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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Das Straßenrecht zur See und seine Mängel

Erst in den letzten fünf Jahren, wo der Schnelldampferverkehr nach
Amerika eingerichtet wurde und die leichtsinnigen Ozeanwettfahrten begannen,
wehrten sich die Stimmen unter den Fachleuten und drangen auf Verbesserung
der Vorschriften. An der Spitze dieser Bewegung standen die Franzosen. Es
mag dies daran liegen, daß sie ein wissenschaftlich wie technisch vorzüglich
durchgebildetes Marineoffizierkorps besitzen. Hervorragende Männer, wie Ad¬
miral Jurien de la Gravwre, die Linienschifsskapitäne Niondel und Bcmarv,
nahmen sich der Angelegenheit eifrig an, indem sie durch Wort und Schrift
auf die bestehenden Mängel hinwiesen und zweckmüßige Verbesserungsvorschläge
machten. Die wissenschaftliche Welt Frankreichs, die bereits seit Jahrhunderten
Interesse und Verständnis für nautische Angelegenheiten zeigt, unterstützte durch
verschiedenerlei Untersuchungen, besonders auf optischen und akustischen Gebiete,
die Bestrebungen der Seeleute.

Den Amerikanern gebührt das Verdienst, die praktische Ausnutzung der
wissenschaftlichen Erörterungen und Vorschläge zuerst angeregt zu haben. Sie
luden alle Seestaatcn zu einer internationalen nautische" Konferenz ein; diese
fand in Washington unter allgemeiner Beteiligung statt. Eine Reihe nautischer
Fragen wurde der Lösung schon dadurch näher gebracht, daß die wertvollen
Ansichten tüchtiger Nautiker aller Länder erörtert wurden. Überdies gab die
Konferenz lebhafte Anregung, der Nautik nach vielen Richtungen hin mehr
Beachtung zu schenken und die Lösung mancher bisher nachlässig behandelten
Probleme schneller zu fördern. Leider verhinderte die nltrakonservative Zurück¬
haltung der englischen Abgeordneten, daß durchgreifende Änderungen und Vor¬
schläge, die sonst allseitig gebilligt waren, Annahme fanden. Wie die Engländer
ihr zopfiges Maß- und Gewichtssystem beibehalten, weil das metrische Shstem
nicht von ihnen erfunden ist, ebenso verhalten sie sich gegen nautische Ver¬
besserungen ablehnend, die vom Auslande kommen. Die interessanten Beschlüsse
der Konferenz,") insbesondre eine neue Verordnung zur Verhütung von Zu¬
sammenstößen ans See, sind von den Seestaaten zu den Akten genommen und
harren vorläufig der gesetzlichen Billigung und der internationalen Einführung.

Von diesem Konferenzbeschlüssen sollen hier nur die Berücksichtigung finden,
die zur Vermeidung der schlimmsten Gefahr auf See in Betracht kommen.

Der größte Feind für den Seemann ist der Nebel; deshalb bilden auch
die Vorsichtsmaßregeln gegen die Gefahren des Nebels den schwierigsten Punkt
des Straßenrechts zur See. Vorgeschrieben ist die Abgabe von Schallsignalen
mit einer Dampfpseife oder Sirene auf Dampfschiffen in Fahrt, mit einem
mechanischen Nebelhorn ans Segelschiffen in Fahrt und mit einer Glocke auf
allen vor Anker liegenden Schiffen. Außerdem bestimmt die jetzt giltige Vor-



Ergebnisse der internationalen Marinekonferenz zu Washington und ihre Bedeutung
für Deutschlands Seewesen. Eine kritische Studie von G, WiSlicenus, Kapitänleutnant a. D.
Leipzig, F. A. Brockhnus, 1891.
Das Straßenrecht zur See und seine Mängel

Erst in den letzten fünf Jahren, wo der Schnelldampferverkehr nach
Amerika eingerichtet wurde und die leichtsinnigen Ozeanwettfahrten begannen,
wehrten sich die Stimmen unter den Fachleuten und drangen auf Verbesserung
der Vorschriften. An der Spitze dieser Bewegung standen die Franzosen. Es
mag dies daran liegen, daß sie ein wissenschaftlich wie technisch vorzüglich
durchgebildetes Marineoffizierkorps besitzen. Hervorragende Männer, wie Ad¬
miral Jurien de la Gravwre, die Linienschifsskapitäne Niondel und Bcmarv,
nahmen sich der Angelegenheit eifrig an, indem sie durch Wort und Schrift
auf die bestehenden Mängel hinwiesen und zweckmüßige Verbesserungsvorschläge
machten. Die wissenschaftliche Welt Frankreichs, die bereits seit Jahrhunderten
Interesse und Verständnis für nautische Angelegenheiten zeigt, unterstützte durch
verschiedenerlei Untersuchungen, besonders auf optischen und akustischen Gebiete,
die Bestrebungen der Seeleute.

