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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Die preußischen Staatseisenbahnen

wieder zu Gute und bieten denn mehr als Ersatz für die Einbuße an un¬
mittelbaren Einnahmen, die dem Staate aus gewissen Verkehrserleichterungen
erwachsen ist. Die preußischen Staatsbahnen haben bisher immer Überschüsse
geliefert und liefern sie noch. Daß man sich für die nächste Zukunft zu
größerer Sparsamkeit entschlossen hat, daß man einstweilen an neue Vahu-
prvjekte nicht hinantreten und weitere Tarifermüßigungen nicht bewilligen will,
zeigt nur von Einsicht und ist nur die natürliche Folge davon, daß man sich
in der ersten Zeit, nach der Verstaatlichung mit den Reformen vielleicht zu
sehr beeilt hat. Einen Schluß hieraus auf das ganze System zu ziehen,
wäre mehr als unlogisch.

Vielleicht liefern die zahllosen Anlegungen neuer Bahnen und die Ermäßigun¬
gen der Frachtsätze in den ersten Jahren nach der Verstaatlichung unsrer Eisen¬
bahnen den besten Beweis, daß eine Staatsverwaltung sehr wohl den Verkehrs-
bedürfuissen des Landes, wo sie sich auch zeigen, entgegenkommen kann, und
durchaus nicht das Starre und schablonenhafte an sich zu haben braucht,
das, wie die Gegner behaupten, erst mit der Konkurrenz schwindet.

Wie steht es aber mit den Vorteilen, die dem reisenden Publikum geboten
werden, das schnell, billig, sicher und bequem befördert werden will? Auch
hier siud in dein letzten Jahrzehnt aus den preußischen Staatsbahnen die
größten Fortschritte zu verzeichnen.

Es ist noch gar nicht lange her, da brauchte man, um die Strecke Tilsit-Berlin
zurückzulegen -- es sind das gerade 109 Meilen --, im Schnellzuge erster und
zweiter Klasse 18, im beschleunigten Personenzüge erster bis dritter Klasse 23, im
gewöhnlichen Personenzüge mit allen vier Wagenklassen, ungerechnet einen mehr¬
stündigen Aufenthalt an diesem oder jenem Kreuzungspunkte, 28 Stunden. Heute
durchmißt man dieselbe Entfernung im Schnellzuge erster bis dritter Klasse
in 13^, im Personenzüge mit allen Klassen in 21 Stunden. Also eine be¬
deutende Erhöhung der Leistungen bei gleichen Fahrpreisen. Ähnlich steht es
mit der Verringerung der Fahrzeiten bei allen übrigen Bahnen. Die Per-
sonenzüge von Schlesien nach Berlin halten von Gilden an zum Teil nur
noch in Frankfurt a. O. und Fürstenwcilde, und die Schnellzuge zwischen Berlin
und München sollen demnächst sämtlich die dritte Wagenklcisfe führen. Zwischen
Berlin und Hamburg verkehren jetzt Züge, die nur in Wittcnberge halten und
zu der ganzen Fahrt von 38 Meilen nnr 3^ Stunden brauchen; das ist ein Zeit¬
unterschied von durchschnittlich einer Stunde gegen die gewöhnlichen Schnell¬
zuge, und ähnliche durchgehende Züge mit bedeutend vermehrter Geschwindigkeit
werden vom 1. April an zwischen Berlin und Frankfurt a. M. eingestellt
werden.

Auf den preußischen Staatseisenbahncn werden gegenwärtig auf dem Kon¬
tinente die größten Fahrgeschwindigkeiten erreicht. Die Strecke Berlin-Peters¬
burg wird ans preußischer Seite mit einer Geschwindigkeit von 59, auf russischer


Die preußischen Staatseisenbahnen

wieder zu Gute und bieten denn mehr als Ersatz für die Einbuße an un¬
mittelbaren Einnahmen, die dem Staate aus gewissen Verkehrserleichterungen
erwachsen ist. Die preußischen Staatsbahnen haben bisher immer Überschüsse
geliefert und liefern sie noch. Daß man sich für die nächste Zukunft zu
größerer Sparsamkeit entschlossen hat, daß man einstweilen an neue Vahu-
prvjekte nicht hinantreten und weitere Tarifermüßigungen nicht bewilligen will,
zeigt nur von Einsicht und ist nur die natürliche Folge davon, daß man sich
in der ersten Zeit, nach der Verstaatlichung mit den Reformen vielleicht zu
sehr beeilt hat. Einen Schluß hieraus auf das ganze System zu ziehen,
wäre mehr als unlogisch.

Vielleicht liefern die zahllosen Anlegungen neuer Bahnen und die Ermäßigun¬
gen der Frachtsätze in den ersten Jahren nach der Verstaatlichung unsrer Eisen¬
bahnen den besten Beweis, daß eine Staatsverwaltung sehr wohl den Verkehrs-
bedürfuissen des Landes, wo sie sich auch zeigen, entgegenkommen kann, und
durchaus nicht das Starre und schablonenhafte an sich zu haben braucht,
das, wie die Gegner behaupten, erst mit der Konkurrenz schwindet.

Wie steht es aber mit den Vorteilen, die dem reisenden Publikum geboten
werden, das schnell, billig, sicher und bequem befördert werden will? Auch
hier siud in dein letzten Jahrzehnt aus den preußischen Staatsbahnen die
größten Fortschritte zu verzeichnen.

