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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Gin Buchhändlerprozeß

Urteile, so werden schon die in dem Prozeß erwachsenen Schreibgebühren
nicht ganz gering sein. Berechnen wir aber nur die Hauptsätze der Gebühren,
so ergiebt sich folgendes. Die Klägerin hatte ihren angeblichen Schaden auf
27 899 Mark 79 Pfennige berechnet, erklärte aber, davon nur 1600 Mark
einklagen zu wollen. Diese Summe würde also für die Höhe der Kosten
maßgebend gewesen sein, wenn nicht die Verklagten sofort Widerklage erhoben
hätten, darauf gerichtet, festzustellen, daß sie die berechneten 27 899 Mark nicht
schuldig seien. Welches Interesse die Verklagten bei Erhebung dieser Wider¬
klage hatten, ist uicht ersichtlich. Jedenfalls hatte sie die Folge, daß nun
diese größere Summe für die Gebühren maßgebend wurde. Darnach betrügen
die Kosten erster Instanz allein für die beiden Anwälte 400 Mark, für das
Gericht 360 Mark, zusammen 760 Mark. In der Berufungsinstanz erklärte
dann die Klägerin, daß sie ihren Entschädigungsansprnch überhaupt auf
2100 Mark beschränke. Darnach wurde für den weitern Verlauf des Pro¬
zesses diese Summe maßgebend. Darnach betrugen die Kosten beim Kaimner-
gericht an Anwaltsgebühren 144 Mark, an Gerichtsgebühren 88 Mark, zu-
sammen 232 Mark; die Kosten beim Reichsgerichte an Anwaltsgebühren
187 Mark, an Gerichtsgebühren 88 Mark, zusammen 275 Mark. Ju den
ersten beiden Instanzen war die Klägerin zu sämtlichen Kosten verurteilt worden.
Das Reichsgericht hob diese Verurteilung insoweit auf, daß es nur in Betreff
von vierzehn Fünszehnteln der Kosten erster Instanz und der Hälfte der Kosten
zweiter Instanz bei der Verurteilung der Klägerin verblieb. Im übrigen
wurde die Entscheidung über die Kosten dein weitern Verfahren vorbehalten.

Da nun das Reichsgericht, wie dies in der großen Mehrzahl der Fülle
bei ihm üblich ist, den entscheidenden Ausspruch nicht selbst gab, sondern nötig
fand, die Sache in die Vorinstanz zurückzuverweisen, so kam es nnn bei dein
Kammergericht von neuem zur Verhandlung. Bei dieser durften die Anwälte
(nach einer gesetzlichen Bestimmung) die Berhandlungsgebühr nicht noch ein¬
mal beziehen, und daher beschränken sich in dieser Instanz die Kosten auf die
Gerichtsgebühren im Betrage von 88 Mark. In der hierauf folgenden neuen
Instanz beim Reichsgericht entstanden wiederum, wie früher, 275 Mark Kosten.
Das Reichsgericht legte diese Kosten zu zwei Dritteln den Beklagten, zu einem
Drittel der Klägerin ans.

So ist denn dieser Prozeß, der schon über zwei Jahre gedauert hat, bis¬
her durch fünf Instanzen gegangen. Es sind fünf Urteile darin gegeben
worden, die zusammen vierzig Spalten in Großquartformat füllen. Der Pro¬
zeß, hat allein an Hanptgebühren 1630 Mark gekostet. Und doch ist die Haupt¬
frage, auf die sich die bisherigen Entscheidungen beschränkt haben, im Grunde
genommen so einfach, daß sie für jeden natürlich denkenden Menschen in wenigen
Sätzen hätte beantwortet werden können. Nur bei der Justiz ist es möglich,
so einfache Dinge mit solchen Weitläufigkeiten zu behandeln. Mit diesen fünf


Grenzboten I 1892 42
Gin Buchhändlerprozeß

Urteile, so werden schon die in dem Prozeß erwachsenen Schreibgebühren
nicht ganz gering sein. Berechnen wir aber nur die Hauptsätze der Gebühren,
so ergiebt sich folgendes. Die Klägerin hatte ihren angeblichen Schaden auf
27 899 Mark 79 Pfennige berechnet, erklärte aber, davon nur 1600 Mark
einklagen zu wollen. Diese Summe würde also für die Höhe der Kosten
maßgebend gewesen sein, wenn nicht die Verklagten sofort Widerklage erhoben
hätten, darauf gerichtet, festzustellen, daß sie die berechneten 27 899 Mark nicht
schuldig seien. Welches Interesse die Verklagten bei Erhebung dieser Wider¬
klage hatten, ist uicht ersichtlich. Jedenfalls hatte sie die Folge, daß nun
diese größere Summe für die Gebühren maßgebend wurde. Darnach betrügen
die Kosten erster Instanz allein für die beiden Anwälte 400 Mark, für das
Gericht 360 Mark, zusammen 760 Mark. In der Berufungsinstanz erklärte
dann die Klägerin, daß sie ihren Entschädigungsansprnch überhaupt auf
2100 Mark beschränke. Darnach wurde für den weitern Verlauf des Pro¬
zesses diese Summe maßgebend. Darnach betrugen die Kosten beim Kaimner-
gericht an Anwaltsgebühren 144 Mark, an Gerichtsgebühren 88 Mark, zu-
sammen 232 Mark; die Kosten beim Reichsgerichte an Anwaltsgebühren
187 Mark, an Gerichtsgebühren 88 Mark, zusammen 275 Mark. Ju den
ersten beiden Instanzen war die Klägerin zu sämtlichen Kosten verurteilt worden.
Das Reichsgericht hob diese Verurteilung insoweit auf, daß es nur in Betreff
von vierzehn Fünszehnteln der Kosten erster Instanz und der Hälfte der Kosten
zweiter Instanz bei der Verurteilung der Klägerin verblieb. Im übrigen
wurde die Entscheidung über die Kosten dein weitern Verfahren vorbehalten.

