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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Lenin Pascha und die deutsche Rolonialpolitik

zum Kongo gehören, ein Wort mitzusprechei? hätte. Die ersten fünf Berge
gehören zu Mpororo, dessen übrigens ganz machtlose "Königin" mit dem
"größten Teil" ihres Gebiets ihrem nördlichen Nachbarstaat Ankvri tribut¬
pflichtig ist; der Name Mpürvro kann mithin keinen stichhaltigen Grund für
eine Ausdehnung des britischen Interesses abgeben. Der sechste Berg aber
gehört schon zu Ruanda, einer sicherlich vollständig deutschen oder höchstens
und zu einem kleinen Teile kongostaatlichen Landschaft. Nach dem Abkommen
von 1890 sollte die englisch-deutsche Grenzlinie, nachdem sie den Mfumbiro-
berg umgangen hätte, wieder zu dem vorher bezeichneten Endpunkte zurück¬
kehren, also zu einem Punkte, nämlich dem, wo das deutsche Gebiet und das
des Kongostaats am ersten Parallelkreis südlicher Breite auf einander treffen
würden. Demnach sollten sich am ersten Parallelkreis die beiden genannten
Staaten berühren. Es kommt auch in Betracht, daß Deutschland, als der
erste am Platze, gerade in diesem Winkel zuerst seine Flagge aufgerollt hat
und damit den ihm gebührenden südlichen Besitz ebenso thatsächlich über¬
nommen hat, wie etwa Kapitän Lugard den nördlichen Anteil durch seine
im Auftrage der britisch-ostafrikanischen Gesellschaft ausgeführten Durchzüge.
Stanley hatte seinerzeit seine Forderungen auf seinen schnellen Marsch durch
Ankori gestützt. Was ulltzeu uns alle schönen Auseinandersetzungen über
die Notwendigkeit, die deutsche Kolonialpolitik immer noch unter dem Ge¬
sichtspunkte der "Konquistci" zu betrachten, wenn sie nicht in der Praxis an¬
gewendet werden? Hier, wo sich einmal eine Stelle mit streitigein Besitzrecht
findet, haben wir das unleugbare Recht des ersten Ankömmlings und des
damit so ixso zugreifenden für uns; die deutsche Regierung hat die Expedition
Emins auf ihre Kosten zur Wahrung ihrer Interessen und ihres Nutzens aus¬
gerüstet und abgeschickt.

Auch die Expedition Emins und Stuhlmauns hat wieder gezeigt, daß
das deutsche Nordwestafrika ein wertvoller Teil unsers ostafrikanischen Gesamt¬
besitzes zu werden verspricht. In einer fernern Zukunft wird sich diese weide-,
Wald- und wasserreiche, abwechselnd gebirgige und ebne Gegend unter Auf¬
sicht europäischer Leiter durch deu Anbau und die Viehzucht der Eingebornen
ausnutzen lassen. Eine nähere Bedeutung kommt ihr für den Handel zu, der
hier von jeher einen seiner Sitze aufgeschlagen hatte; Karagwe hat zwischen
den Negerstümmen immer eine Vermittlerrolle, die Rolle eines Zwischenhändlers
gespielt. Emin schlug deshalb vor, daß die deutsch-ostafrikanische Gesellschaft
in Bukoba eine Faktorei begründen möchte. Stuhlmaun bemerkt, daß der
Kagernfluß, vielleicht der am weitsten nach Süden reichende Nilquellfluß, nach
der Aussage der Eingebornen der Schiffahrt von Kevinjo, 1" lZ' südlicher
Breite, bis zum Nhansa keine Hemmnisse bereiten solle. Wenn der Kara¬
wanen- und Tauschhandel in diesen Gegenden jetzt darniederliegt, so muß man
die Heimsuchungen und die Unsicherheit bedenken, die die Raubzüge der Araber


Lenin Pascha und die deutsche Rolonialpolitik

zum Kongo gehören, ein Wort mitzusprechei? hätte. Die ersten fünf Berge
gehören zu Mpororo, dessen übrigens ganz machtlose „Königin" mit dem
„größten Teil" ihres Gebiets ihrem nördlichen Nachbarstaat Ankvri tribut¬
pflichtig ist; der Name Mpürvro kann mithin keinen stichhaltigen Grund für
eine Ausdehnung des britischen Interesses abgeben. Der sechste Berg aber
gehört schon zu Ruanda, einer sicherlich vollständig deutschen oder höchstens
und zu einem kleinen Teile kongostaatlichen Landschaft. Nach dem Abkommen
von 1890 sollte die englisch-deutsche Grenzlinie, nachdem sie den Mfumbiro-
berg umgangen hätte, wieder zu dem vorher bezeichneten Endpunkte zurück¬
kehren, also zu einem Punkte, nämlich dem, wo das deutsche Gebiet und das
des Kongostaats am ersten Parallelkreis südlicher Breite auf einander treffen
würden. Demnach sollten sich am ersten Parallelkreis die beiden genannten
Staaten berühren. Es kommt auch in Betracht, daß Deutschland, als der
erste am Platze, gerade in diesem Winkel zuerst seine Flagge aufgerollt hat
und damit den ihm gebührenden südlichen Besitz ebenso thatsächlich über¬
nommen hat, wie etwa Kapitän Lugard den nördlichen Anteil durch seine
im Auftrage der britisch-ostafrikanischen Gesellschaft ausgeführten Durchzüge.
Stanley hatte seinerzeit seine Forderungen auf seinen schnellen Marsch durch
Ankori gestützt. Was ulltzeu uns alle schönen Auseinandersetzungen über
die Notwendigkeit, die deutsche Kolonialpolitik immer noch unter dem Ge¬
sichtspunkte der „Konquistci" zu betrachten, wenn sie nicht in der Praxis an¬
gewendet werden? Hier, wo sich einmal eine Stelle mit streitigein Besitzrecht
findet, haben wir das unleugbare Recht des ersten Ankömmlings und des
damit so ixso zugreifenden für uns; die deutsche Regierung hat die Expedition
Emins auf ihre Kosten zur Wahrung ihrer Interessen und ihres Nutzens aus¬
gerüstet und abgeschickt.

