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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Urmenschen in Nassen anzunehmen. Dieses braucht nicht als plötzlich wirkend
gedacht zu werden, sondern Gott kann es so gefügt haben, daß natürliche
Ursachen die erforderlichen anatomischen und physiologischen Veränderungen
allmählich hervorbrachten. In einer kalten Gegend kann man sich den Ur¬
menschen nicht gut denken, weil für Wesen mit nackter, zarter Haut schon eine
gewisse Summe von Erfahrungen und erworbnen Fertigkeiten dazu gehört,
einen nordischen Winter lebendig zu überstehen, besonders da die menschliche
Kindheit so lange dauert. Man wird daher annehmen müssen, daß Adam in
einem milden Klima entweder als Arier erschaffen worden ist, daß aber nur
die von seinen Nachkommen, die nordwärts zogen, die Merkmale der arischen
Nasse festhielten und weiter entwickelten, oder daß er ein brauner Mensch von
einer weniger edeln Bildung war, und daß die Veredlung eines Zweiges seiner
Nachkommenschaft teils auf asiatischen Gebirgen, teils in Enropa vor sich ge¬
gangen ist. Glaubt man an die Darwinische Hypothese, so nimmt man als
Stammväter des Menschengeschlechts ein Geschlecht geschwänzter Baumtiere an,
das sich in die Gattungen der Vierhänder und der ungeschwänzten Zwcihänder
verzweigte. Die Menschenrassen können dann eine aus der andern oder sämtlich
unmittelbar aus verschiednen Arten der zweihändigen Alalen entsprungen sein.
Malen: Menschen ohne menschliche Sprache, nennt Häckel unsre unmittelbaren
Vorfahren.) Nimmt man das letztere an und zugleich, daß die Arier in
Nordeuropa entstanden seien, so müßte ein Zweig der Alalen, ehe sie sich zu
vollkommnen Menschen entwickelten, nach Nordeuropa gewandert sein. Da
aber die Affen nur im heißesten Klima fortkommen und gegen Kälte sehr em¬
pfindlich sind, so ist anzunehmen, daß ihre von denselben Vätern abstammenden,
also auch in derselben Heimat entstandnen Brüder ebenfalls für ein Tropen-
klima organisirt gewesen sein mögen. Demnach ist es wahrscheinlich, daß nicht
eine vormenschliche dem Affcngeschlecht näher stehende Art von Wesen im Norden
die Stammväter der Arier abgegeben haben, sondern daß es wirkliche vollendete
Menschen gewesen seien, deren Fähigkeit, sich allen Arten von Klima anzu¬
passen, ja bekanntlich die aller Tierarten übertrifft. Der Ausdruck: Ursprung
der Arier in Nordeurvpci, würde also den Sinn haben, daß sich dieser edelste
Menschenschlag hier aus einem unedlem, entweder aus einem der noch jetzt
lebenden oder aus einem längst ausgestorbnen, entwickelt habe. Ehe nicht in
dieser Weise festgestellt wird, was man mit dem Ursprünge der Arier meint
-^und das wäre eben nur auf dem Wege eines willkürlichen, also ganz unwissen¬
schaftlichen Übereinkommens möglich --, scheint uns die Frage nach deren
Urheimat gar keinen Sinn zu haben.




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Urmenschen in Nassen anzunehmen. Dieses braucht nicht als plötzlich wirkend
gedacht zu werden, sondern Gott kann es so gefügt haben, daß natürliche
Ursachen die erforderlichen anatomischen und physiologischen Veränderungen
allmählich hervorbrachten. In einer kalten Gegend kann man sich den Ur¬
menschen nicht gut denken, weil für Wesen mit nackter, zarter Haut schon eine
gewisse Summe von Erfahrungen und erworbnen Fertigkeiten dazu gehört,
einen nordischen Winter lebendig zu überstehen, besonders da die menschliche
Kindheit so lange dauert. Man wird daher annehmen müssen, daß Adam in
einem milden Klima entweder als Arier erschaffen worden ist, daß aber nur
die von seinen Nachkommen, die nordwärts zogen, die Merkmale der arischen
Nasse festhielten und weiter entwickelten, oder daß er ein brauner Mensch von
einer weniger edeln Bildung war, und daß die Veredlung eines Zweiges seiner
Nachkommenschaft teils auf asiatischen Gebirgen, teils in Enropa vor sich ge¬
gangen ist. Glaubt man an die Darwinische Hypothese, so nimmt man als
Stammväter des Menschengeschlechts ein Geschlecht geschwänzter Baumtiere an,
das sich in die Gattungen der Vierhänder und der ungeschwänzten Zwcihänder
verzweigte. Die Menschenrassen können dann eine aus der andern oder sämtlich
unmittelbar aus verschiednen Arten der zweihändigen Alalen entsprungen sein.
