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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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schnffncr Witterung und in gewissen Gegenden eine Geschwindigkeit von vier,
fünf oder sechs Knoten nicht überschreiten!"

Richard äußerte sich dann noch über die traurigen Zustände auf der
Ncufundlaudbcmk, wo alljährlich eine Anzahl der großen Hochseefischerfahrzeuge,
die dort Kabeljaufang betreiben, spurlos verschwinden, nach begründeter Ver-
mutung als Opfer des Schnellfahrens der Dampfer bei Nebel. Wie leicht ist
es auch, das Hilfegcschrei der Überfahrenen durch den Ton der Dampfpfeife
zu ersticken, sodaß an Bord des Schnelldampfers vielleicht nur ein Einziger
von dem Unglück weiß -- der es selbst verschuldete und deshalb keinen Ver¬
such macht, den Ertrinkender Hilfe zu leisten, wodurch ja außerdem einige
Stunden Zeit verloren gehen würden. (Auch davou hat der Laie keine Ahnung,
wie außerordentlich häufig noch heute der Fall vorkommt, daß sich bei Schiffs¬
zusammenstößen der schuldige Teil, statt Hilfe zu leisten, schleunigst entfernt,
um der Strafe zu entgehen, was leicht möglich ist, da sich bei Nebel der
Schiffsraae schwer feststellen läßt.)

Der vortreffliche Vorschlag Richards ging dahin, man solle vorschreiben,
in engen Gewässern, an belebten Küsten und auf Fischereigründen die Geschwin¬
digkeit bei Nebel auf fünf bis sechs Seemeilen zu mäßigen -- also dem ent¬
sprechend, was in den Kriegsmarinen längst als notwendig erkannt ist. Leider
wurde dieser Vorschlag infolge des zähen Festhaltens der Engländer an den
von ihnen vor dreißig Jahren aufgestellten Regeln nicht angenommen. Als
einziges Ergebnis erhielt Artikel 13 den ebenfalls sehr dehnbaren Zusatz: Wen"
ein Dampfschiff die Nebelsignale eines andern Schiffes -- anscheinend "vorder¬
licher als dwars" -- hört, dessen Lage noch nicht ausgemacht ist, muß es, "so
weit es die Umstände des Falls gestatten," seine Maschine stoppen und dann
mit Vorsicht fahren, bis die Gefahr des Zusammenstoßens vorüber ist.

Nun ist es bekanntlich für das menschliche Ohr sehr schwierig, die Rich¬
tung, woher ein Ton kommt, zu bestimmen; leider giebt es auch bis jetzt
noch keine praktischen Hilfsmittel, diese Bestimmung auszuführen. Hat also
ein Kapitän keine Lust, zu stoppen, so braucht er bloß zu erklären, der Ton
sei aus einer Richtung "achterlicher als dwars." Übrigens ist für Schnell¬
dampfer in gewissen Fällen dieser Zusatz ohne schützende Wirkung; wenn sich
nämlich zwei Schnelldampfer mit entgegengesetzten Kursen einander bei Nebel
nähern -- wobei die sehr günstige Annahme gemacht sein mag, daß jeder seine
Geschwindigkeit auf fünfzehn Seemeilen "gemäßigt" habe --, so wird jeder
Dampfer das Nebelschallstgnal des andern bis zu dem Augenblicke des Pas-
sirens (oder Znsammenstvßens) im günstigsten Falle nur zweimal hören können;
dies unter der Voraussetzung, daß die Dampfpfeifen beider Schiffe eine Hör¬
weite von zwei Seemeilen haben (was jetzt nur sehr selten der Fall ist) und
ihre Signale in der vorgeschriebnen Weise jede zweite Minute abgeben (eine
Pause, die auch meist nicht streng eingehalten wird). Da man nach nur


schnffncr Witterung und in gewissen Gegenden eine Geschwindigkeit von vier,
fünf oder sechs Knoten nicht überschreiten!"

Richard äußerte sich dann noch über die traurigen Zustände auf der
Ncufundlaudbcmk, wo alljährlich eine Anzahl der großen Hochseefischerfahrzeuge,
die dort Kabeljaufang betreiben, spurlos verschwinden, nach begründeter Ver-
mutung als Opfer des Schnellfahrens der Dampfer bei Nebel. Wie leicht ist
es auch, das Hilfegcschrei der Überfahrenen durch den Ton der Dampfpfeife
zu ersticken, sodaß an Bord des Schnelldampfers vielleicht nur ein Einziger
von dem Unglück weiß — der es selbst verschuldete und deshalb keinen Ver¬
such macht, den Ertrinkender Hilfe zu leisten, wodurch ja außerdem einige
Stunden Zeit verloren gehen würden. (Auch davou hat der Laie keine Ahnung,
wie außerordentlich häufig noch heute der Fall vorkommt, daß sich bei Schiffs¬
zusammenstößen der schuldige Teil, statt Hilfe zu leisten, schleunigst entfernt,
um der Strafe zu entgehen, was leicht möglich ist, da sich bei Nebel der
Schiffsraae schwer feststellen läßt.)

Der vortreffliche Vorschlag Richards ging dahin, man solle vorschreiben,
in engen Gewässern, an belebten Küsten und auf Fischereigründen die Geschwin¬
digkeit bei Nebel auf fünf bis sechs Seemeilen zu mäßigen — also dem ent¬
sprechend, was in den Kriegsmarinen längst als notwendig erkannt ist. Leider
wurde dieser Vorschlag infolge des zähen Festhaltens der Engländer an den
von ihnen vor dreißig Jahren aufgestellten Regeln nicht angenommen. Als
einziges Ergebnis erhielt Artikel 13 den ebenfalls sehr dehnbaren Zusatz: Wen»
ein Dampfschiff die Nebelsignale eines andern Schiffes — anscheinend „vorder¬
licher als dwars" — hört, dessen Lage noch nicht ausgemacht ist, muß es, „so
weit es die Umstände des Falls gestatten," seine Maschine stoppen und dann
mit Vorsicht fahren, bis die Gefahr des Zusammenstoßens vorüber ist.

