Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Weltgeschichte in Hinterivinkel daß er aller Augen auf sich zog. Er ritt auf spiegelblanken Rappen und Man hielt die blendende Erscheinung für den höchsten General, wen" nicht Beim Auseinandertreten des Regiments auf dem Nathausplatze war jeder¬ Ich folgte dem goldnen Ritter auf dem Fuße. Er aber ritt, ohne jemand Keiner wußte, was er davon denken sollte; aber es dauerte uicht lange, Da wollte des Verwunderns kein Ende werden. Doch ließ sich der Weltgeschichte in Hinterivinkel daß er aller Augen auf sich zog. Er ritt auf spiegelblanken Rappen und Man hielt die blendende Erscheinung für den höchsten General, wen» nicht Beim Auseinandertreten des Regiments auf dem Nathausplatze war jeder¬ Ich folgte dem goldnen Ritter auf dem Fuße. Er aber ritt, ohne jemand Keiner wußte, was er davon denken sollte; aber es dauerte uicht lange, Da wollte des Verwunderns kein Ende werden. Doch ließ sich der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0430" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212906"/> <fw type="header" place="top"> Weltgeschichte in Hinterivinkel</fw><lb/> <p xml:id="ID_1430" prev="#ID_1429"> daß er aller Augen auf sich zog. Er ritt auf spiegelblanken Rappen und<lb/> trug über seinem schneeweißen, rotbesetzten Waffenrock einen vergoldeten Brust¬<lb/> harnisch, der so leuchtete und strahlte, daß er die Augen blendete wie die<lb/> flammende Sonne; auf dem Haupt aber saß ihm ein blanker Stahlhelm mit<lb/> wallendem Federbusch. Alle die Offiziere, die vor den Truppen herritten,<lb/> sahen armselig aus gegen ihn, der seinen Platz willkürlich wechselte und seinen<lb/> Rappen dabei die kühnsten Kunststücke ausführen ließ.</p><lb/> <p xml:id="ID_1431"> Man hielt die blendende Erscheinung für den höchsten General, wen» nicht<lb/> gar für den König von Preußen oder sonst einen mit ihm verbündeten Poten¬<lb/> taten. Zum mindesten mußte es ein Prinz sein. Alles blickte darum nur auf<lb/> ihn, und die Jugend von Hinterwinkel sah sich an seinem Glanz fast die<lb/> Augen aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_1432"> Beim Auseinandertreten des Regiments auf dem Nathausplatze war jeder¬<lb/> mann vor allem begierig, was der glänzende Reiter nun macheu würde. Daß<lb/> er in eine Hinterwinkter Wohnung treten könnte, wenn auch in die vornehmste,<lb/> die des Pfarrers, hielt niemand für denkbar. Ein so vergoldeter Prinz, der<lb/> wie ein Cherub funkelte und die Sonne auf seiner Brust trug, konnte unmög¬<lb/> lich bei gemeinen Sterblichen wohnen. Wahrscheinlich führte das Regiment<lb/> für ihn ein goldnes Pruukzelt mit. So dachte wenigstens ich und zitterte<lb/> vor Begierde, wo man es aufschlagen würde. Einstweilen suchte ich es mir<lb/> im Geiste auszumalen, was mir auch wohl gelang; denn ich hatte einmal eine<lb/> Beschreibung davon gelesen, nicht von diesem, aber von dem noch reichern der<lb/> wundersamen Prinzessin Mirzabelle, der Tochter des berühmten Mohrenkönigs<lb/> in der Geschichte des Kaisers Octavianus und des frommen Königs Dagobert<lb/> von Frankenland.</p><lb/> <p xml:id="ID_1433"> Ich folgte dem goldnen Ritter auf dem Fuße. Er aber ritt, ohne jemand<lb/> zu fragen, mitten durch Hinterwinkel, hinunter ins kleine Dörsle. Vor dem<lb/> Haus der Hanne Strohmelker machte er Halt, sprang ab, band seinen Rappen<lb/> an den Fensterladen und trat ohne Umstände in die alte wacklige Lehmhütte.<lb/> Die Thür schloß er hinter sich zu.</p><lb/> <p xml:id="ID_1434"> Keiner wußte, was er davon denken sollte; aber es dauerte uicht lange,<lb/> da hörten wir drinnen die bekannten übertriebnen Ausrufe der Hanne: O du<lb/> kreuzsterbender Heiland! und andre, die jedoch diesmal schnell aufhörten und<lb/> lautem Freudengeheul Platz machten. Der goldige Reiter war niemand anders<lb/> als der Cyprian, der Sohn der Hanne Strohmclker!