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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Zu den Sprachdummheiten

ab, da beide Sätze im Konjunktiv stehen mußten, haben aber nicht als Kon¬
junktiv gefühlt werden kann. Der Verfasser bat ans der Korrektur, den
Konjunktiv der Gegenwart wieder herzustellen, weil hätten nur konditional
gefühlt werden könne, als ob ein Bedingungssatz ergänzt werden müsse. Die
Redaktion konnte sich von dieser Behauptung nicht überzeugen und ließ das
hätten stehen -- sicherlich für die meisten Leser zur Förderung des richtigen
Verständnisses.

Doch genug der Einzelheiten. Ich denke, das; sich Erbe in manchen
Punkten, die ihn auf den ersten Blick vielleicht erschreckt oder befremdet haben,
meiner Ansicht noch zuneigen wird. Dennoch kann es nichts schaden, wenn
jeder, dem es um einen reinen und richtigen Gebrauch seiner Muttersprache
zu thun ist, auch Erbes Schriftchen gewissenhaft zu Rate zieht/")

Außer auf die Erdlöcher "Randbemerkungen" möchte ich aber noch auf eine
zweite Äußerung über mein Buch ein paar Worte erwidern, nämlich auf den
heftigen Angriff, den Professor Vechstein in Rostock in dem neuesten Hefte der
Zeitschrift für den deutschen Unterricht lVI, 1, S. 64--72) dagegen gerichtet
hat. Es ist ja im allgemeinen nicht Sitte, sich gegen mißgünstige Kritiken
zu wehren; es ist auch meistens überflüssig, denn Kritiken vergehen, und Bücher
bestehen. Es giebt aber doch auch Fälle, wo es einem falsch ausgelegt
werden könnte, wen" man dazu schwiege.

Zunächst i wie kommt Professor Bechstein plötzlich in die Zeitschrift für
deutschen Unterricht? Die Zeitschrift hat fünf Jahre lang bestanden, ohne daß er
eine Silbe hineingeschrieben hat --- mit einemmale ist er da! Er will doch
Wohl im Namen der zünftigen Wissenschaft, der Germanistik sprechen -- fand
er für seinen Angriff nicht in einer der germanistischen Fachzeitschriften eine
Ablagerungsstelle? Und andrerseits: wie kommt diese Zeitschrift dazu, die
fast ausschließlich von Schulmeistern geschrieben wird, sich in diesem Falle
Plötzlich von einem Universitätsprofessor bedienen zu lassen? Fand sie nnter
ihren bisherigen Mitarbeitern keinen, der diese Kritik ebenso gut Hütte
"liefern" können? Wie konnte der Herausgeber der Zeitschrift, Herr Dr. Lyon,
der sich doch offenbar in allem, was deutschen Unterricht betrifft, von Jahr
zu Jahr mehr als Papst fühlt, diese Aufgabe fremden Händen überlassen?
Ja, man erlebt seltsame Dinge. Wenn es ein Buch herauszustreichen gilt,
erscheinen plötzlich "Mitarbeiter," an die bisher kein Mensch gedacht hat; und



*) Sehr fein ist, wie Erbe den Unterschied zwischen fremdsprachlich und fremd¬
sprachig entwickelt. Nur schade, daß einerseits von einem fremdsprachigen Unterricht in
seinem Sinne (einem Unterricht, bei dem sich der Lehrer einer fremden Sprache bedient!)
schwerlich jemals die Rede sein wird, andrerseits die Bildungen fremdsprachlich, alt¬
sprachlich und neusprachlich erst die affektirten Zusammenziehungen Fremdsprache,
Altsprache und Neusprache voraussehen, wie ja auch neuzeitlich ans Reu zeit, nicht
"us neu und Zeit gebildet ist.
Zu den Sprachdummheiten

ab, da beide Sätze im Konjunktiv stehen mußten, haben aber nicht als Kon¬
junktiv gefühlt werden kann. Der Verfasser bat ans der Korrektur, den
Konjunktiv der Gegenwart wieder herzustellen, weil hätten nur konditional
gefühlt werden könne, als ob ein Bedingungssatz ergänzt werden müsse. Die
Redaktion konnte sich von dieser Behauptung nicht überzeugen und ließ das
hätten stehen — sicherlich für die meisten Leser zur Förderung des richtigen
Verständnisses.

Doch genug der Einzelheiten. Ich denke, das; sich Erbe in manchen
Punkten, die ihn auf den ersten Blick vielleicht erschreckt oder befremdet haben,
meiner Ansicht noch zuneigen wird. Dennoch kann es nichts schaden, wenn
jeder, dem es um einen reinen und richtigen Gebrauch seiner Muttersprache
zu thun ist, auch Erbes Schriftchen gewissenhaft zu Rate zieht/")

Außer auf die Erdlöcher „Randbemerkungen" möchte ich aber noch auf eine
zweite Äußerung über mein Buch ein paar Worte erwidern, nämlich auf den
heftigen Angriff, den Professor Vechstein in Rostock in dem neuesten Hefte der
Zeitschrift für den deutschen Unterricht lVI, 1, S. 64—72) dagegen gerichtet
hat. Es ist ja im allgemeinen nicht Sitte, sich gegen mißgünstige Kritiken
zu wehren; es ist auch meistens überflüssig, denn Kritiken vergehen, und Bücher
bestehen. Es giebt aber doch auch Fälle, wo es einem falsch ausgelegt
werden könnte, wen» man dazu schwiege.

Zunächst i wie kommt Professor Bechstein plötzlich in die Zeitschrift für
deutschen Unterricht? Die Zeitschrift hat fünf Jahre lang bestanden, ohne daß er
eine Silbe hineingeschrieben hat -— mit einemmale ist er da! Er will doch
Wohl im Namen der zünftigen Wissenschaft, der Germanistik sprechen — fand
er für seinen Angriff nicht in einer der germanistischen Fachzeitschriften eine
Ablagerungsstelle? Und andrerseits: wie kommt diese Zeitschrift dazu, die
fast ausschließlich von Schulmeistern geschrieben wird, sich in diesem Falle
Plötzlich von einem Universitätsprofessor bedienen zu lassen? Fand sie nnter
ihren bisherigen Mitarbeitern keinen, der diese Kritik ebenso gut Hütte
„liefern" können? Wie konnte der Herausgeber der Zeitschrift, Herr Dr. Lyon,
der sich doch offenbar in allem, was deutschen Unterricht betrifft, von Jahr
zu Jahr mehr als Papst fühlt, diese Aufgabe fremden Händen überlassen?
Ja, man erlebt seltsame Dinge. Wenn es ein Buch herauszustreichen gilt,
erscheinen plötzlich „Mitarbeiter," an die bisher kein Mensch gedacht hat; und



*) Sehr fein ist, wie Erbe den Unterschied zwischen fremdsprachlich und fremd¬
sprachig entwickelt. Nur schade, daß einerseits von einem fremdsprachigen Unterricht in
seinem Sinne (einem Unterricht, bei dem sich der Lehrer einer fremden Sprache bedient!)
schwerlich jemals die Rede sein wird, andrerseits die Bildungen fremdsprachlich, alt¬
sprachlich und neusprachlich erst die affektirten Zusammenziehungen Fremdsprache,
Altsprache und Neusprache voraussehen, wie ja auch neuzeitlich ans Reu zeit, nicht
»us neu und Zeit gebildet ist.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/599>, abgerufen am 23.07.2024.