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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Soldatemmßhaildlungen

Es liegt durchaus nicht in meiner Absicht, zu behaupten, daß nicht in
der That Quälereien und selbst Mißhandlungen im Heere vorkamen. Ich will
vielmehr an der Hand einer vierzigjährigen Diensterfahrung in preußischen
und nnßerprenßischen Heeresteilen nachweisen, daß derartige Vergehen gegen
Untergebne überall zu Tage trete", wo es sich um die Beugung des Willens
vieler nnter einen und um die Erreichung einer für den Zweck nötigem körper¬
liche" Leistung handelt. Ich unterscheide dabei einfache körperliche Mißhand¬
lungen (wie Püffe, Ohrfeigen, Schläge) von Quälereien und Gemeinheiten,
wie sie durch den bekannten sächsische": Erlaß zu Tage getreten sind. Daß
diese gründlich geahndet worden sind, beweist der erwähnte Erlaß. Anstatt
also immer nur dem Entsetzen über das Vorkommen solcher heimtückischen
Gemeinheiten Ausdruck zu geben, sollte man vielmehr seine Anerkennung darüber
aussprechen, daß sie so bestraft worden sind. Die erwähnten Gemeinheiten
gehören übrigens leider auch zu den Dingen, wie sie aus größern Instituten
erzählt werde", wo sich ältere Jungen herausnehmen, kleinere Schüler sür
Angebereien u. tgi. in ähnlicher Weise zu bestrafen. Diesen Dingen läßt sich
nur durch eine bessere Hcrzenserziehung der Jugend entgegenarbeite"; sie gehen
im Heere oft von den Kameraden selbst aus, auch von Unteroffizieren, deren
Bildungsstandpuukt und Erziehungsgang nicht ihrer Stellung entspricht. Die
Offiziere ohne weiteres sür diese Roheiten und Gemeinheiten ihrer Untergebnen
verantwortlich zu mache", wie es im Reichstage gewöhnlich von den erwähnten
Parteien geschieht, ist ein umso größeres Unrecht, als gerade dieselben Par¬
teien jederzeit die Mittel verweigern, die zur Beschaffung besserer Unteroffiziere,
oder sagen wir lieber, um unsern tüchtigen Unteroffizieren nicht zu nahe zu
trete", zur Ausmerz""g der schlechte" Elemente unsers Ilnteroffizierkvrps
und zum Ersatz durch bessere erforderlich sind.

Wer den heutigen Dienst unsrer Offiziere aller Waffen kennt, wird es
durchaus nicht unbegreiflich finden, daß sie nicht jeden Abend noch Kasernen¬
zimmer und Ställe abpatrvuilliren können, um derartigen Vergehen ihrer Unter-
gebneu ans die Spur zu kommen. Gegen solche Vorkommnisse kaun nur die
Anzeige des Betroffnen oder seiner Angehörigen und, wie gesagt, die Ent¬
fernung aller schlechten Elemente aus dem Unteroffizierstnnde helfen. Vvn-
seiten der Offiziere kann dnrch geeignete Belehrung der Unteroffiziere und der
Mannschaften allerdings auch eingewirkt werden, und das geschieht auch. Der
Hauptmann benutzt die Appells, er nimmt seine Unteroffiziere allein zusammen,
er wirkt auf sie ein durch den theoretischen Unterricht, wo vorgekvmmne Be¬
strafungen in der Kompagnie durchgenvmme" und erörtert werden können, kurz,
es giebt für ihn und seine Offiziere eine Meuge von Gelegenheiten, wo er
auf den Geist seiner Untergebnen einwirken kann. Daß nicht jeder Hauptmann
und nicht jeder Offizier, auch nicht jeder höhere Kommcittdeur stets de" wirk¬
samsten, richtigen Weg einschlagen wird, liegt auf der Hand. Dafür find wir


Soldatemmßhaildlungen

Es liegt durchaus nicht in meiner Absicht, zu behaupten, daß nicht in
der That Quälereien und selbst Mißhandlungen im Heere vorkamen. Ich will
vielmehr an der Hand einer vierzigjährigen Diensterfahrung in preußischen
und nnßerprenßischen Heeresteilen nachweisen, daß derartige Vergehen gegen
Untergebne überall zu Tage trete», wo es sich um die Beugung des Willens
vieler nnter einen und um die Erreichung einer für den Zweck nötigem körper¬
liche» Leistung handelt. Ich unterscheide dabei einfache körperliche Mißhand¬
lungen (wie Püffe, Ohrfeigen, Schläge) von Quälereien und Gemeinheiten,
wie sie durch den bekannten sächsische«: Erlaß zu Tage getreten sind. Daß
diese gründlich geahndet worden sind, beweist der erwähnte Erlaß. Anstatt
also immer nur dem Entsetzen über das Vorkommen solcher heimtückischen
Gemeinheiten Ausdruck zu geben, sollte man vielmehr seine Anerkennung darüber
aussprechen, daß sie so bestraft worden sind. Die erwähnten Gemeinheiten
gehören übrigens leider auch zu den Dingen, wie sie aus größern Instituten
erzählt werde», wo sich ältere Jungen herausnehmen, kleinere Schüler sür
Angebereien u. tgi. in ähnlicher Weise zu bestrafen. Diesen Dingen läßt sich
nur durch eine bessere Hcrzenserziehung der Jugend entgegenarbeite»; sie gehen
im Heere oft von den Kameraden selbst aus, auch von Unteroffizieren, deren
Bildungsstandpuukt und Erziehungsgang nicht ihrer Stellung entspricht. Die
Offiziere ohne weiteres sür diese Roheiten und Gemeinheiten ihrer Untergebnen
verantwortlich zu mache», wie es im Reichstage gewöhnlich von den erwähnten
Parteien geschieht, ist ein umso größeres Unrecht, als gerade dieselben Par¬
teien jederzeit die Mittel verweigern, die zur Beschaffung besserer Unteroffiziere,
oder sagen wir lieber, um unsern tüchtigen Unteroffizieren nicht zu nahe zu
trete», zur Ausmerz»»g der schlechte» Elemente unsers Ilnteroffizierkvrps
und zum Ersatz durch bessere erforderlich sind.

Wer den heutigen Dienst unsrer Offiziere aller Waffen kennt, wird es
durchaus nicht unbegreiflich finden, daß sie nicht jeden Abend noch Kasernen¬
zimmer und Ställe abpatrvuilliren können, um derartigen Vergehen ihrer Unter-
gebneu ans die Spur zu kommen. Gegen solche Vorkommnisse kaun nur die
Anzeige des Betroffnen oder seiner Angehörigen und, wie gesagt, die Ent¬
fernung aller schlechten Elemente aus dem Unteroffizierstnnde helfen. Vvn-
seiten der Offiziere kann dnrch geeignete Belehrung der Unteroffiziere und der
Mannschaften allerdings auch eingewirkt werden, und das geschieht auch. Der
Hauptmann benutzt die Appells, er nimmt seine Unteroffiziere allein zusammen,
er wirkt auf sie ein durch den theoretischen Unterricht, wo vorgekvmmne Be¬
strafungen in der Kompagnie durchgenvmme» und erörtert werden können, kurz,
es giebt für ihn und seine Offiziere eine Meuge von Gelegenheiten, wo er
auf den Geist seiner Untergebnen einwirken kann. Daß nicht jeder Hauptmann
und nicht jeder Offizier, auch nicht jeder höhere Kommcittdeur stets de» wirk¬
samsten, richtigen Weg einschlagen wird, liegt auf der Hand. Dafür find wir


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/18>, abgerufen am 06.01.2025.