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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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so hohem Grade, daß zu ihrer Leitung ein' weiter Blick, tiefe Einsicht und
sichere Beherrschung aller dieser Gebiete nicht entbehrt werden können. Zur
Erwerbung dieser Eigenschaften aber, die einen hohen Grad natürlicher Anlage
voraussetzen, wird eine systematisch wissenschaftliche (akademische) Vorbildung
besser führen, als ein noch so strebsames Autodidaktentum. Was nun die Ge¬
staltung der akademischen Vorbildung für die höhern Eisenbahnbeamten an¬
langt, so wird es nach den bisherigen Ausführungen nicht zweifelhaft sein
können, daß dabei von vornherein auf die Erwerbung praktisch verwertbarer
Fachkenntnisse und auf eine Vereinigung des Bildungsganges der eigentlichen
Verlvaltungsbcamten und der ihrer ganzen Thätigkeit nach zu diesem ge¬
hörenden Betriebsbeamten Bedacht zu nehmen wäre.

Eine allgemeine Einführung in die verschiednen Wissenschaftsgebiete, die
für den Eisenbahnverwaltungs- und Betriebsdienst in Betracht kommen, würde
sich ein tieferes Eingehen auf die für ihn wichtigsten Zweige jener Gebiete
anreihen, überall mit besondrer Rücksicht ans das Wesen und die Aufgaben der
Verwaltung und ihre Stellung zur Gesamtheit. Hieran würden sich die
besondern Fachkenntnisse, von der Organisation und den Einrichtungen der
Verwaltung, ihrem Verhältnis zu andern Verwaltungen u. s. w. anschließen.
Einer solchen theoretischen Vorbildung würde eine mehrjährige gründliche
praktische Ausbildung in den verschiednen Zweigen des Verwaltungsdienstes,
einschließlich des Betriebsdienstes zu folgen haben, nach deren Abschluß eine
zeitweilige selbständige Handhabung der wichtigsten Zweige nicht nur zur
Befestigung der erworbnen Kenntnisse und zur größern Sicherheit in ihrer An¬
wendung, sondern auch zur Erprobung der Brauchbarkeit des Betreffenden
führen würde. Außerdem wäre damit der weitere nicht zu unterschätzende
Vorteil verbunden, daß das Bewußtsein der eignen Verantwortlichkeit und
Leistungsfähigkeit wesentlich gestärkt werden und daß, worauf besondres Ge¬
wicht zu legen ist, ein Beamter auf Grund einer derartigen Schulung sowohl
seine eigue Stellung und Aufgabe, als auch die seiner Mitarbeiter in der
Verwaltung mit ganz andern Augen ansehen würde, als er es heutzutage
thut, wo er sich bei dem Mangel jeder nähern Berührung, jedes längern
Zusammenarbeiten?, an gleichartigen Aufgaben von vornherein daran gewöhnt,
seine Untergebnen als eine besondre, in jeder Hinsicht weit unter ihm
stehende Menschenklasse zu betrachten. Für die Aussöhnung und Ausglei¬
chung der Gegensätze wäre hier ein äußerst wirksames Mittel geboten. Und
über den Wert einer solchen Errungenschaft für die Verwaltung wie für
die Gesamtheit kann niemand im Zweifel sein, der für den berechtigten Kern
unsrer sozialen Bewegung einiges Verständnis hat.

Eine gemeinsame Vorbildung für die jetzt streng geschiednen höhern
Verwaltnngs- und Betriebsbeamten würde beiden insofern von Nutzen sein,
als den einen gewisse technische Kenntnisse in Verbindung mit einer praktischen


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so hohem Grade, daß zu ihrer Leitung ein' weiter Blick, tiefe Einsicht und
sichere Beherrschung aller dieser Gebiete nicht entbehrt werden können. Zur
Erwerbung dieser Eigenschaften aber, die einen hohen Grad natürlicher Anlage
voraussetzen, wird eine systematisch wissenschaftliche (akademische) Vorbildung
besser führen, als ein noch so strebsames Autodidaktentum. Was nun die Ge¬
staltung der akademischen Vorbildung für die höhern Eisenbahnbeamten an¬
langt, so wird es nach den bisherigen Ausführungen nicht zweifelhaft sein
können, daß dabei von vornherein auf die Erwerbung praktisch verwertbarer
Fachkenntnisse und auf eine Vereinigung des Bildungsganges der eigentlichen
Verlvaltungsbcamten und der ihrer ganzen Thätigkeit nach zu diesem ge¬
hörenden Betriebsbeamten Bedacht zu nehmen wäre.

