Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Geduld Viehhandel ist zu erblicken. Im Sommer mag wohl hie und da eine kleine Aus Roggenstede hatten wir einmal eine Köchin. Und es war eine tüch¬ Der Krüger zu Roggenstede scheint übrigens nicht viel Zuspruch zu haben, Siehe da, da sind wir ja sanft weiter gegondelt bis nach Domra. Ja, Geduld Viehhandel ist zu erblicken. Im Sommer mag wohl hie und da eine kleine Aus Roggenstede hatten wir einmal eine Köchin. Und es war eine tüch¬ Der Krüger zu Roggenstede scheint übrigens nicht viel Zuspruch zu haben, Siehe da, da sind wir ja sanft weiter gegondelt bis nach Domra. Ja, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0483" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212959"/> <fw type="header" place="top"> Geduld</fw><lb/> <p xml:id="ID_1615" prev="#ID_1614"> Viehhandel ist zu erblicken. Im Sommer mag wohl hie und da eine kleine<lb/> Abwechslung geboten werden, wenn sich irgend eine dumme Kuh, ein un¬<lb/> erfahrenes Rind oder ein harmloses Kälbchen dem Zuge in den Weg stellt und<lb/> nicht weichen will. Da kommt dann wenigstens Spannung in die Situation,<lb/> denn es muß doch ausgemacht werden, wer der Stärkere ist oder der Klügere.<lb/> Aber jetzt, zur Winterszeit, welche Einsamkeit! Kaum daß ein vereinzelter<lb/> Hammel sich anstrengt, die Landschaft zu beleben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1616"> Aus Roggenstede hatten wir einmal eine Köchin. Und es war eine tüch¬<lb/> tige, brave Köchin. Verzeih, lieber Leser, daß ich eine so häusliche Angelegen-<lb/> heit hier öffentlich zur Sprache bringe. Aber bei der Wichtigkeit der Köchinnen¬<lb/> frage, und weil uns die Eisenbahn so viel Zeit zum Nachdenken läßt, ist es<lb/> wohl verzeihlich, daß wir auf solche Gedanken kommen. Also jene Köchin aus<lb/> Roggenstede war gut, was um so tobender hervorgehoben werden muß, als<lb/> es so wenig gute Köchinnen mehr giebt. Und da wären wir denn glücklich<lb/> auf einem Gebiete, das uns Stoff zur Unterhaltung bieten könnte bis nach<lb/> Norden und darüber hinaus: ja ein unabsehbares Feld der Unterhaltung er¬<lb/> öffnet die Dienstbotenfrage vor unserm geistigen Ange. Ein Ozean von Kaffee<lb/> und ein Aconcagua von Kuchen wird uoch drauf gehen, ehe dieses Thema genügend<lb/> besprochen ist. Ob es überhaupt jemals erschöpft werden wird? Und ob es<lb/> überhaupt jemals gelingen wird, die Damen vom dienenden Stande mit ihrer<lb/> Herrschaft und die Herrschaft einigermaßen mit den Dienstboten zufrieden zu<lb/> machen?</p><lb/> <p xml:id="ID_1617"> Der Krüger zu Roggenstede scheint übrigens nicht viel Zuspruch zu haben,<lb/> es sieht recht still und einsam bei ihm aus. Es wären ihm etliche solche<lb/> Kunden zu wünschen, wie mein Kutscher auf dem Hochwald vor bald zwanzig<lb/> Jahren einer war. Der fuhr, wenn er irgend konnte, nicht leicht an einem<lb/> Wirtshause vorbei. Er schien zu denken, die Wirtshäuser wären ganz be¬<lb/> sonders für ihn an den Weg gebant, und weil er ein so gutes Herz hatte,<lb/> glaubte er sich der ihm dadurch auferlegten sittlichen Verpflichtung nicht ent¬<lb/> ziehen zu dürfen. Daher kannte er alle Wirte weit und breit. Nun liegt da<lb/> herum in der Nähe eine alte verfallene Burg, die jetzt Oberförsterei ist,<lb/> Thronecken geheißen. Es geht die Sage, das sei die Burg des grimmen<lb/> Hagen von Tronege gewesen. Andre behaupten zwar, die Burg Tronje habe<lb/> "n Wasgau gestanden, aber das ist ja nicht so weit davon. Also fahre ich<lb/> eines schönen' Tages mit einem Besuch nach der Burg und sage: „Da soll<lb/> Hagen gewohnt haben." Da dreht sich Johann auf dem Bock herum und sagt:<lb/> »El, der wohnt noch da, bei dem han ich schon manche Schoppe getrunke!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1618" next="#ID_1619"> Siehe da, da sind wir ja sanft weiter gegondelt bis nach Domra. Ja,<lb/> was soll ich von Domra berichten? Wäre ich ein oberflächlicher Bericht¬<lb/> erstatter und ein Reisender von der Durchschnittsgattung, wie ste heutzutage<lb/> überall Weg und Steg unsicher machen, um, wenn sie acht Tage in ein fremdes<lb/> Land hineingerochen haben, gleich ein Buch darüber zu schreiben, dann würde<lb/> us — doch ich will es nachher sagen, was ich dann von Dornum sagen<lb/> würde. Erst uoch ein Wort von der modernen Art zu reisen. Da reist man<lb/> heutzutage mit Stangen oder mit der „Augusta Viktoria." Heißt das reisen?<lb/> Der Gedanke an eine Herde jener harmlosen Tiere, die von einem Leithammel<lb/> in der Welt herumgeführt werden, liegt doch gar zu nahe. Das heißt doch<lb/> acht reisen, sich auf die landläufigen Sehenswürdigkeiten „programmmäßig" mit<lb/> der Nase stoßen zu lassen. Für mich heißt reisen meiner Nase nachgehn und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0483]
Geduld
Viehhandel ist zu erblicken. Im Sommer mag wohl hie und da eine kleine
Abwechslung geboten werden, wenn sich irgend eine dumme Kuh, ein un¬
erfahrenes Rind oder ein harmloses Kälbchen dem Zuge in den Weg stellt und
nicht weichen will. Da kommt dann wenigstens Spannung in die Situation,
denn es muß doch ausgemacht werden, wer der Stärkere ist oder der Klügere.
