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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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"Festzeitung" beging die unerhörte Geschmacklosigkeit, tels; sie mehrere Ansprachen und
Gedichte, die an das Prinzenpaar bei und nach seinem Empfange gerichtet werden
sollten , bereits wörtlich mitteilte, so das; die ganze Stadt den Wortlaut dieser
Ansprachen ein paar Stunden früher kannte, als die, für die sie bestimmt waren!
Daß Festreden, noch ehe sie gehalten sind, schon in der Druckerei im Satz stehen,
um um "ächsteu Morgen der gesamten Bürgerschaft zum Kaffee servirt werden
zu könne", kommt nicht selten vor; sie aber sogar zu veröffentliche", noch ehe sie
gehalten sind, dieser Streich war der Leipziger "Festzeitung" vom 3. Februar
vorbehalten! Und diesem Streiche stellte sich würdig der "Willkommengruß" zur
Seite, den dieses Jmmnerblatt eröffnete, und den Nur zur Gemütsergötznng unsrer
Leser hier wörtlich und buchstäblich mitteilciu

Bon Altenburg, des alten Pleißenlanoes
Berühmter Hauptstadt, bringt Euch "us die Bahn,
Die g'rate fünfzig Jahre des Bestandes
I" diesem Herbste schon ausweisen kaun,
Doch früher noch, als sie, der Pleiße Wellen
Nach Leipzig sollten Euer'n Gruß bestellen.
Wie in die Weiße Elster sich ergießen
Nun soll die Pleiße mit der Parese hier,
Um später in die Saale dann zu fließen,
Bis diese in die Elbe strömt dafür,
Mög' der Willkommengruß auch weiter schallen
Und endlich erst im Elbflvrcnz verhallen,
Friedrich des streitbaren reichliche Spenden
Erhoben hier die Universität,
Otto der Reiche ließ von allen Enden
Meßfremde kommen, wie Ihr jetzt noch seht.
Und ebenso blüht trotz der Zeiten Wandel
Seit zwei Jahrhunderten hier der Buchhandel,
Wo Festungswerke einst die Stadt umgaben,
Erhebt von Parkanlagen sich ein Kranz,
Die hier die Völkerschlacht geschlagen haben,
Sie raubte" nicht des Sächj'scheu Namens Glanz,
Ein deutsches Siegesdenkmal soll erheben
Am Markt sich, wo man damals sich ergeben.
Und knüpfen sich nicht auch bekannte Namen
An das Großherzogthum Toskauci an?
Lothringen, das wir in Besitz bekamen!
Florenz, das Urbild uns'rer Hauptstadt, dann!
Italien und Deutschland ist verwachsen,
Wie jetzt Tosknna auch mit unser'in Sachsen!
Willkommen, hohes Paar, in unser'n Mauern!
Ein Freudentag für uns ist dies Einzieh'n,
Achthundert Jahre möge weiter dauern
In gleicher Herrlichkeit das Haus Wettin.
Glück uns! O, daß es dieser Tag bewiese,
Prinz Friedrich August und Prinzeß Louise!

Wir haben eine Wohlfahrtspolizei und eine Sittenpolizei, Aber recht noth
thäte uns auch eine Schönheitspolizei, Die Beleidigungen, die in großen Städten
dem guten Geschmack versetzt werden, grenzen jetzt nntnnter beinahe ans Verbrechen.
Doch das ist ein großes Kapitel, das hier nicht beiläufig behandelt werden kann.




„Festzeitung" beging die unerhörte Geschmacklosigkeit, tels; sie mehrere Ansprachen und
Gedichte, die an das Prinzenpaar bei und nach seinem Empfange gerichtet werden
sollten , bereits wörtlich mitteilte, so das; die ganze Stadt den Wortlaut dieser
Ansprachen ein paar Stunden früher kannte, als die, für die sie bestimmt waren!
Daß Festreden, noch ehe sie gehalten sind, schon in der Druckerei im Satz stehen,
um um «ächsteu Morgen der gesamten Bürgerschaft zum Kaffee servirt werden
zu könne», kommt nicht selten vor; sie aber sogar zu veröffentliche», noch ehe sie
gehalten sind, dieser Streich war der Leipziger „Festzeitung" vom 3. Februar
vorbehalten! Und diesem Streiche stellte sich würdig der „Willkommengruß" zur
Seite, den dieses Jmmnerblatt eröffnete, und den Nur zur Gemütsergötznng unsrer
Leser hier wörtlich und buchstäblich mitteilciu