Da nun das Reichsgericht, wie dies in der großen Mehrzahl der Fülle
bei ihm üblich ist, den entscheidenden Ausspruch nicht selbst gab, sondern nötig
fand, die Sache in die Vorinstanz zurückzuverweisen, so kam es nnn bei dein
Kammergericht von neuem zur Verhandlung. Bei dieser durften die Anwälte
(nach einer gesetzlichen Bestimmung) die Berhandlungsgebühr nicht noch ein¬
mal beziehen, und daher beschränken sich in dieser Instanz die Kosten auf die
Gerichtsgebühren im Betrage von 88 Mark. In der hierauf folgenden neuen
Instanz beim Reichsgericht entstanden wiederum, wie früher, 275 Mark Kosten.
Das Reichsgericht legte diese Kosten zu zwei Dritteln den Beklagten, zu einem
Drittel der Klägerin ans.

So ist denn dieser Prozeß, der schon über zwei Jahre gedauert hat, bis¬
her durch fünf Instanzen gegangen. Es sind fünf Urteile darin gegeben
worden, die zusammen vierzig Spalten in Großquartformat füllen. Der Pro¬
zeß, hat allein an Hanptgebühren 1630 Mark gekostet. Und doch ist die Haupt¬
frage, auf die sich die bisherigen Entscheidungen beschränkt haben, im Grunde
genommen so einfach, daß sie für jeden natürlich denkenden Menschen in wenigen
Sätzen hätte beantwortet werden können. Nur bei der Justiz ist es möglich,
so einfache Dinge mit solchen Weitläufigkeiten zu behandeln. Mit diesen fünf


Grenzboten I 1892 42
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[0337] Gin Buchhändlerprozeß Urteile, so werden schon die in dem Prozeß erwachsenen Schreibgebühren nicht ganz gering sein. Berechnen wir aber nur die Hauptsätze der Gebühren, so ergiebt sich folgendes. Die Klägerin hatte ihren angeblichen Schaden auf 27 899 Mark 79 Pfennige berechnet, erklärte aber, davon nur 1600 Mark einklagen zu wollen. Diese Summe würde also für die Höhe der Kosten maßgebend gewesen sein, wenn nicht die Verklagten sofort Widerklage erhoben hätten, darauf gerichtet, festzustellen, daß sie die berechneten 27 899 Mark nicht schuldig seien. Welches Interesse die Verklagten bei Erhebung dieser Wider¬ klage hatten, ist uicht ersichtlich. Jedenfalls hatte sie die Folge, daß nun diese größere Summe für die Gebühren maßgebend wurde. Darnach betrügen die Kosten erster Instanz allein für die beiden Anwälte 400 Mark, für das Gericht 360 Mark, zusammen 760 Mark. In der Berufungsinstanz erklärte dann die Klägerin, daß sie ihren Entschädigungsansprnch überhaupt auf 2100 Mark beschränke. Darnach wurde für den weitern Verlauf des Pro¬ zesses diese Summe maßgebend. Darnach betrugen die Kosten beim Kaimner- gericht an Anwaltsgebühren 144 Mark, an Gerichtsgebühren 88 Mark, zu- sammen 232 Mark; die Kosten beim Reichsgerichte an Anwaltsgebühren 187 Mark, an Gerichtsgebühren 88 Mark, zusammen 275 Mark. Ju den ersten beiden Instanzen war die Klägerin zu sämtlichen Kosten verurteilt worden. Das Reichsgericht hob diese Verurteilung insoweit auf, daß es nur in Betreff von vierzehn Fünszehnteln der Kosten erster Instanz und der Hälfte der Kosten zweiter Instanz bei der Verurteilung der Klägerin verblieb. Im übrigen wurde die Entscheidung über die Kosten dein weitern Verfahren vorbehalten. Da nun das Reichsgericht, wie dies in der großen Mehrzahl der Fülle bei ihm üblich ist, den entscheidenden Ausspruch nicht selbst gab, sondern nötig fand, die Sache in die Vorinstanz zurückzuverweisen, so kam es nnn bei dein Kammergericht von neuem zur Verhandlung. Bei dieser durften die Anwälte (nach einer gesetzlichen Bestimmung) die Berhandlungsgebühr nicht noch ein¬ mal beziehen, und daher beschränken sich in dieser Instanz die Kosten auf die Gerichtsgebühren im Betrage von 88 Mark. In der hierauf folgenden neuen Instanz beim Reichsgericht entstanden wiederum, wie früher, 275 Mark Kosten. Das Reichsgericht legte diese Kosten zu zwei Dritteln den Beklagten, zu einem Drittel der Klägerin ans. So ist denn dieser Prozeß, der schon über zwei Jahre gedauert hat, bis¬ her durch fünf Instanzen gegangen. Es sind fünf Urteile darin gegeben worden, die zusammen vierzig Spalten in Großquartformat füllen. Der Pro¬ zeß, hat allein an Hanptgebühren 1630 Mark gekostet. Und doch ist die Haupt¬ frage, auf die sich die bisherigen Entscheidungen beschränkt haben, im Grunde genommen so einfach, daß sie für jeden natürlich denkenden Menschen in wenigen Sätzen hätte beantwortet werden können. Nur bei der Justiz ist es möglich, so einfache Dinge mit solchen Weitläufigkeiten zu behandeln. Mit diesen fünf Grenzboten I 1892 42

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/337>, abgerufen am 23.07.2024.