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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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lieferung gerichtet gewesen seien, für rechtswidrig. Darnach sprach es aus, daß
der Anspruch der Klägerin auf Schadenersatz hinsichtlich der nach der Statu¬
tenänderung erfolgten Veröffentlichungen dem Grunde nach gerechtfertigt sei.

Auf die von den Verklagten erhobene Revision, der sich dann auch die
.Klägerin anschloß, kam nun die Sache nochmals an das Reichsgericht. Dieses
wies aber durch Urteil vom 24. Juni 1891 unter wiederholtem Ausspruch
seiner frühern Ansichten sowohl die Beschwerden der Verklagten als die der
Klägerin zurück.

Wir wollen hier von vornherein erklären, daß wir in der wirtschaftlichen
Frage, die, die Unterströmung dieses Prozesses bildet, nicht unbedingt für die
eine oder Hie andre Seite Partei nehmen. Wir lassen es dahingestellt sein,
ob es zur Erhaltung eines gesunden Buchhandels wirklich notwendig sei, den
den Sortimentshändlern gewährten Rabatt so hoch zu stellen, wie bei manchen
Verlagsartikeln geschieht, und ob es nicht richtiger wäre, den Gewinn, den
hiernach die Verleger den Sortimentern vielleicht allzu reichlich zuwenden,
zu einem entsprechenden Teile dem Publikum durch Setzung geringerer Laden-
Preise zukommen zu lassen. Wir beurteilen den vorliegenden Streit hier
lediglich vom Rechtsstandpunkte.

Nach unserm Dafürhalten setzt sich die ergangene Entscheidung des Reichs¬
gerichts in hohem Maße mit dem, was man juristisches Denken und Fühlen
nennen kann, in Widerspruch. Und dies in einer Sache, die die Interessen
eines zahlreichen, aus gebildeten Männern bestehenden Standes tief berührt.

Zuvörderst drängt sich die Frage auf: Wie kommt das Reichsgericht
dazu, in dem großen, zwischen den Buchhändlern sich abspielenden gewerblichen
Kampfe eine Unterscheidung zu machen zwischen der an die Verleger gerichteten
Aufforderung, den Schleuderern gar nicht zu liefern oder nach Wahl gar nicht
oder nur mit verkürzten Rabatt zu liefern? Die letztere Aufforderung erklärt
es für statthaft, die erstere nicht. Welcher rechtliche Unterschied ist zwischen
beiden? Für den gewöhnlichen Verstand ist das unbegreiflich! Das Reichs¬
gericht sagt: "Die Schleuderer haben ein Recht darauf, zu Schleuderpreisen
zu verlaufen." Unzweifelhaft! Niemand kann es ihnen wehren, natürlich
vorausgesetzt, daß sie Bücher dazu haben. Zieht man daraus aber die
Folgerung, daß die Schleuderer auch ein Recht darauf hätten, Bücher zu
ihrem Schleuderbetriebe zu bekommen, dann wird dieses Recht eben so beein¬
trächtigt, wenn die Verleger erklären: "Wir liefern euch gar nicht," als wenn
sie erklären: "Wir liefern euch nur zu einem Preise, bei dem ihr den Schleuder¬
verkauf nicht mehr betreiben könnt." Das eine wie das andre hindert die
Schleuderer an einem Betriebe, auf den sie doch nach Ansicht des Reichsgerichts
ein unverletzliches Recht haben. Und wenn eine an die Verleger gerichtete Auf¬
forderung, in der erstgedachten Weise zu verfahren, eine wider die Schleuderer
begangene Rechtsverletzung ist, dann ist es auch eine Aufforderung der zweit-


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lieferung gerichtet gewesen seien, für rechtswidrig. Darnach sprach es aus, daß
der Anspruch der Klägerin auf Schadenersatz hinsichtlich der nach der Statu¬
tenänderung erfolgten Veröffentlichungen dem Grunde nach gerechtfertigt sei.

Auf die von den Verklagten erhobene Revision, der sich dann auch die
.Klägerin anschloß, kam nun die Sache nochmals an das Reichsgericht. Dieses
wies aber durch Urteil vom 24. Juni 1891 unter wiederholtem Ausspruch
seiner frühern Ansichten sowohl die Beschwerden der Verklagten als die der
Klägerin zurück.

Wir wollen hier von vornherein erklären, daß wir in der wirtschaftlichen
Frage, die, die Unterströmung dieses Prozesses bildet, nicht unbedingt für die
eine oder Hie andre Seite Partei nehmen. Wir lassen es dahingestellt sein,
ob es zur Erhaltung eines gesunden Buchhandels wirklich notwendig sei, den
den Sortimentshändlern gewährten Rabatt so hoch zu stellen, wie bei manchen
Verlagsartikeln geschieht, und ob es nicht richtiger wäre, den Gewinn, den
hiernach die Verleger den Sortimentern vielleicht allzu reichlich zuwenden,
zu einem entsprechenden Teile dem Publikum durch Setzung geringerer Laden-
Preise zukommen zu lassen. Wir beurteilen den vorliegenden Streit hier
lediglich vom Rechtsstandpunkte.

Nach unserm Dafürhalten setzt sich die ergangene Entscheidung des Reichs¬
gerichts in hohem Maße mit dem, was man juristisches Denken und Fühlen
nennen kann, in Widerspruch. Und dies in einer Sache, die die Interessen
eines zahlreichen, aus gebildeten Männern bestehenden Standes tief berührt.

Zuvörderst drängt sich die Frage auf: Wie kommt das Reichsgericht
dazu, in dem großen, zwischen den Buchhändlern sich abspielenden gewerblichen
Kampfe eine Unterscheidung zu machen zwischen der an die Verleger gerichteten
Aufforderung, den Schleuderern gar nicht zu liefern oder nach Wahl gar nicht
oder nur mit verkürzten Rabatt zu liefern? Die letztere Aufforderung erklärt
es für statthaft, die erstere nicht. Welcher rechtliche Unterschied ist zwischen
beiden? Für den gewöhnlichen Verstand ist das unbegreiflich! Das Reichs¬
gericht sagt: „Die Schleuderer haben ein Recht darauf, zu Schleuderpreisen
zu verlaufen." Unzweifelhaft! Niemand kann es ihnen wehren, natürlich
vorausgesetzt, daß sie Bücher dazu haben. Zieht man daraus aber die
Folgerung, daß die Schleuderer auch ein Recht darauf hätten, Bücher zu
ihrem Schleuderbetriebe zu bekommen, dann wird dieses Recht eben so beein¬
trächtigt, wenn die Verleger erklären: „Wir liefern euch gar nicht," als wenn
sie erklären: „Wir liefern euch nur zu einem Preise, bei dem ihr den Schleuder¬
verkauf nicht mehr betreiben könnt." Das eine wie das andre hindert die
Schleuderer an einem Betriebe, auf den sie doch nach Ansicht des Reichsgerichts
ein unverletzliches Recht haben. Und wenn eine an die Verleger gerichtete Auf¬
forderung, in der erstgedachten Weise zu verfahren, eine wider die Schleuderer
begangene Rechtsverletzung ist, dann ist es auch eine Aufforderung der zweit-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/333>, abgerufen am 23.07.2024.