Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Die Reise ins Kloster auf den Namen "Miesch" hörte: so schlecht durfte dieses Tier nicht behandelt Aber Garibaldi "lis-s Zephanja war nicht zu errufen. Er hatte unser Die unerwartete Flucht des Katers gab dem Rest unsrer Reise etwas (Schluß folgt) Die Reise ins Kloster auf den Namen „Miesch" hörte: so schlecht durfte dieses Tier nicht behandelt Aber Garibaldi »lis-s Zephanja war nicht zu errufen. Er hatte unser Die unerwartete Flucht des Katers gab dem Rest unsrer Reise etwas (Schluß folgt) <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0572" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213048"/> <fw type="header" place="top"> Die Reise ins Kloster</fw><lb/> <p xml:id="ID_1897" prev="#ID_1896"> auf den Namen „Miesch" hörte: so schlecht durfte dieses Tier nicht behandelt<lb/> werden, die ganze biblische Geschichte, die großen und die kleinen Propheten<lb/> boten ja reiches Namenmaterial für den Täufling. So beschloß ich denn, ihn<lb/> Zephanja zu nennen, worüber Jürgen höhnisch lachte. Er war überhaupt<lb/> etwas beleidigt, weil er keine Katze geschenkt bekommen hatte, und ich hatte<lb/> uun unter seiner Übeln Laune zu leiden. Er sagte, der Kater solle Garibaldi<lb/> heißen; das wäre der hübscheste Name, den es gäbe. Zephanja wäre ein<lb/> Jude gewesen, ein Jude aber dürfe nicht bei einem christlichen Kater Gevatter<lb/> stehn. Da ich aber nie etwas von Garibaldi gehört hatte, und Jürgen auf<lb/> meine Fragen nach ihm nur antwortete, Großvater habe manchmal von ihm<lb/> vorgelesen, so widerstrebte ich diesem Namen heftig und äußerte mich über<lb/> Garibaldi in einer Weise, die Jürgen in hohem Grade mißfiel. Ich schlag<lb/> ihn, und er schlug mich wieder, dann weinten wir beide, und als sich Bater,<lb/> der sich ans den Bock neben den Kutscher gesetzt hatte, ernsthaft uach uns<lb/> umsah, trockneten wir unsre Thränen und zankten uns leise weiter. Ich warf<lb/> Jürgen den Verlust meiner weißen Mäuse vor, und er sagte, ich wäre Schuld,<lb/> daß die Grashüpfer Reißaus genommen hätten, dann rief er plötzlich mit<lb/> lauter Stimme nach Garibaldi, und ich nach Zephanja; denn der Kater war<lb/> mein, und er sollte Zephanja heißen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1898"> Aber Garibaldi »lis-s Zephanja war nicht zu errufen. Er hatte unser<lb/> kleines Handgemenge benutzt, auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Wann<lb/> er vom Wagen gesprungen und wohin er gelaufen war, ist stets ein unauf¬<lb/> geklärtes Geheimnis geblieben. Jedenfalls war die ganze Streiterei gänzlich<lb/> überflüssig gewesen, weil Vater nicht umkehren und Zephanja suchen lassen<lb/> wollte; denn Zephanja sollte er in meiner Erinnerung heißen, das nahm ich<lb/> mir vor, und nun hatte auch Jürgen nichts mehr gegen diesen Namen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1899"> Die unerwartete Flucht des Katers gab dem Rest unsrer Reise etwas<lb/> abenteuerliches. Jeden Baum, an dem wir vorüberfuhren, sahen wir darauf<lb/> an, ob etwa der Flüchtling darin säße — denn er konnte ja eben so gut vor¬<lb/> wärts wie rückwärts geflohen sein, und Jürgen erzählte viele Geschichten von<lb/> Flüchtlingen, die sich durch tausend Gefahren durchgeschlagen hatten. Auf<lb/> diese Weise verging die Zeit sehr schnell, und als wir am Kloster an¬<lb/> kamen, wunderten wir uns, daß es schon Mittag war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1900"> (Schluß folgt)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0572]
Die Reise ins Kloster
auf den Namen „Miesch" hörte: so schlecht durfte dieses Tier nicht behandelt
werden, die ganze biblische Geschichte, die großen und die kleinen Propheten
boten ja reiches Namenmaterial für den Täufling. So beschloß ich denn, ihn
Zephanja zu nennen, worüber Jürgen höhnisch lachte. Er war überhaupt
etwas beleidigt, weil er keine Katze geschenkt bekommen hatte, und ich hatte
uun unter seiner Übeln Laune zu leiden. Er sagte, der Kater solle Garibaldi
heißen; das wäre der hübscheste Name, den es gäbe. Zephanja wäre ein
Jude gewesen, ein Jude aber dürfe nicht bei einem christlichen Kater Gevatter
stehn. Da ich aber nie etwas von Garibaldi gehört hatte, und Jürgen auf
meine Fragen nach ihm nur antwortete, Großvater habe manchmal von ihm
vorgelesen, so widerstrebte ich diesem Namen heftig und äußerte mich über
Garibaldi in einer Weise, die Jürgen in hohem Grade mißfiel. Ich schlag
ihn, und er schlug mich wieder, dann weinten wir beide, und als sich Bater,
der sich ans den Bock neben den Kutscher gesetzt hatte, ernsthaft uach uns
umsah, trockneten wir unsre Thränen und zankten uns leise weiter. Ich warf
Jürgen den Verlust meiner weißen Mäuse vor, und er sagte, ich wäre Schuld,
daß die Grashüpfer Reißaus genommen hätten, dann rief er plötzlich mit
lauter Stimme nach Garibaldi, und ich nach Zephanja; denn der Kater war
mein, und er sollte Zephanja heißen.
Aber Garibaldi »lis-s Zephanja war nicht zu errufen. Er hatte unser
kleines Handgemenge benutzt, auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Wann
er vom Wagen gesprungen und wohin er gelaufen war, ist stets ein unauf¬
geklärtes Geheimnis geblieben. Jedenfalls war die ganze Streiterei gänzlich
überflüssig gewesen, weil Vater nicht umkehren und Zephanja suchen lassen
wollte; denn Zephanja sollte er in meiner Erinnerung heißen, das nahm ich
mir vor, und nun hatte auch Jürgen nichts mehr gegen diesen Namen.
Die unerwartete Flucht des Katers gab dem Rest unsrer Reise etwas
abenteuerliches. Jeden Baum, an dem wir vorüberfuhren, sahen wir darauf
an, ob etwa der Flüchtling darin säße — denn er konnte ja eben so gut vor¬
wärts wie rückwärts geflohen sein, und Jürgen erzählte viele Geschichten von
Flüchtlingen, die sich durch tausend Gefahren durchgeschlagen hatten. Auf
diese Weise verging die Zeit sehr schnell, und als wir am Kloster an¬
kamen, wunderten wir uns, daß es schon Mittag war.
(Schluß folgt)
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