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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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sammenhang des Eisenbahnwesens mit den verschiedensten Rechtsgebieten soll
keineswegs bestritten werden. Aber das ist doch nnr eine und sicherlich nicht
die wesentlichste Seite des Eisenbahnwesens. Diese liegt überwiegend auf wirt¬
schaftlichem Gebiete und stellt an den, der sie beherrschen will, weit mehr
und ganz andre Anforderungen, als formale Geschäftsgewandtheit auf römisch
rechtlicher Grundlage, die, abgesehen von sonstigen ihr anhaftenden Mängeln,
nicht selten noch dazu recht lückenhaft ist. Mit der Gewinnung dieser Grund¬
lage in einer sieben- bis achtjährigen oder noch längern Vorbildung geht
überdies sür den künftigen Eisenbahn-Verwaltungsbeamten eine kostbare Zeit
unwiederbringlich verloren, der weit richtiger und besser der Vorbereitung
für seine eigentliche Berufsthätigkeit gewidmet werden könnte. Ist für diese der
Zeitraum eines Jahres schon viel zu kurz bemessen, so kommt weiterhin noch
in Betracht, daß selbst dann, wenn der junge Assessor alle günstigen Voraus¬
setzungen für seine weitere Ausbildung im Verwaltungsdienste in sich vereinigt,
dieser ihn von vornherein dermaßen in Anspruch zu nehmen pflegt, daß seine
Weiterbildung wohl oder übel darunter leiden muß.

Ähnlich verhält sichs mit den Technikern in der Eisenbahnverwaltung.
Was in aller Welt nützt dem Bautechniker seine ganze noch so vortreffliche
Ausbildung in den verschiedensten Zweigen des Bauwesens für eine spätere
Thätigkeit im Eisenbahnbetriebe, der mit der Eisenbahnverwaltung so eng ver¬
bunden ist, daß er als ein Teil davon, und gewiß nicht als der unwichtigste,
zu betrachten ist? Man kann dreist antworten: so gut wie nichts! Das
Wesentliche im Betriebe ist die genaue Regelung des Stations- und des Fahr¬
dienstes, seiner hauptsächlichen Bestandteile, die klare und bestimmte Unter¬
weisung der in beiden Zweigen thätigen Beamten und Arbeiter und, was
dabei von größter Bedeutung ist, deren sorgfältige Auswahl und Schulung.
Diese Thätigkeit liegt aber ganz und gar auf dem Gebiete der eigentlichen
Verwaltung. Die Technik nimmt im Eisenbahnbetriebe nur eine untergeordnete
Stellung ein; der Betrieb erfordert an technischem Wissen nicht viel mehr als
die Fähigkeit zur Beurteilung des betriebssichern Zustandes und der Leistungs¬
fähigkeit der Bahnanlagen und der Betriebsmittel, sowie die Kenntnis der
mechanischen Hilfsmittel des Betriebsdienstes und ihrer Verwendung, namentlich
auf dem Gebiete des Signalwesens. Dazu aber bedarf es nicht eines lang¬
wierigen ausschließlich technischen Bildungsganges, der den zukünftigen Be¬
triebsbeamten mit einer Menge für ihn völlig entbehrlicher Kenntnisse belastet
und ihn erst in vorgerücktem Lebensalter an seine eigentlichen Ausgaben her¬
antreten läßt. Eine Vorbildung, die sich auf das für ihn unumgänglich not¬
wendige Maß technischen Wissens beschränkte, würde seinen Zwecken weit besser
dienen, indem sie ihm genügenden Raum zur Erwerbung der Kenntnisse bieten
würde, die für eine erfolgreiche Durchführung seiner vornehmsten Aufgaben
unentbehrlich sind.


sammenhang des Eisenbahnwesens mit den verschiedensten Rechtsgebieten soll
keineswegs bestritten werden. Aber das ist doch nnr eine und sicherlich nicht
die wesentlichste Seite des Eisenbahnwesens. Diese liegt überwiegend auf wirt¬
schaftlichem Gebiete und stellt an den, der sie beherrschen will, weit mehr
und ganz andre Anforderungen, als formale Geschäftsgewandtheit auf römisch
rechtlicher Grundlage, die, abgesehen von sonstigen ihr anhaftenden Mängeln,
nicht selten noch dazu recht lückenhaft ist. Mit der Gewinnung dieser Grund¬
lage in einer sieben- bis achtjährigen oder noch längern Vorbildung geht
überdies sür den künftigen Eisenbahn-Verwaltungsbeamten eine kostbare Zeit
unwiederbringlich verloren, der weit richtiger und besser der Vorbereitung
für seine eigentliche Berufsthätigkeit gewidmet werden könnte. Ist für diese der
Zeitraum eines Jahres schon viel zu kurz bemessen, so kommt weiterhin noch
in Betracht, daß selbst dann, wenn der junge Assessor alle günstigen Voraus¬
setzungen für seine weitere Ausbildung im Verwaltungsdienste in sich vereinigt,
dieser ihn von vornherein dermaßen in Anspruch zu nehmen pflegt, daß seine
Weiterbildung wohl oder übel darunter leiden muß.

Ähnlich verhält sichs mit den Technikern in der Eisenbahnverwaltung.
Was in aller Welt nützt dem Bautechniker seine ganze noch so vortreffliche
Ausbildung in den verschiedensten Zweigen des Bauwesens für eine spätere
Thätigkeit im Eisenbahnbetriebe, der mit der Eisenbahnverwaltung so eng ver¬
bunden ist, daß er als ein Teil davon, und gewiß nicht als der unwichtigste,
zu betrachten ist? Man kann dreist antworten: so gut wie nichts! Das
Wesentliche im Betriebe ist die genaue Regelung des Stations- und des Fahr¬
dienstes, seiner hauptsächlichen Bestandteile, die klare und bestimmte Unter¬
weisung der in beiden Zweigen thätigen Beamten und Arbeiter und, was
dabei von größter Bedeutung ist, deren sorgfältige Auswahl und Schulung.
Diese Thätigkeit liegt aber ganz und gar auf dem Gebiete der eigentlichen
Verwaltung. Die Technik nimmt im Eisenbahnbetriebe nur eine untergeordnete
Stellung ein; der Betrieb erfordert an technischem Wissen nicht viel mehr als
die Fähigkeit zur Beurteilung des betriebssichern Zustandes und der Leistungs¬
fähigkeit der Bahnanlagen und der Betriebsmittel, sowie die Kenntnis der
mechanischen Hilfsmittel des Betriebsdienstes und ihrer Verwendung, namentlich
auf dem Gebiete des Signalwesens. Dazu aber bedarf es nicht eines lang¬
wierigen ausschließlich technischen Bildungsganges, der den zukünftigen Be¬
triebsbeamten mit einer Menge für ihn völlig entbehrlicher Kenntnisse belastet
und ihn erst in vorgerücktem Lebensalter an seine eigentlichen Ausgaben her¬
antreten läßt. Eine Vorbildung, die sich auf das für ihn unumgänglich not¬
wendige Maß technischen Wissens beschränkte, würde seinen Zwecken weit besser
dienen, indem sie ihm genügenden Raum zur Erwerbung der Kenntnisse bieten
würde, die für eine erfolgreiche Durchführung seiner vornehmsten Aufgaben
unentbehrlich sind.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/485>, abgerufen am 23.07.2024.