Aber jetzt, zur Winterszeit, welche Einsamkeit! Kaum daß ein vereinzelter
Hammel sich anstrengt, die Landschaft zu beleben.
Aus Roggenstede hatten wir einmal eine Köchin. Und es war eine tüch¬
tige, brave Köchin. Verzeih, lieber Leser, daß ich eine so häusliche Angelegen-
heit hier öffentlich zur Sprache bringe. Aber bei der Wichtigkeit der Köchinnen¬
frage, und weil uns die Eisenbahn so viel Zeit zum Nachdenken läßt, ist es
wohl verzeihlich, daß wir auf solche Gedanken kommen. Also jene Köchin aus
Roggenstede war gut, was um so tobender hervorgehoben werden muß, als
es so wenig gute Köchinnen mehr giebt. Und da wären wir denn glücklich
auf einem Gebiete, das uns Stoff zur Unterhaltung bieten könnte bis nach
Norden und darüber hinaus: ja ein unabsehbares Feld der Unterhaltung er¬
öffnet die Dienstbotenfrage vor unserm geistigen Ange. Ein Ozean von Kaffee
und ein Aconcagua von Kuchen wird uoch drauf gehen, ehe dieses Thema genügend
besprochen ist. Ob es überhaupt jemals erschöpft werden wird? Und ob es
überhaupt jemals gelingen wird, die Damen vom dienenden Stande mit ihrer
Herrschaft und die Herrschaft einigermaßen mit den Dienstboten zufrieden zu
machen?
Der Krüger zu Roggenstede scheint übrigens nicht viel Zuspruch zu haben,
es sieht recht still und einsam bei ihm aus. Es wären ihm etliche solche
Kunden zu wünschen, wie mein Kutscher auf dem Hochwald vor bald zwanzig
Jahren einer war. Der fuhr, wenn er irgend konnte, nicht leicht an einem
Wirtshause vorbei. Er schien zu denken, die Wirtshäuser wären ganz be¬
sonders für ihn an den Weg gebant, und weil er ein so gutes Herz hatte,
glaubte er sich der ihm dadurch auferlegten sittlichen Verpflichtung nicht ent¬
ziehen zu dürfen. Daher kannte er alle Wirte weit und breit. Nun liegt da
herum in der Nähe eine alte verfallene Burg, die jetzt Oberförsterei ist,
Thronecken geheißen. Es geht die Sage, das sei die Burg des grimmen
Hagen von Tronege gewesen. Andre behaupten zwar, die Burg Tronje habe
"n Wasgau gestanden, aber das ist ja nicht so weit davon. Also fahre ich
eines schönen' Tages mit einem Besuch nach der Burg und sage: „Da soll
Hagen gewohnt haben." Da dreht sich Johann auf dem Bock herum und sagt:
»El, der wohnt noch da, bei dem han ich schon manche Schoppe getrunke!"
Siehe da, da sind wir ja sanft weiter gegondelt bis nach Domra. Ja,
was soll ich von Domra berichten? Wäre ich ein oberflächlicher Bericht¬
erstatter und ein Reisender von der Durchschnittsgattung, wie ste heutzutage
überall Weg und Steg unsicher machen, um, wenn sie acht Tage in ein fremdes
Land hineingerochen haben, gleich ein Buch darüber zu schreiben, dann würde
us — doch ich will es nachher sagen, was ich dann von Dornum sagen
würde. Erst uoch ein Wort von der modernen Art zu reisen. Da reist man
heutzutage mit Stangen oder mit der „Augusta Viktoria." Heißt das reisen?
Der Gedanke an eine Herde jener harmlosen Tiere, die von einem Leithammel
in der Welt herumgeführt werden, liegt doch gar zu nahe. Das heißt doch
acht reisen, sich auf die landläufigen Sehenswürdigkeiten „programmmäßig" mit
der Nase stoßen zu lassen. Für mich heißt reisen meiner Nase nachgehn und
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