugesellschaft, und ein Schwabe, Kapp, der Leiter der Bauuuternehmuiig,
das Werk. Deu Streckenbau selbst führt ein Oberingenieur aus, der deu nord¬
deutschen Namen Gaedertz trägt. Unter ihm arbeiten Leute aus aller Herren
Ländern: Deutsche, Schweizer, Belgier, Franzosen, Italiener, Russen, Rumänen,
Griechen, Armenier n. a.

Obgleich sich, dem Bau während der Ausführung mancherlei unvorher¬
gesehene Schwierigkeiten und Hindernisse, besonders beim Aufstieg auf die klein-


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[0159] Erst in neuester Zeit hat sich auch hier infolge trüber Erfahrungen eine bessere Erkenntnis Bahn gebrochen. Zwei Berliner Gesellschaften, die Deutsche Bank und die Berliner Diskontogesellschaft, gingen ziemlich gleichzeitig mit dem Bau von Eisenbahnen in Kleinasien und Venezuela vor. Hier soll nur von dem Unternehmen der Deutschen Bank, von dem Ban der anatolischen Bahn, die Rede sein. Dieses Werk, das deutschem Fleiße und deutscher Geschicklichkeit alle Ehre macht, hat bisher im Vaterlande viel zu wenig Beachtung gefunden. Anatolische Eisenbahn nennt man kurzweg die Bahn, die Jsmid, am innersten Busen des östlichen Marmarameeres gelegen, mit Angora, dem Handelsmittelpunkte des innern Kleinasiens, und später auch mit Bagdad und Basra in Verbindung setzen soll. Es war im Jahre 1880, als der türkische Minister für öffentliche Arbeiten, Hassan Femi, zur „Entwicklung des großen natürlichen Bvdenreichtnms in Auntolien" mit einem Entwürfe hervortrat, der das Marmarameer mit dem persischen Meerbusen durch einen Schienen¬ weg verbinden sollte. Zwei, sogar drei Linien wurden in Betracht gezogen, bis sich deun der „Wallt," das damalige Regierungsblatt, für die Ausführung der Hauptlinie Eskischehir - Angora - Kaisarie - Malatie - Diarbekir - Mosul -Bagdad entschied, und zwar bestimmten ihn dazu wirtschaftliche und nicht zuletzt mili¬ tärische Gründe; erst später sollten die Haupthandelsplätze des Innern durch Zweiglinieu mit dem Schwarzen und dem Mittelmeer in Verbindung gesetzt werden. Aber wie manches andre, so schlummerte auch dieser große Plan infolge Geldmangels bei der türkischen Negierung wieder ein, bis der Seraskier, der Kriegsminister, von neuem dafür eintrat und den Bau der Bahn für die Landesverteidigung als unerläßlich bezeichnete. Anfang Oktober 1888 gelang es, trotz mancher Ränke andrer sich mitbewerbender Gesellschaften, dem Reichs- tagsabgeordneten und Bankdirektor Dr. Siemers die Bauerlaubnis für die Deutsche Bank zu erwirken, und zwar zunächst für die 486 Kilometer lange Strecke Jsmid-Angora; die schon bestehende 92 Kilometer lange Strecke Haidar- Pascha-Jsmid sollte durch die Gesellschaft ausgebaut und bis Skutari ver¬ längert werden. Die Deutsche Bank übertrug die Ausführung des Baues der Gesellschaft für die anatolischen Bahnen, die ihren Sitz in Frankfurt n. M. hat. Von Konstantinopel aus leitet ein Baier, v. Kühlmann, der Generaldirektor der Bahugesellschaft, und ein Schwabe, Kapp, der Leiter der Bauuuternehmuiig, das Werk. Deu Streckenbau selbst führt ein Oberingenieur aus, der deu nord¬ deutschen Namen Gaedertz trägt. Unter ihm arbeiten Leute aus aller Herren Ländern: Deutsche, Schweizer, Belgier, Franzosen, Italiener, Russen, Rumänen, Griechen, Armenier n. a. Obgleich sich, dem Bau während der Ausführung mancherlei unvorher¬ gesehene Schwierigkeiten und Hindernisse, besonders beim Aufstieg auf die klein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/159>, abgerufen am 22.12.2024.