Nun ist es bekanntlich für das menschliche Ohr sehr schwierig, die Rich¬
tung, woher ein Ton kommt, zu bestimmen; leider giebt es auch bis jetzt
noch keine praktischen Hilfsmittel, diese Bestimmung auszuführen. Hat also
ein Kapitän keine Lust, zu stoppen, so braucht er bloß zu erklären, der Ton
sei aus einer Richtung „achterlicher als dwars." Übrigens ist für Schnell¬
dampfer in gewissen Fällen dieser Zusatz ohne schützende Wirkung; wenn sich
nämlich zwei Schnelldampfer mit entgegengesetzten Kursen einander bei Nebel
nähern — wobei die sehr günstige Annahme gemacht sein mag, daß jeder seine
Geschwindigkeit auf fünfzehn Seemeilen „gemäßigt" habe —, so wird jeder
Dampfer das Nebelschallstgnal des andern bis zu dem Augenblicke des Pas-
sirens (oder Znsammenstvßens) im günstigsten Falle nur zweimal hören können;
dies unter der Voraussetzung, daß die Dampfpfeifen beider Schiffe eine Hör¬
weite von zwei Seemeilen haben (was jetzt nur sehr selten der Fall ist) und
ihre Signale in der vorgeschriebnen Weise jede zweite Minute abgeben (eine
Pause, die auch meist nicht streng eingehalten wird). Da man nach nur


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[0583] schnffncr Witterung und in gewissen Gegenden eine Geschwindigkeit von vier, fünf oder sechs Knoten nicht überschreiten!" Richard äußerte sich dann noch über die traurigen Zustände auf der Ncufundlaudbcmk, wo alljährlich eine Anzahl der großen Hochseefischerfahrzeuge, die dort Kabeljaufang betreiben, spurlos verschwinden, nach begründeter Ver- mutung als Opfer des Schnellfahrens der Dampfer bei Nebel. Wie leicht ist es auch, das Hilfegcschrei der Überfahrenen durch den Ton der Dampfpfeife zu ersticken, sodaß an Bord des Schnelldampfers vielleicht nur ein Einziger von dem Unglück weiß — der es selbst verschuldete und deshalb keinen Ver¬ such macht, den Ertrinkender Hilfe zu leisten, wodurch ja außerdem einige Stunden Zeit verloren gehen würden. (Auch davou hat der Laie keine Ahnung, wie außerordentlich häufig noch heute der Fall vorkommt, daß sich bei Schiffs¬ zusammenstößen der schuldige Teil, statt Hilfe zu leisten, schleunigst entfernt, um der Strafe zu entgehen, was leicht möglich ist, da sich bei Nebel der Schiffsraae schwer feststellen läßt.) Der vortreffliche Vorschlag Richards ging dahin, man solle vorschreiben, in engen Gewässern, an belebten Küsten und auf Fischereigründen die Geschwin¬ digkeit bei Nebel auf fünf bis sechs Seemeilen zu mäßigen — also dem ent¬ sprechend, was in den Kriegsmarinen längst als notwendig erkannt ist. Leider wurde dieser Vorschlag infolge des zähen Festhaltens der Engländer an den von ihnen vor dreißig Jahren aufgestellten Regeln nicht angenommen. Als einziges Ergebnis erhielt Artikel 13 den ebenfalls sehr dehnbaren Zusatz: Wen» ein Dampfschiff die Nebelsignale eines andern Schiffes — anscheinend „vorder¬ licher als dwars" — hört, dessen Lage noch nicht ausgemacht ist, muß es, „so weit es die Umstände des Falls gestatten," seine Maschine stoppen und dann mit Vorsicht fahren, bis die Gefahr des Zusammenstoßens vorüber ist. Nun ist es bekanntlich für das menschliche Ohr sehr schwierig, die Rich¬ tung, woher ein Ton kommt, zu bestimmen; leider giebt es auch bis jetzt noch keine praktischen Hilfsmittel, diese Bestimmung auszuführen. Hat also ein Kapitän keine Lust, zu stoppen, so braucht er bloß zu erklären, der Ton sei aus einer Richtung „achterlicher als dwars." Übrigens ist für Schnell¬ dampfer in gewissen Fällen dieser Zusatz ohne schützende Wirkung; wenn sich nämlich zwei Schnelldampfer mit entgegengesetzten Kursen einander bei Nebel nähern — wobei die sehr günstige Annahme gemacht sein mag, daß jeder seine Geschwindigkeit auf fünfzehn Seemeilen „gemäßigt" habe —, so wird jeder Dampfer das Nebelschallstgnal des andern bis zu dem Augenblicke des Pas- sirens (oder Znsammenstvßens) im günstigsten Falle nur zweimal hören können; dies unter der Voraussetzung, daß die Dampfpfeifen beider Schiffe eine Hör¬ weite von zwei Seemeilen haben (was jetzt nur sehr selten der Fall ist) und ihre Signale in der vorgeschriebnen Weise jede zweite Minute abgeben (eine Pause, die auch meist nicht streng eingehalten wird). Da man nach nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/583>, abgerufen am 23.07.2024.