Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Bischof Walter trennen. Er wurde zum Generalsuperintendenten ernannt und später vom Was er befürchtet hatte, traf ein. Er kam aus den Konflikten nicht Bischof Walter trennen. Er wurde zum Generalsuperintendenten ernannt und später vom Was er befürchtet hatte, traf ein. Er kam aus den Konflikten nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0271" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212747"/> <fw type="header" place="top"> Bischof Walter</fw><lb/> <p xml:id="ID_878" prev="#ID_877"> trennen. Er wurde zum Generalsuperintendenten ernannt und später vom<lb/> Kaiser mit dem Bischoftitel ausgezeichnet. Aus einigen der mitgeteilten Briefe<lb/> an ihn ersehen wir, daß der Generalsuperintendcnt „Magnifizenz," der Bischof<lb/> „Eminenz" angeredet wird. Ans Leibeskräften hatte er sich gegen diese Be¬<lb/> förderung gesträubt, in einem Schreiben an den Präsidenten des Konsistoriums<lb/> sieben Grunde für seine Ablehnung angeführt. Ich verstehe mich nicht muss<lb/> stille halten, lautet Nummer 8, „und ergreife ich nun die Opposition, so<lb/> wird es heißen: er will mit dem Kopf durch die Wand, und die Ritterschaft<lb/> folgt nicht nach, und von den Amtsbrüdern würde ich dann die besten mit<lb/> mir begraben. 4. Ich bin dem scharfen Luthertum unsrer Tage ebenso<lb/> abhold, wie es mir abhold ist. 5. Als Prediger, Seelsorger und oppo-<lb/> nirender kirchlicher Wühler bin ich erprobt und habe durch Gottes Gnade Probe<lb/> gehalten; es fragt sich sehr, ob ich als Regens Probe hielte. Opponiren ist<lb/> leichter als besser machen. 6. Ich bin alt und zu arm, um abzutreten;<lb/> zu verfressen für mich und die Meinen, um abzutreten und zu hungern; zu<lb/> gewissenhaft, um zu bleiben, auf daß ich nicht hungre mit den Meinen, und<lb/> zu stolz, um dann Ininj ein Almosen zu bitten. Darf ich daher in eine solche<lb/> Lage selbst mich begeben? 7. Meine Söhne müssen erzogen und meine Witwe<lb/> versorgt werden. Das bietet mir Wolmar, Riga nicht."</p><lb/> <p xml:id="ID_879" next="#ID_880"> Was er befürchtet hatte, traf ein. Er kam aus den Konflikten nicht<lb/> heraus, und die letzte seiner fünf Landtagspredigten wurde so übel genommen,<lb/> daß er sich 1864 gezwungen sah, seinen Abschied zu erbitten. Zu hungern<lb/> brauchte er freilich nicht. Der Kaiser, der ihm wie sein Vater Nikolaus ge¬<lb/> wogen war, bewilligte ihm aus Gnaden eine Pension. Überhaupt fehlte es<lb/> ihm uicht an Freunden bei Hofe. Die vornehme Welt Petersburgs trug ihn<lb/> ans den Händen, so oft er dort weilte, und stürmte die Kirchen, in denen er<lb/> predigte; seine besondern Gönnerinnen, mit deren Hilfe so manches durch¬<lb/> gesetzt wurde, wnreu die Großfürstin Helene und deren Hofdame, die Baronesse<lb/> Editha Reisten. Also materiell war der Schlag zu ertragen, aber tiefe De¬<lb/> mütigungen und herbe Enttäuschungen hatte sein ehrliches, stolzes, edler Ent¬<lb/> würfe und schöner Hoffnungen volles Herz zu erdulden. Jede Furcht, sagt<lb/> der Verfasser, „und jede persönliche Rücksicht war ihm von jeher verächtlich<lb/> gewesen. Er war gewohnt, in seiner Heimat das Beispiel der Gesinnungs-<lb/> sestigkeit und des Mutes in jeder Gefahr zu geben. Nun mußte er selbst den<lb/> Schein auf sich nehmen, einer Konsequenz aus dem Wege gegangen zu sein,<lb/> er mußte dem Unrecht einen Schein des Rechtes zugestehn, der weit über seine<lb/> Person Hinansgreifen sollte. Er mußte sein Gesuch um den Abschied formell<lb/> auf Gründe stützen, welche für ihn nicht die bestimmenden waren, und durch<lb/> ein thörichtes, undurchführbares Verschweigen der wahren Sachlage die Ur¬<lb/> teile und Erwartungen in die Irre leiten. Den Forderungen der Selbst¬<lb/> verleugnung war er freilich gewachsen, so lästig sie ihn im einzelnen auch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0271]
