Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Pamionische Bilder Macht, Weiber und Kinder. Jetzt wohnt der Uhu drinnen und die wilde Der Fluß, den man in allen Gestalten kennen lernt als majestätischen "Noch etwas früh!" hatte die schöne Olinka, unsre leider nur allzu So kam es, daß die so freundlich am Horizont der Tatra aufgetauchte Pamionische Bilder Macht, Weiber und Kinder. Jetzt wohnt der Uhu drinnen und die wilde Der Fluß, den man in allen Gestalten kennen lernt als majestätischen „Noch etwas früh!" hatte die schöne Olinka, unsre leider nur allzu So kam es, daß die so freundlich am Horizont der Tatra aufgetauchte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0283" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212759"/> <fw type="header" place="top"> Pamionische Bilder</fw><lb/> <p xml:id="ID_904" prev="#ID_903"> Macht, Weiber und Kinder. Jetzt wohnt der Uhu drinnen und die wilde<lb/> Katze. Es ist mancher Schatz da vergrabe«? von den Römerzeiten her." Er<lb/> zeigte mir wirklich eine römische Kaisermünze aus Gold, die er als Berloque<lb/> an der dicken Uhrkette trug. „Die Hirten haben viel dergleichen und verkaufen<lb/> es für ein paar Kreuzer. Es ist ein gedüngter Boden, Blut und Gold und<lb/> Gold und Blut! Das giebt ein feines Salz, das das Vieh fett macht. Uugar-<lb/> vieh hat ein besondres Futter."</p><lb/> <p xml:id="ID_905"> Der Fluß, den man in allen Gestalten kennen lernt als majestätischen<lb/> Ebnenstrom, als lieblichen Thalfluß mit snuftgerundeten Krümmungen und<lb/> buschigen Hängen, als wilden Bergstürzer, der die Ketten der Vergzüge durch¬<lb/> bricht und unter schwindelnden Brücken unter uns vorüberschießt, er teilt sich<lb/> und verliert sich in armbreite Gebirgsquellen. Immer höher und kälter, wird<lb/> es, die Lokomotive schleppt pustend und keuchend. Wir sind im Gebiete der<lb/> hohen Tatra angelangt.</p><lb/> <p xml:id="ID_906"> „Noch etwas früh!" hatte die schöne Olinka, unsre leider nur allzu<lb/> flüchtige, aber auserwählte Vertreterin der berufnen Ungarinuenschvuheit, aus¬<lb/> gerufen, als wir unser Reiseziel, die Tatrabüder, genannt hatten; und ihr<lb/> Onkel, der Advokat ans einem Neste mit unendlichsilbigem Namen, hatte mit<lb/> seiner sprech- und lachlustiger Frau Gemahlin lebhaft zugestimmt. Sie machten<lb/> einen sehr mäßigen Pfingstausflug, um den Blumenflor für die würdige Feier<lb/> des Kronjubiläums in ihrem uneudlichsilbigen Neste aus Lipto-Szene-Miklosz<lb/> zu besorgen. Eine polnische Freundin der schönen Olinka, wahrscheinlich frisch<lb/> mitgebracht aus der Pension in Lausanne, freute sich sehr darauf, bei dieser<lb/> Gelegenheit einen echten Czardas tanzen zu sehen. Die Vielsprachigkeit dieser<lb/> jungen Damen war fast so sinnverwirrend als Olinkas „taufrische" Schönheit.<lb/> Ungarisch, deutsch, französisch, polnisch schwirrte es durch einander, am Ende<lb/> — es fällt mir nachträglich ein — hätte nach alter Ungarmnode auch La¬<lb/> teinisch in dem Konzert nicht gefehlt. „Ich habe gemeint, man spräche in<lb/> Ungarn nur ungarisch!" Diese kleinlaute Bemerkung, eine „verdichtete" Er¬<lb/> fahrung aus einem frühern Aufenthalt in Budapest, war mir entschlüpft und<lb/> hatte mir einen zornigen Blitz aus Olinkas sonst kiuderhaft guten, schwarzen<lb/> Augen zugezogen. Ich hatte es von diesem Augenblick an mit ihrer schönen<lb/> Ungnrnseele verdorben. Es ist eine gute Sache um das Nationalgefühl, aber<lb/> es erstickt in unsern Tagen die behaglichsten Gemeingefühle und verdirbt die<lb/> besten Reisebekanntschaften.</p><lb/> <p xml:id="ID_907" next="#ID_908"> So kam es, daß die so freundlich am Horizont der Tatra aufgetauchte<lb/> Nationalitütserscheinnng verschwand, ohne mir sei es auf deutsch, polnisch,<lb/> französisch oder gar ans ungarisch Adieu zu sagen. Nur die Polin flüsterte<lb/> nach der verbindlichen Weise ihres Stammes ihr graziöses ^.u revoir. Wir<lb/> gerieten, wie angekündigt, allzubald in den dichtesten Tatrauebel und haben<lb/> von da an nur noch Zigeuner und Slowaken, höchstens noch fluchende Kutscher</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0283]
Pamionische Bilder
Macht, Weiber und Kinder. Jetzt wohnt der Uhu drinnen und die wilde
Katze. Es ist mancher Schatz da vergrabe«? von den Römerzeiten her." Er
zeigte mir wirklich eine römische Kaisermünze aus Gold, die er als Berloque
an der dicken Uhrkette trug. „Die Hirten haben viel dergleichen und verkaufen
es für ein paar Kreuzer. Es ist ein gedüngter Boden, Blut und Gold und
Gold und Blut! Das giebt ein feines Salz, das das Vieh fett macht. Uugar-
vieh hat ein besondres Futter."