Auch die Expedition Emins und Stuhlmauns hat wieder gezeigt, daß
das deutsche Nordwestafrika ein wertvoller Teil unsers ostafrikanischen Gesamt¬
besitzes zu werden verspricht. In einer fernern Zukunft wird sich diese weide-,
Wald- und wasserreiche, abwechselnd gebirgige und ebne Gegend unter Auf¬
sicht europäischer Leiter durch deu Anbau und die Viehzucht der Eingebornen
ausnutzen lassen. Eine nähere Bedeutung kommt ihr für den Handel zu, der
hier von jeher einen seiner Sitze aufgeschlagen hatte; Karagwe hat zwischen
den Negerstümmen immer eine Vermittlerrolle, die Rolle eines Zwischenhändlers
gespielt. Emin schlug deshalb vor, daß die deutsch-ostafrikanische Gesellschaft
in Bukoba eine Faktorei begründen möchte. Stuhlmaun bemerkt, daß der
Kagernfluß, vielleicht der am weitsten nach Süden reichende Nilquellfluß, nach
der Aussage der Eingebornen der Schiffahrt von Kevinjo, 1" lZ' südlicher
Breite, bis zum Nhansa keine Hemmnisse bereiten solle. Wenn der Kara¬
wanen- und Tauschhandel in diesen Gegenden jetzt darniederliegt, so muß man
die Heimsuchungen und die Unsicherheit bedenken, die die Raubzüge der Araber


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[0254] Lenin Pascha und die deutsche Rolonialpolitik zum Kongo gehören, ein Wort mitzusprechei? hätte. Die ersten fünf Berge gehören zu Mpororo, dessen übrigens ganz machtlose „Königin" mit dem „größten Teil" ihres Gebiets ihrem nördlichen Nachbarstaat Ankvri tribut¬ pflichtig ist; der Name Mpürvro kann mithin keinen stichhaltigen Grund für eine Ausdehnung des britischen Interesses abgeben. Der sechste Berg aber gehört schon zu Ruanda, einer sicherlich vollständig deutschen oder höchstens und zu einem kleinen Teile kongostaatlichen Landschaft. Nach dem Abkommen von 1890 sollte die englisch-deutsche Grenzlinie, nachdem sie den Mfumbiro- berg umgangen hätte, wieder zu dem vorher bezeichneten Endpunkte zurück¬ kehren, also zu einem Punkte, nämlich dem, wo das deutsche Gebiet und das des Kongostaats am ersten Parallelkreis südlicher Breite auf einander treffen würden. Demnach sollten sich am ersten Parallelkreis die beiden genannten Staaten berühren. Es kommt auch in Betracht, daß Deutschland, als der erste am Platze, gerade in diesem Winkel zuerst seine Flagge aufgerollt hat und damit den ihm gebührenden südlichen Besitz ebenso thatsächlich über¬ nommen hat, wie etwa Kapitän Lugard den nördlichen Anteil durch seine im Auftrage der britisch-ostafrikanischen Gesellschaft ausgeführten Durchzüge. Stanley hatte seinerzeit seine Forderungen auf seinen schnellen Marsch durch Ankori gestützt. Was ulltzeu uns alle schönen Auseinandersetzungen über die Notwendigkeit, die deutsche Kolonialpolitik immer noch unter dem Ge¬ sichtspunkte der „Konquistci" zu betrachten, wenn sie nicht in der Praxis an¬ gewendet werden? Hier, wo sich einmal eine Stelle mit streitigein Besitzrecht findet, haben wir das unleugbare Recht des ersten Ankömmlings und des damit so ixso zugreifenden für uns; die deutsche Regierung hat die Expedition Emins auf ihre Kosten zur Wahrung ihrer Interessen und ihres Nutzens aus¬ gerüstet und abgeschickt. Auch die Expedition Emins und Stuhlmauns hat wieder gezeigt, daß das deutsche Nordwestafrika ein wertvoller Teil unsers ostafrikanischen Gesamt¬ besitzes zu werden verspricht. In einer fernern Zukunft wird sich diese weide-, Wald- und wasserreiche, abwechselnd gebirgige und ebne Gegend unter Auf¬ sicht europäischer Leiter durch deu Anbau und die Viehzucht der Eingebornen ausnutzen lassen. Eine nähere Bedeutung kommt ihr für den Handel zu, der hier von jeher einen seiner Sitze aufgeschlagen hatte; Karagwe hat zwischen den Negerstümmen immer eine Vermittlerrolle, die Rolle eines Zwischenhändlers gespielt. Emin schlug deshalb vor, daß die deutsch-ostafrikanische Gesellschaft in Bukoba eine Faktorei begründen möchte. Stuhlmaun bemerkt, daß der Kagernfluß, vielleicht der am weitsten nach Süden reichende Nilquellfluß, nach der Aussage der Eingebornen der Schiffahrt von Kevinjo, 1" lZ' südlicher Breite, bis zum Nhansa keine Hemmnisse bereiten solle. Wenn der Kara¬ wanen- und Tauschhandel in diesen Gegenden jetzt darniederliegt, so muß man die Heimsuchungen und die Unsicherheit bedenken, die die Raubzüge der Araber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/254>, abgerufen am 09.01.2025.