Bischof Walter
trennen. Er wurde zum Generalsuperintendenten ernannt und später vom
Kaiser mit dem Bischoftitel ausgezeichnet. Aus einigen der mitgeteilten Briefe
an ihn ersehen wir, daß der Generalsuperintendcnt „Magnifizenz," der Bischof
„Eminenz" angeredet wird. Ans Leibeskräften hatte er sich gegen diese Be¬
förderung gesträubt, in einem Schreiben an den Präsidenten des Konsistoriums
sieben Grunde für seine Ablehnung angeführt. Ich verstehe mich nicht muss
stille halten, lautet Nummer 8, „und ergreife ich nun die Opposition, so
wird es heißen: er will mit dem Kopf durch die Wand, und die Ritterschaft
folgt nicht nach, und von den Amtsbrüdern würde ich dann die besten mit
mir begraben. 4. Ich bin dem scharfen Luthertum unsrer Tage ebenso
abhold, wie es mir abhold ist. 5. Als Prediger, Seelsorger und oppo-
nirender kirchlicher Wühler bin ich erprobt und habe durch Gottes Gnade Probe
gehalten; es fragt sich sehr, ob ich als Regens Probe hielte. Opponiren ist
leichter als besser machen. 6. Ich bin alt und zu arm, um abzutreten;
zu verfressen für mich und die Meinen, um abzutreten und zu hungern; zu
gewissenhaft, um zu bleiben, auf daß ich nicht hungre mit den Meinen, und
zu stolz, um dann Ininj ein Almosen zu bitten. Darf ich daher in eine solche
Lage selbst mich begeben? 7. Meine Söhne müssen erzogen und meine Witwe
versorgt werden. Das bietet mir Wolmar, Riga nicht."
Was er befürchtet hatte, traf ein. Er kam aus den Konflikten nicht
heraus, und die letzte seiner fünf Landtagspredigten wurde so übel genommen,
daß er sich 1864 gezwungen sah, seinen Abschied zu erbitten. Zu hungern
brauchte er freilich nicht. Der Kaiser, der ihm wie sein Vater Nikolaus ge¬
wogen war, bewilligte ihm aus Gnaden eine Pension. Überhaupt fehlte es
ihm uicht an Freunden bei Hofe. Die vornehme Welt Petersburgs trug ihn
ans den Händen, so oft er dort weilte, und stürmte die Kirchen, in denen er
predigte; seine besondern Gönnerinnen, mit deren Hilfe so manches durch¬
gesetzt wurde, wnreu die Großfürstin Helene und deren Hofdame, die Baronesse
Editha Reisten. Also materiell war der Schlag zu ertragen, aber tiefe De¬
mütigungen und herbe Enttäuschungen hatte sein ehrliches, stolzes, edler Ent¬
würfe und schöner Hoffnungen volles Herz zu erdulden. Jede Furcht, sagt
der Verfasser, „und jede persönliche Rücksicht war ihm von jeher verächtlich
gewesen. Er war gewohnt, in seiner Heimat das Beispiel der Gesinnungs-
sestigkeit und des Mutes in jeder Gefahr zu geben. Nun mußte er selbst den
Schein auf sich nehmen, einer Konsequenz aus dem Wege gegangen zu sein,
er mußte dem Unrecht einen Schein des Rechtes zugestehn, der weit über seine
Person Hinansgreifen sollte. Er mußte sein Gesuch um den Abschied formell
auf Gründe stützen, welche für ihn nicht die bestimmenden waren, und durch
ein thörichtes, undurchführbares Verschweigen der wahren Sachlage die Ur¬
teile und Erwartungen in die Irre leiten. Den Forderungen der Selbst¬
verleugnung war er freilich gewachsen, so lästig sie ihn im einzelnen auch
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