Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Soldatenmißhandlmigen diese Forderung auch heute "och uicht ganz erfüllt wird, ist unbestreitbar. Noch bis in die fünfziger Jahre unsers Jahrhunderts machte man z. B. Soldatenmißhandlmigen diese Forderung auch heute »och uicht ganz erfüllt wird, ist unbestreitbar. Noch bis in die fünfziger Jahre unsers Jahrhunderts machte man z. B. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0020" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212496"/> <fw type="header" place="top"> Soldatenmißhandlmigen</fw><lb/> <p xml:id="ID_32" prev="#ID_31"> diese Forderung auch heute »och uicht ganz erfüllt wird, ist unbestreitbar.<lb/> Daß es aber mit der Behandlung wesentlich besser geworden ist, steht ebenso<lb/> fest. Diese Besserung hängt einmal mit der bessern und mildern Gesetzgebung<lb/> zusammen, die körperliche Strafen überhaupt aus dem Militärstrafgesetzbuche<lb/> verbannt und körperliche Mißhandlung Untergebner mit Strafe und zwar zum<lb/> Teil mit äußerst strenger Strafe ahndet; aber auch unsre verbesserte Erziehungs¬<lb/> art in der Schule und unsre veränderte Ausbildungsart im Heere hat einen<lb/> wesentlichen Anteil um dieser Besserung. Und mit den Fortschritten, die die<lb/> neuere Ausbildungsart noch machen wird, mit dem größern Verständnis dafür<lb/> wird die Behandlung immer besser, die Mißhandlung immer seltner werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_33" next="#ID_34"> Noch bis in die fünfziger Jahre unsers Jahrhunderts machte man z. B.<lb/> von den Turnübungen in manchen Heeresteilen gar keinen Gebrauch. Mau<lb/> sah sie als Spielerei, ja als politisch gefährliches und deshalb mit allen mili¬<lb/> tärische!? Übungen durchaus unverträgliches Treiben an. So wurde der Rekrut<lb/> vom Pfluge oder vou der Hobelbank weg unmittelbar in die vorschriftsmäßige<lb/> militärische Haltung eingezwängt. Wie der (leider zu früh verstorbne) Major<lb/> von Plönnies in seinem „General Leberecht Freiherr von Knopf" sehr richtig sagt:<lb/> man suchte dem Soldaten seine natürlichen Gehbeine möglichst rasch durch el»<lb/> pnnr militärische Marschierbeiue zu ersetzen. Die Handhabung der Waffe, na¬<lb/> mentlich des Schießgewehrs, suchte mehr ihren Erfolg und ihr Ziel im Klipp¬<lb/> klapp der Griffe, als in den Treffern am Ziele. Müssige Leute hatten aus<lb/> der Zahl der Verwundeten in den Kriegen zu Anfang des Jahrhunderts heraus¬<lb/> gerechnet, daß mau das Gewicht eines Mannes an Blei verschießen müsse,<lb/> um einen Mann außer Gefecht zu setzen. Die Reiterpistole erachtete mau als<lb/> sehr nützlich, um im Falle der Not einen Signalschuß abzugeben; wolle mau<lb/> sich aber den Gegner vom Leibe halte», so sei es zweckmüßiger, ihm die Pistole<lb/> an den Kopf zu werfen, als nach ihm zu schießen. Der Säbel diente auch<lb/> mehr zum Griffemachen und zum Paradire», als zum Fechte». Beim Reit-<lb/> uuterricht erachtete ma» es für zweckmäßig, wenn der Reiter erst einigemale<lb/> vom Pferde gefallen wäre; de»» ohne Herunterfallen erlerne niemand das<lb/> Reiten. Daß bei solchen Grnndsütze» den Rekruten die ersten Monate ihrer<lb/> Dienstzeit zu einem wahren Fegefeuer werden mußten, liegt ans der Hand,<lb/> ebenso, daß die Vorgesetzten im Diensteifer und in dem steten Anschauen der<lb/> Ungeschicklichkeiten der Leute die Geduld verloren u»d drei»schlugen, wo es<lb/> nicht schnell genng vorwärtsging. Da kamen die neuen gezognen, also besser<lb/> treffenden Waffe». Die Einführung der Hinterladung mit Eiuheitspatroue<lb/> verminderte die Zahl der Gewehrgriffe, die mit der alten glatten Muskete<lb/> mit dem Feuerschloß etwa sechsundzwanzig betrug, dann bei Einführung der<lb/> Muskete mit dem Zündhütchen-(Perkussivns-)Schloß auf etwa vierzehn hcrab-<lb/> gi»g, immer mehr, sodaß man hente, wo wir Mehrlader führe», die in zwei<lb/> Griffen schußfertig sind, und wo die eigentlichen Exerzirgriffe auch noch ver-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
Soldatenmißhandlmigen
diese Forderung auch heute »och uicht ganz erfüllt wird, ist unbestreitbar.