Eine allgemeine Einführung in die verschiednen Wissenschaftsgebiete, die
für den Eisenbahnverwaltungs- und Betriebsdienst in Betracht kommen, würde
sich ein tieferes Eingehen auf die für ihn wichtigsten Zweige jener Gebiete
anreihen, überall mit besondrer Rücksicht ans das Wesen und die Aufgaben der
Verwaltung und ihre Stellung zur Gesamtheit. Hieran würden sich die
besondern Fachkenntnisse, von der Organisation und den Einrichtungen der
Verwaltung, ihrem Verhältnis zu andern Verwaltungen u. s. w. anschließen.
Einer solchen theoretischen Vorbildung würde eine mehrjährige gründliche
praktische Ausbildung in den verschiednen Zweigen des Verwaltungsdienstes,
einschließlich des Betriebsdienstes zu folgen haben, nach deren Abschluß eine
zeitweilige selbständige Handhabung der wichtigsten Zweige nicht nur zur
Befestigung der erworbnen Kenntnisse und zur größern Sicherheit in ihrer An¬
wendung, sondern auch zur Erprobung der Brauchbarkeit des Betreffenden
führen würde. Außerdem wäre damit der weitere nicht zu unterschätzende
Vorteil verbunden, daß das Bewußtsein der eignen Verantwortlichkeit und
Leistungsfähigkeit wesentlich gestärkt werden und daß, worauf besondres Ge¬
wicht zu legen ist, ein Beamter auf Grund einer derartigen Schulung sowohl
seine eigue Stellung und Aufgabe, als auch die seiner Mitarbeiter in der
Verwaltung mit ganz andern Augen ansehen würde, als er es heutzutage
thut, wo er sich bei dem Mangel jeder nähern Berührung, jedes längern
Zusammenarbeiten?, an gleichartigen Aufgaben von vornherein daran gewöhnt,
seine Untergebnen als eine besondre, in jeder Hinsicht weit unter ihm
stehende Menschenklasse zu betrachten. Für die Aussöhnung und Ausglei¬
chung der Gegensätze wäre hier ein äußerst wirksames Mittel geboten. Und
über den Wert einer solchen Errungenschaft für die Verwaltung wie für
die Gesamtheit kann niemand im Zweifel sein, der für den berechtigten Kern
unsrer sozialen Bewegung einiges Verständnis hat.

Eine gemeinsame Vorbildung für die jetzt streng geschiednen höhern
Verwaltnngs- und Betriebsbeamten würde beiden insofern von Nutzen sein,
als den einen gewisse technische Kenntnisse in Verbindung mit einer praktischen


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[0488] Umgestaltungen in der Llscntmhnvenvultnng so hohem Grade, daß zu ihrer Leitung ein' weiter Blick, tiefe Einsicht und sichere Beherrschung aller dieser Gebiete nicht entbehrt werden können. Zur Erwerbung dieser Eigenschaften aber, die einen hohen Grad natürlicher Anlage voraussetzen, wird eine systematisch wissenschaftliche (akademische) Vorbildung besser führen, als ein noch so strebsames Autodidaktentum. Was nun die Ge¬ staltung der akademischen Vorbildung für die höhern Eisenbahnbeamten an¬ langt, so wird es nach den bisherigen Ausführungen nicht zweifelhaft sein können, daß dabei von vornherein auf die Erwerbung praktisch verwertbarer Fachkenntnisse und auf eine Vereinigung des Bildungsganges der eigentlichen Verlvaltungsbcamten und der ihrer ganzen Thätigkeit nach zu diesem ge¬ hörenden Betriebsbeamten Bedacht zu nehmen wäre. Eine allgemeine Einführung in die verschiednen Wissenschaftsgebiete, die für den Eisenbahnverwaltungs- und Betriebsdienst in Betracht kommen, würde sich ein tieferes Eingehen auf die für ihn wichtigsten Zweige jener Gebiete anreihen, überall mit besondrer Rücksicht ans das Wesen und die Aufgaben der Verwaltung und ihre Stellung zur Gesamtheit. Hieran würden sich die besondern Fachkenntnisse, von der Organisation und den Einrichtungen der Verwaltung, ihrem Verhältnis zu andern Verwaltungen u. s. w. anschließen. Einer solchen theoretischen Vorbildung würde eine mehrjährige gründliche praktische Ausbildung in den verschiednen Zweigen des Verwaltungsdienstes, einschließlich des Betriebsdienstes zu folgen haben, nach deren Abschluß eine zeitweilige selbständige Handhabung der wichtigsten Zweige nicht nur zur Befestigung der erworbnen Kenntnisse und zur größern Sicherheit in ihrer An¬ wendung, sondern auch zur Erprobung der Brauchbarkeit des Betreffenden führen würde. Außerdem wäre damit der weitere nicht zu unterschätzende Vorteil verbunden, daß das Bewußtsein der eignen Verantwortlichkeit und Leistungsfähigkeit wesentlich gestärkt werden und daß, worauf besondres Ge¬ wicht zu legen ist, ein Beamter auf Grund einer derartigen Schulung sowohl seine eigue Stellung und Aufgabe, als auch die seiner Mitarbeiter in der Verwaltung mit ganz andern Augen ansehen würde, als er es heutzutage thut, wo er sich bei dem Mangel jeder nähern Berührung, jedes längern Zusammenarbeiten?, an gleichartigen Aufgaben von vornherein daran gewöhnt, seine Untergebnen als eine besondre, in jeder Hinsicht weit unter ihm stehende Menschenklasse zu betrachten. Für die Aussöhnung und Ausglei¬ chung der Gegensätze wäre hier ein äußerst wirksames Mittel geboten. Und über den Wert einer solchen Errungenschaft für die Verwaltung wie für die Gesamtheit kann niemand im Zweifel sein, der für den berechtigten Kern unsrer sozialen Bewegung einiges Verständnis hat. Eine gemeinsame Vorbildung für die jetzt streng geschiednen höhern Verwaltnngs- und Betriebsbeamten würde beiden insofern von Nutzen sein, als den einen gewisse technische Kenntnisse in Verbindung mit einer praktischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/488>, abgerufen am 23.07.2024.