Es ist noch gar nicht lange her, da brauchte man, um die Strecke Tilsit-Berlin
zurückzulegen — es sind das gerade 109 Meilen —, im Schnellzuge erster und
zweiter Klasse 18, im beschleunigten Personenzüge erster bis dritter Klasse 23, im
gewöhnlichen Personenzüge mit allen vier Wagenklassen, ungerechnet einen mehr¬
stündigen Aufenthalt an diesem oder jenem Kreuzungspunkte, 28 Stunden. Heute
durchmißt man dieselbe Entfernung im Schnellzuge erster bis dritter Klasse
in 13^, im Personenzüge mit allen Klassen in 21 Stunden. Also eine be¬
deutende Erhöhung der Leistungen bei gleichen Fahrpreisen. Ähnlich steht es
mit der Verringerung der Fahrzeiten bei allen übrigen Bahnen. Die Per-
sonenzüge von Schlesien nach Berlin halten von Gilden an zum Teil nur
noch in Frankfurt a. O. und Fürstenwcilde, und die Schnellzuge zwischen Berlin
und München sollen demnächst sämtlich die dritte Wagenklcisfe führen. Zwischen
Berlin und Hamburg verkehren jetzt Züge, die nur in Wittcnberge halten und
zu der ganzen Fahrt von 38 Meilen nnr 3^ Stunden brauchen; das ist ein Zeit¬
unterschied von durchschnittlich einer Stunde gegen die gewöhnlichen Schnell¬
zuge, und ähnliche durchgehende Züge mit bedeutend vermehrter Geschwindigkeit
werden vom 1. April an zwischen Berlin und Frankfurt a. M. eingestellt
werden.

Auf den preußischen Staatseisenbahncn werden gegenwärtig auf dem Kon¬
tinente die größten Fahrgeschwindigkeiten erreicht. Die Strecke Berlin-Peters¬
burg wird ans preußischer Seite mit einer Geschwindigkeit von 59, auf russischer


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[0378] Die preußischen Staatseisenbahnen wieder zu Gute und bieten denn mehr als Ersatz für die Einbuße an un¬ mittelbaren Einnahmen, die dem Staate aus gewissen Verkehrserleichterungen erwachsen ist. Die preußischen Staatsbahnen haben bisher immer Überschüsse geliefert und liefern sie noch. Daß man sich für die nächste Zukunft zu größerer Sparsamkeit entschlossen hat, daß man einstweilen an neue Vahu- prvjekte nicht hinantreten und weitere Tarifermüßigungen nicht bewilligen will, zeigt nur von Einsicht und ist nur die natürliche Folge davon, daß man sich in der ersten Zeit, nach der Verstaatlichung mit den Reformen vielleicht zu sehr beeilt hat. Einen Schluß hieraus auf das ganze System zu ziehen, wäre mehr als unlogisch. Vielleicht liefern die zahllosen Anlegungen neuer Bahnen und die Ermäßigun¬ gen der Frachtsätze in den ersten Jahren nach der Verstaatlichung unsrer Eisen¬ bahnen den besten Beweis, daß eine Staatsverwaltung sehr wohl den Verkehrs- bedürfuissen des Landes, wo sie sich auch zeigen, entgegenkommen kann, und durchaus nicht das Starre und schablonenhafte an sich zu haben braucht, das, wie die Gegner behaupten, erst mit der Konkurrenz schwindet. Wie steht es aber mit den Vorteilen, die dem reisenden Publikum geboten werden, das schnell, billig, sicher und bequem befördert werden will? Auch hier siud in dein letzten Jahrzehnt aus den preußischen Staatsbahnen die größten Fortschritte zu verzeichnen. Es ist noch gar nicht lange her, da brauchte man, um die Strecke Tilsit-Berlin zurückzulegen — es sind das gerade 109 Meilen —, im Schnellzuge erster und zweiter Klasse 18, im beschleunigten Personenzüge erster bis dritter Klasse 23, im gewöhnlichen Personenzüge mit allen vier Wagenklassen, ungerechnet einen mehr¬ stündigen Aufenthalt an diesem oder jenem Kreuzungspunkte, 28 Stunden. Heute durchmißt man dieselbe Entfernung im Schnellzuge erster bis dritter Klasse in 13^, im Personenzüge mit allen Klassen in 21 Stunden. Also eine be¬ deutende Erhöhung der Leistungen bei gleichen Fahrpreisen. Ähnlich steht es mit der Verringerung der Fahrzeiten bei allen übrigen Bahnen. Die Per- sonenzüge von Schlesien nach Berlin halten von Gilden an zum Teil nur noch in Frankfurt a. O. und Fürstenwcilde, und die Schnellzuge zwischen Berlin und München sollen demnächst sämtlich die dritte Wagenklcisfe führen. Zwischen Berlin und Hamburg verkehren jetzt Züge, die nur in Wittcnberge halten und zu der ganzen Fahrt von 38 Meilen nnr 3^ Stunden brauchen; das ist ein Zeit¬ unterschied von durchschnittlich einer Stunde gegen die gewöhnlichen Schnell¬ zuge, und ähnliche durchgehende Züge mit bedeutend vermehrter Geschwindigkeit werden vom 1. April an zwischen Berlin und Frankfurt a. M. eingestellt werden. Auf den preußischen Staatseisenbahncn werden gegenwärtig auf dem Kon¬ tinente die größten Fahrgeschwindigkeiten erreicht. Die Strecke Berlin-Peters¬ burg wird ans preußischer Seite mit einer Geschwindigkeit von 59, auf russischer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/378>, abgerufen am 23.07.2024.