Malen: Menschen ohne menschliche Sprache, nennt Häckel unsre unmittelbaren
Vorfahren.) Nimmt man das letztere an und zugleich, daß die Arier in
Nordeuropa entstanden seien, so müßte ein Zweig der Alalen, ehe sie sich zu
vollkommnen Menschen entwickelten, nach Nordeuropa gewandert sein. Da
aber die Affen nur im heißesten Klima fortkommen und gegen Kälte sehr em¬
pfindlich sind, so ist anzunehmen, daß ihre von denselben Vätern abstammenden,
also auch in derselben Heimat entstandnen Brüder ebenfalls für ein Tropen-
klima organisirt gewesen sein mögen. Demnach ist es wahrscheinlich, daß nicht
eine vormenschliche dem Affcngeschlecht näher stehende Art von Wesen im Norden
die Stammväter der Arier abgegeben haben, sondern daß es wirkliche vollendete
Menschen gewesen seien, deren Fähigkeit, sich allen Arten von Klima anzu¬
passen, ja bekanntlich die aller Tierarten übertrifft. Der Ausdruck: Ursprung
der Arier in Nordeurvpci, würde also den Sinn haben, daß sich dieser edelste
Menschenschlag hier aus einem unedlem, entweder aus einem der noch jetzt
lebenden oder aus einem längst ausgestorbnen, entwickelt habe. Ehe nicht in
dieser Weise festgestellt wird, was man mit dem Ursprünge der Arier meint
-^und das wäre eben nur auf dem Wege eines willkürlichen, also ganz unwissen¬
schaftlichen Übereinkommens möglich —, scheint uns die Frage nach deren
Urheimat gar keinen Sinn zu haben.




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[0230] Tniskolcmd Urmenschen in Nassen anzunehmen. Dieses braucht nicht als plötzlich wirkend gedacht zu werden, sondern Gott kann es so gefügt haben, daß natürliche Ursachen die erforderlichen anatomischen und physiologischen Veränderungen allmählich hervorbrachten. In einer kalten Gegend kann man sich den Ur¬ menschen nicht gut denken, weil für Wesen mit nackter, zarter Haut schon eine gewisse Summe von Erfahrungen und erworbnen Fertigkeiten dazu gehört, einen nordischen Winter lebendig zu überstehen, besonders da die menschliche Kindheit so lange dauert. Man wird daher annehmen müssen, daß Adam in einem milden Klima entweder als Arier erschaffen worden ist, daß aber nur die von seinen Nachkommen, die nordwärts zogen, die Merkmale der arischen Nasse festhielten und weiter entwickelten, oder daß er ein brauner Mensch von einer weniger edeln Bildung war, und daß die Veredlung eines Zweiges seiner Nachkommenschaft teils auf asiatischen Gebirgen, teils in Enropa vor sich ge¬ gangen ist. Glaubt man an die Darwinische Hypothese, so nimmt man als Stammväter des Menschengeschlechts ein Geschlecht geschwänzter Baumtiere an, das sich in die Gattungen der Vierhänder und der ungeschwänzten Zwcihänder verzweigte. Die Menschenrassen können dann eine aus der andern oder sämtlich unmittelbar aus verschiednen Arten der zweihändigen Alalen entsprungen sein. Malen: Menschen ohne menschliche Sprache, nennt Häckel unsre unmittelbaren Vorfahren.) Nimmt man das letztere an und zugleich, daß die Arier in Nordeuropa entstanden seien, so müßte ein Zweig der Alalen, ehe sie sich zu vollkommnen Menschen entwickelten, nach Nordeuropa gewandert sein. Da aber die Affen nur im heißesten Klima fortkommen und gegen Kälte sehr em¬ pfindlich sind, so ist anzunehmen, daß ihre von denselben Vätern abstammenden, also auch in derselben Heimat entstandnen Brüder ebenfalls für ein Tropen- klima organisirt gewesen sein mögen. Demnach ist es wahrscheinlich, daß nicht eine vormenschliche dem Affcngeschlecht näher stehende Art von Wesen im Norden die Stammväter der Arier abgegeben haben, sondern daß es wirkliche vollendete Menschen gewesen seien, deren Fähigkeit, sich allen Arten von Klima anzu¬ passen, ja bekanntlich die aller Tierarten übertrifft. Der Ausdruck: Ursprung der Arier in Nordeurvpci, würde also den Sinn haben, daß sich dieser edelste Menschenschlag hier aus einem unedlem, entweder aus einem der noch jetzt lebenden oder aus einem längst ausgestorbnen, entwickelt habe. Ehe nicht in dieser Weise festgestellt wird, was man mit dem Ursprünge der Arier meint -^und das wäre eben nur auf dem Wege eines willkürlichen, also ganz unwissen¬ schaftlichen Übereinkommens möglich —, scheint uns die Frage nach deren Urheimat gar keinen Sinn zu haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/230>, abgerufen am 06.01.2025.