</p><lb/> <p xml:id="ID_1435" next="#ID_1436"> Da wollte des Verwunderns kein Ende werden. Doch ließ sich der<lb/> Cyprian mit andern Leuten nicht ein; er ritt noch am Abend wieder davon,<lb/> ohne in Hinterwinkel über seinen Stand und Rang klare Begriffe zurückzulassen-<lb/> Darüber ärgerten sich die Hinterwinkter nicht wenig; doch allzusehr konnten<lb/> sie dem ehemaligen Buben aus dem kleinen Dörfle sein Betragen nicht ver¬<lb/> übeln, er war ja so vornehm geworden. Und nimmer hatten die guten Leute</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0430]
Weltgeschichte in Hinterivinkel
daß er aller Augen auf sich zog. Er ritt auf spiegelblanken Rappen und
trug über seinem schneeweißen, rotbesetzten Waffenrock einen vergoldeten Brust¬
harnisch, der so leuchtete und strahlte, daß er die Augen blendete wie die
flammende Sonne; auf dem Haupt aber saß ihm ein blanker Stahlhelm mit
wallendem Federbusch. Alle die Offiziere, die vor den Truppen herritten,
sahen armselig aus gegen ihn, der seinen Platz willkürlich wechselte und seinen
Rappen dabei die kühnsten Kunststücke ausführen ließ.
Man hielt die blendende Erscheinung für den höchsten General, wen» nicht
gar für den König von Preußen oder sonst einen mit ihm verbündeten Poten¬
taten. Zum mindesten mußte es ein Prinz sein. Alles blickte darum nur auf
ihn, und die Jugend von Hinterwinkel sah sich an seinem Glanz fast die
Augen aus.
Beim Auseinandertreten des Regiments auf dem Nathausplatze war jeder¬
mann vor allem begierig, was der glänzende Reiter nun macheu würde. Daß
er in eine Hinterwinkter Wohnung treten könnte, wenn auch in die vornehmste,
die des Pfarrers, hielt niemand für denkbar. Ein so vergoldeter Prinz, der
wie ein Cherub funkelte und die Sonne auf seiner Brust trug, konnte unmög¬
lich bei gemeinen Sterblichen wohnen. Wahrscheinlich führte das Regiment
für ihn ein goldnes Pruukzelt mit. So dachte wenigstens ich und zitterte
vor Begierde, wo man es aufschlagen würde. Einstweilen suchte ich es mir
im Geiste auszumalen, was mir auch wohl gelang; denn ich hatte einmal eine
Beschreibung davon gelesen, nicht von diesem, aber von dem noch reichern der
wundersamen Prinzessin Mirzabelle, der Tochter des berühmten Mohrenkönigs
in der Geschichte des Kaisers Octavianus und des frommen Königs Dagobert
von Frankenland.
Ich folgte dem goldnen Ritter auf dem Fuße. Er aber ritt, ohne jemand
zu fragen, mitten durch Hinterwinkel, hinunter ins kleine Dörsle. Vor dem
Haus der Hanne Strohmelker machte er Halt, sprang ab, band seinen Rappen
an den Fensterladen und trat ohne Umstände in die alte wacklige Lehmhütte.
Die Thür schloß er hinter sich zu.
Keiner wußte, was er davon denken sollte; aber es dauerte uicht lange,
da hörten wir drinnen die bekannten übertriebnen Ausrufe der Hanne: O du
kreuzsterbender Heiland! und andre, die jedoch diesmal schnell aufhörten und
lautem Freudengeheul Platz machten. Der goldige Reiter war niemand anders
als der Cyprian, der Sohn der Hanne Strohmclker!
Da wollte des Verwunderns kein Ende werden. Doch ließ sich der
Cyprian mit andern Leuten nicht ein; er ritt noch am Abend wieder davon,
ohne in Hinterwinkel über seinen Stand und Rang klare Begriffe zurückzulassen-
Darüber ärgerten sich die Hinterwinkter nicht wenig; doch allzusehr konnten
sie dem ehemaligen Buben aus dem kleinen Dörfle sein Betragen nicht ver¬
übeln, er war ja so vornehm geworden. Und nimmer hatten die guten Leute
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