Den Amerikanern gebührt das Verdienst, die praktische Ausnutzung der
wissenschaftlichen Erörterungen und Vorschläge zuerst angeregt zu haben. Sie
luden alle Seestaatcn zu einer internationalen nautische» Konferenz ein; diese
fand in Washington unter allgemeiner Beteiligung statt. Eine Reihe nautischer
Fragen wurde der Lösung schon dadurch näher gebracht, daß die wertvollen
Ansichten tüchtiger Nautiker aller Länder erörtert wurden. Überdies gab die
Konferenz lebhafte Anregung, der Nautik nach vielen Richtungen hin mehr
Beachtung zu schenken und die Lösung mancher bisher nachlässig behandelten
Probleme schneller zu fördern. Leider verhinderte die nltrakonservative Zurück¬
haltung der englischen Abgeordneten, daß durchgreifende Änderungen und Vor¬
schläge, die sonst allseitig gebilligt waren, Annahme fanden. Wie die Engländer
ihr zopfiges Maß- und Gewichtssystem beibehalten, weil das metrische Shstem
nicht von ihnen erfunden ist, ebenso verhalten sie sich gegen nautische Ver¬
besserungen ablehnend, die vom Auslande kommen. Die interessanten Beschlüsse
der Konferenz,") insbesondre eine neue Verordnung zur Verhütung von Zu¬
sammenstößen ans See, sind von den Seestaaten zu den Akten genommen und
harren vorläufig der gesetzlichen Billigung und der internationalen Einführung.

Von diesem Konferenzbeschlüssen sollen hier nur die Berücksichtigung finden,
die zur Vermeidung der schlimmsten Gefahr auf See in Betracht kommen.

Der größte Feind für den Seemann ist der Nebel; deshalb bilden auch
die Vorsichtsmaßregeln gegen die Gefahren des Nebels den schwierigsten Punkt
des Straßenrechts zur See. Vorgeschrieben ist die Abgabe von Schallsignalen
mit einer Dampfpseife oder Sirene auf Dampfschiffen in Fahrt, mit einem
mechanischen Nebelhorn ans Segelschiffen in Fahrt und mit einer Glocke auf
allen vor Anker liegenden Schiffen. Außerdem bestimmt die jetzt giltige Vor-



Ergebnisse der internationalen Marinekonferenz zu Washington und ihre Bedeutung
für Deutschlands Seewesen. Eine kritische Studie von G, WiSlicenus, Kapitänleutnant a. D.
Leipzig, F. A. Brockhnus, 1891.
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[0579] Das Straßenrecht zur See und seine Mängel Erst in den letzten fünf Jahren, wo der Schnelldampferverkehr nach Amerika eingerichtet wurde und die leichtsinnigen Ozeanwettfahrten begannen, wehrten sich die Stimmen unter den Fachleuten und drangen auf Verbesserung der Vorschriften. An der Spitze dieser Bewegung standen die Franzosen. Es mag dies daran liegen, daß sie ein wissenschaftlich wie technisch vorzüglich durchgebildetes Marineoffizierkorps besitzen. Hervorragende Männer, wie Ad¬ miral Jurien de la Gravwre, die Linienschifsskapitäne Niondel und Bcmarv, nahmen sich der Angelegenheit eifrig an, indem sie durch Wort und Schrift auf die bestehenden Mängel hinwiesen und zweckmüßige Verbesserungsvorschläge machten. Die wissenschaftliche Welt Frankreichs, die bereits seit Jahrhunderten Interesse und Verständnis für nautische Angelegenheiten zeigt, unterstützte durch verschiedenerlei Untersuchungen, besonders auf optischen und akustischen Gebiete, die Bestrebungen der Seeleute. Den Amerikanern gebührt das Verdienst, die praktische Ausnutzung der wissenschaftlichen Erörterungen und Vorschläge zuerst angeregt zu haben. Sie luden alle Seestaatcn zu einer internationalen nautische» Konferenz ein; diese fand in Washington unter allgemeiner Beteiligung statt. Eine Reihe nautischer Fragen wurde der Lösung schon dadurch näher gebracht, daß die wertvollen Ansichten tüchtiger Nautiker aller Länder erörtert wurden. Überdies gab die Konferenz lebhafte Anregung, der Nautik nach vielen Richtungen hin mehr Beachtung zu schenken und die Lösung mancher bisher nachlässig behandelten Probleme schneller zu fördern. Leider verhinderte die nltrakonservative Zurück¬ haltung der englischen Abgeordneten, daß durchgreifende Änderungen und Vor¬ schläge, die sonst allseitig gebilligt waren, Annahme fanden. Wie die Engländer ihr zopfiges Maß- und Gewichtssystem beibehalten, weil das metrische Shstem nicht von ihnen erfunden ist, ebenso verhalten sie sich gegen nautische Ver¬ besserungen ablehnend, die vom Auslande kommen. Die interessanten Beschlüsse der Konferenz,") insbesondre eine neue Verordnung zur Verhütung von Zu¬ sammenstößen ans See, sind von den Seestaaten zu den Akten genommen und harren vorläufig der gesetzlichen Billigung und der internationalen Einführung. Von diesem Konferenzbeschlüssen sollen hier nur die Berücksichtigung finden, die zur Vermeidung der schlimmsten Gefahr auf See in Betracht kommen. Der größte Feind für den Seemann ist der Nebel; deshalb bilden auch die Vorsichtsmaßregeln gegen die Gefahren des Nebels den schwierigsten Punkt des Straßenrechts zur See. Vorgeschrieben ist die Abgabe von Schallsignalen mit einer Dampfpseife oder Sirene auf Dampfschiffen in Fahrt, mit einem mechanischen Nebelhorn ans Segelschiffen in Fahrt und mit einer Glocke auf allen vor Anker liegenden Schiffen. Außerdem bestimmt die jetzt giltige Vor- Ergebnisse der internationalen Marinekonferenz zu Washington und ihre Bedeutung für Deutschlands Seewesen. Eine kritische Studie von G, WiSlicenus, Kapitänleutnant a. D. Leipzig, F. A. Brockhnus, 1891.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/579>, abgerufen am 23.07.2024.