Bon Altenburg, des alten Pleißenlanoes
Berühmter Hauptstadt, bringt Euch »us die Bahn,
Die g'rate fünfzig Jahre des Bestandes
I» diesem Herbste schon ausweisen kaun,
Doch früher noch, als sie, der Pleiße Wellen
Nach Leipzig sollten Euer'n Gruß bestellen.
Wie in die Weiße Elster sich ergießen
Nun soll die Pleiße mit der Parese hier,
Um später in die Saale dann zu fließen,
Bis diese in die Elbe strömt dafür,
Mög' der Willkommengruß auch weiter schallen
Und endlich erst im Elbflvrcnz verhallen,
Friedrich des streitbaren reichliche Spenden
Erhoben hier die Universität,
Otto der Reiche ließ von allen Enden
Meßfremde kommen, wie Ihr jetzt noch seht.
Und ebenso blüht trotz der Zeiten Wandel
Seit zwei Jahrhunderten hier der Buchhandel,
Wo Festungswerke einst die Stadt umgaben,
Erhebt von Parkanlagen sich ein Kranz,
Die hier die Völkerschlacht geschlagen haben,
Sie raubte» nicht des Sächj'scheu Namens Glanz,
Ein deutsches Siegesdenkmal soll erheben
Am Markt sich, wo man damals sich ergeben.
Und knüpfen sich nicht auch bekannte Namen
An das Großherzogthum Toskauci an?
Lothringen, das wir in Besitz bekamen!
Florenz, das Urbild uns'rer Hauptstadt, dann!
Italien und Deutschland ist verwachsen,
Wie jetzt Tosknna auch mit unser'in Sachsen!
Willkommen, hohes Paar, in unser'n Mauern!
Ein Freudentag für uns ist dies Einzieh'n,
Achthundert Jahre möge weiter dauern
In gleicher Herrlichkeit das Haus Wettin.
Glück uns! O, daß es dieser Tag bewiese,
Prinz Friedrich August und Prinzeß Louise!

Wir haben eine Wohlfahrtspolizei und eine Sittenpolizei, Aber recht noth
thäte uns auch eine Schönheitspolizei, Die Beleidigungen, die in großen Städten
dem guten Geschmack versetzt werden, grenzen jetzt nntnnter beinahe ans Verbrechen.
Doch das ist ein großes Kapitel, das hier nicht beiläufig behandelt werden kann.




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[0374] „Festzeitung" beging die unerhörte Geschmacklosigkeit, tels; sie mehrere Ansprachen und Gedichte, die an das Prinzenpaar bei und nach seinem Empfange gerichtet werden sollten , bereits wörtlich mitteilte, so das; die ganze Stadt den Wortlaut dieser Ansprachen ein paar Stunden früher kannte, als die, für die sie bestimmt waren! Daß Festreden, noch ehe sie gehalten sind, schon in der Druckerei im Satz stehen, um um «ächsteu Morgen der gesamten Bürgerschaft zum Kaffee servirt werden zu könne», kommt nicht selten vor; sie aber sogar zu veröffentliche», noch ehe sie gehalten sind, dieser Streich war der Leipziger „Festzeitung" vom 3. Februar vorbehalten! Und diesem Streiche stellte sich würdig der „Willkommengruß" zur Seite, den dieses Jmmnerblatt eröffnete, und den Nur zur Gemütsergötznng unsrer Leser hier wörtlich und buchstäblich mitteilciu Bon Altenburg, des alten Pleißenlanoes Berühmter Hauptstadt, bringt Euch »us die Bahn, Die g'rate fünfzig Jahre des Bestandes I» diesem Herbste schon ausweisen kaun, Doch früher noch, als sie, der Pleiße Wellen Nach Leipzig sollten Euer'n Gruß bestellen. Wie in die Weiße Elster sich ergießen Nun soll die Pleiße mit der Parese hier, Um später in die Saale dann zu fließen, Bis diese in die Elbe strömt dafür, Mög' der Willkommengruß auch weiter schallen Und endlich erst im Elbflvrcnz verhallen, Friedrich des streitbaren reichliche Spenden Erhoben hier die Universität, Otto der Reiche ließ von allen Enden Meßfremde kommen, wie Ihr jetzt noch seht. Und ebenso blüht trotz der Zeiten Wandel Seit zwei Jahrhunderten hier der Buchhandel, Wo Festungswerke einst die Stadt umgaben, Erhebt von Parkanlagen sich ein Kranz, Die hier die Völkerschlacht geschlagen haben, Sie raubte» nicht des Sächj'scheu Namens Glanz, Ein deutsches Siegesdenkmal soll erheben Am Markt sich, wo man damals sich ergeben. Und knüpfen sich nicht auch bekannte Namen An das Großherzogthum Toskauci an? Lothringen, das wir in Besitz bekamen! Florenz, das Urbild uns'rer Hauptstadt, dann! Italien und Deutschland ist verwachsen, Wie jetzt Tosknna auch mit unser'in Sachsen! Willkommen, hohes Paar, in unser'n Mauern! Ein Freudentag für uns ist dies Einzieh'n, Achthundert Jahre möge weiter dauern In gleicher Herrlichkeit das Haus Wettin. Glück uns! O, daß es dieser Tag bewiese, Prinz Friedrich August und Prinzeß Louise! Wir haben eine Wohlfahrtspolizei und eine Sittenpolizei, Aber recht noth thäte uns auch eine Schönheitspolizei, Die Beleidigungen, die in großen Städten dem guten Geschmack versetzt werden, grenzen jetzt nntnnter beinahe ans Verbrechen. Doch das ist ein großes Kapitel, das hier nicht beiläufig behandelt werden kann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/374>, abgerufen am 23.07.2024.