Daß es aber mit der Behandlung wesentlich besser geworden ist, steht ebenso
fest. Diese Besserung hängt einmal mit der bessern und mildern Gesetzgebung
zusammen, die körperliche Strafen überhaupt aus dem Militärstrafgesetzbuche
verbannt und körperliche Mißhandlung Untergebner mit Strafe und zwar zum
Teil mit äußerst strenger Strafe ahndet; aber auch unsre verbesserte Erziehungs¬
art in der Schule und unsre veränderte Ausbildungsart im Heere hat einen
wesentlichen Anteil um dieser Besserung. Und mit den Fortschritten, die die
neuere Ausbildungsart noch machen wird, mit dem größern Verständnis dafür
wird die Behandlung immer besser, die Mißhandlung immer seltner werden.
Noch bis in die fünfziger Jahre unsers Jahrhunderts machte man z. B.
von den Turnübungen in manchen Heeresteilen gar keinen Gebrauch. Mau
sah sie als Spielerei, ja als politisch gefährliches und deshalb mit allen mili¬
tärische!? Übungen durchaus unverträgliches Treiben an. So wurde der Rekrut
vom Pfluge oder vou der Hobelbank weg unmittelbar in die vorschriftsmäßige
militärische Haltung eingezwängt. Wie der (leider zu früh verstorbne) Major
von Plönnies in seinem „General Leberecht Freiherr von Knopf" sehr richtig sagt:
man suchte dem Soldaten seine natürlichen Gehbeine möglichst rasch durch el»
pnnr militärische Marschierbeiue zu ersetzen. Die Handhabung der Waffe, na¬
mentlich des Schießgewehrs, suchte mehr ihren Erfolg und ihr Ziel im Klipp¬
klapp der Griffe, als in den Treffern am Ziele. Müssige Leute hatten aus
der Zahl der Verwundeten in den Kriegen zu Anfang des Jahrhunderts heraus¬
gerechnet, daß mau das Gewicht eines Mannes an Blei verschießen müsse,
um einen Mann außer Gefecht zu setzen. Die Reiterpistole erachtete mau als
sehr nützlich, um im Falle der Not einen Signalschuß abzugeben; wolle mau
sich aber den Gegner vom Leibe halte», so sei es zweckmüßiger, ihm die Pistole
an den Kopf zu werfen, als nach ihm zu schießen. Der Säbel diente auch
mehr zum Griffemachen und zum Paradire», als zum Fechte». Beim Reit-
uuterricht erachtete ma» es für zweckmäßig, wenn der Reiter erst einigemale
vom Pferde gefallen wäre; de»» ohne Herunterfallen erlerne niemand das
Reiten. Daß bei solchen Grnndsütze» den Rekruten die ersten Monate ihrer
Dienstzeit zu einem wahren Fegefeuer werden mußten, liegt ans der Hand,
ebenso, daß die Vorgesetzten im Diensteifer und in dem steten Anschauen der
Ungeschicklichkeiten der Leute die Geduld verloren u»d drei»schlugen, wo es
nicht schnell genng vorwärtsging. Da kamen die neuen gezognen, also besser
treffenden Waffe». Die Einführung der Hinterladung mit Eiuheitspatroue
verminderte die Zahl der Gewehrgriffe, die mit der alten glatten Muskete
mit dem Feuerschloß etwa sechsundzwanzig betrug, dann bei Einführung der
Muskete mit dem Zündhütchen-(Perkussivns-)Schloß auf etwa vierzehn hcrab-
gi»g, immer mehr, sodaß man hente, wo wir Mehrlader führe», die in zwei
Griffen schußfertig sind, und wo die eigentlichen Exerzirgriffe auch noch ver-
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