Der Fluß, den man in allen Gestalten kennen lernt als majestätischen
Ebnenstrom, als lieblichen Thalfluß mit snuftgerundeten Krümmungen und
buschigen Hängen, als wilden Bergstürzer, der die Ketten der Vergzüge durch¬
bricht und unter schwindelnden Brücken unter uns vorüberschießt, er teilt sich
und verliert sich in armbreite Gebirgsquellen. Immer höher und kälter, wird
es, die Lokomotive schleppt pustend und keuchend. Wir sind im Gebiete der
hohen Tatra angelangt.
„Noch etwas früh!" hatte die schöne Olinka, unsre leider nur allzu
flüchtige, aber auserwählte Vertreterin der berufnen Ungarinuenschvuheit, aus¬
gerufen, als wir unser Reiseziel, die Tatrabüder, genannt hatten; und ihr
Onkel, der Advokat ans einem Neste mit unendlichsilbigem Namen, hatte mit
seiner sprech- und lachlustiger Frau Gemahlin lebhaft zugestimmt. Sie machten
einen sehr mäßigen Pfingstausflug, um den Blumenflor für die würdige Feier
des Kronjubiläums in ihrem uneudlichsilbigen Neste aus Lipto-Szene-Miklosz
zu besorgen. Eine polnische Freundin der schönen Olinka, wahrscheinlich frisch
mitgebracht aus der Pension in Lausanne, freute sich sehr darauf, bei dieser
Gelegenheit einen echten Czardas tanzen zu sehen. Die Vielsprachigkeit dieser
jungen Damen war fast so sinnverwirrend als Olinkas „taufrische" Schönheit.
Ungarisch, deutsch, französisch, polnisch schwirrte es durch einander, am Ende
— es fällt mir nachträglich ein — hätte nach alter Ungarmnode auch La¬
teinisch in dem Konzert nicht gefehlt. „Ich habe gemeint, man spräche in
Ungarn nur ungarisch!" Diese kleinlaute Bemerkung, eine „verdichtete" Er¬
fahrung aus einem frühern Aufenthalt in Budapest, war mir entschlüpft und
hatte mir einen zornigen Blitz aus Olinkas sonst kiuderhaft guten, schwarzen
Augen zugezogen. Ich hatte es von diesem Augenblick an mit ihrer schönen
Ungnrnseele verdorben. Es ist eine gute Sache um das Nationalgefühl, aber
es erstickt in unsern Tagen die behaglichsten Gemeingefühle und verdirbt die
besten Reisebekanntschaften.
So kam es, daß die so freundlich am Horizont der Tatra aufgetauchte
Nationalitütserscheinnng verschwand, ohne mir sei es auf deutsch, polnisch,
französisch oder gar ans ungarisch Adieu zu sagen. Nur die Polin flüsterte
nach der verbindlichen Weise ihres Stammes ihr graziöses ^.u revoir. Wir
gerieten, wie angekündigt, allzubald in den dichtesten Tatrauebel und haben
von da an nur noch Zigeuner und Slowaken, höchstens noch fluchende Kutscher
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