Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.Das volksschulgesetz den örtlichen Verhältnissen, der Wichtigkeit und Schwierigkeit der Geschäfte Wir haben es unterlassen, den Schulgesetzentwurf von dem Standpunkte Das volksschulgesetz den örtlichen Verhältnissen, der Wichtigkeit und Schwierigkeit der Geschäfte Wir haben es unterlassen, den Schulgesetzentwurf von dem Standpunkte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0318" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/211486"/> <fw type="header" place="top"> Das volksschulgesetz</fw><lb/> <p xml:id="ID_955" prev="#ID_954"> den örtlichen Verhältnissen, der Wichtigkeit und Schwierigkeit der Geschäfte<lb/> abgemessen werden. Bei einer Verbindung mit einem kirchlichen Amte soll<lb/> die Entschädigung für diese Mühwaltuug in angemessener Weise festgesetzt<lb/> werden und zum Grundgehalt hinzutreten. Die Alterszulageu sollen min¬<lb/> destens in Stufen von fünf Jahren gewährt werden, nicht unter je 100 Mark<lb/> betragen und bis 600 Mark steigen. Da den Gemeinden die Festsetzung<lb/> der Alterszulageu überlassen ist, so werden sie in der Regel nicht über<lb/> die Minimalhöhe hinausgehen. Einen rechtlichen Anspruch haben die<lb/> Lehrer auf die Altersznlage nicht, doch kaun sie nur bei unbefriedigender<lb/> Dienstführung versagt werden. Die Aufbringung des Geldes liegt der<lb/> bürgerlichen Gemeinde ob. Der Staat zahlt als Unterstützung zum<lb/> Gehalt des ersten Lehrers 600 Mark, des zweiten 400 Mark, des dritten<lb/> 300 Mark. Warum zahlt er für die erste Stelle mehr, da diese in der Regel<lb/> durch Land oder einen Beitrag aus den Kirchenkasfen fundirt ist, und da die<lb/> Unterhaltung einer zweiten und dritten Stelle den Gemeinden schwerer wird<lb/> als einer ersten? Stellen wir einmal eine Rechnung an. Eine Gemeinde<lb/> habe drei Lehrerstellen, die mit 1200 Mark, 1100 Mark und 1000 Mark<lb/> Grundgehalt bedacht sind, wozu noch — um den Durchschnitt zu nehmen — je<lb/> 300 Mark Alterszulagen kommen. Dies giebt 4200 Mark. Wir nehmen<lb/> ferner an, daß die Fundntivu für die erste Stelle 400, für die zweite 200 Mark<lb/> betrage, die dritte aber keine Fnndation habe. Es kommen also 600 Mark<lb/> in Abzug, ferner die 1300 Mark, die der Staat zuschießt. Demnach bleiben<lb/> 2300 Mark übrig, was ungefähr einer Aufwendung von zehn Mark für das<lb/> Kind gleichkommt. Dies ist, wenn nicht sonst ungünstige Verhältnisse vor¬<lb/> liegen, keine zu schwere Belastung der Gemeinde. Der Staat muß zu seinen<lb/> Zuwendungen noch neun Millionen Mark haben. Daß diese bei der gegen¬<lb/> wärtigen Finanzlage nicht aus den laufenden Einnahmen gewonnen werden<lb/> können, ist klar. Das Ministerium beabsichtigt die Summe den etwaigen<lb/> Überschüssen, die die Selbsteinschützung zur Steueranlage ergeben wird, zu ent¬<lb/> nehmen. Diese Überschüsse waren aber eigentlich zur Durchführung der Steuer¬<lb/> reform bestimmt. So wird also Miquels Plan durch das Schulgesetz gekreuzt.<lb/> Dies ist ein Punkt, an dem das ganze Gesetz scheitern könnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_956" next="#ID_957"> Wir haben es unterlassen, den Schulgesetzentwurf von dem Standpunkte<lb/> der allgemeine«! Politik ans zu betrachten, der bei den gegenwärtigen Ver¬<lb/> handlungen im preußischen Landtage fast ausschließlich zur Geltung kommt.<lb/> Es lag uns daran, die wichtigsten Bestimmungen des Gesetzes herauszuheben<lb/> und sie an den konkreten Verhältnissen zu prüfen. Wir glauben, daß es<lb/> möglich sein wird, den Entwurf derart zu bessern, daß auch die freikonservative<lb/> Partei wird zustimmen können, ohne daß die vorhandne Mehrheit gesprengt<lb/> wird. Der schwierigste Punkt ist die Frage der missio (Anonioa, die die<lb/> katholische Kirche in Schuldingen fordert. Was wir im vorigen Hefte an-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0318]
Das volksschulgesetz
den örtlichen Verhältnissen, der Wichtigkeit und Schwierigkeit der Geschäfte
abgemessen werden. Bei einer Verbindung mit einem kirchlichen Amte soll
die Entschädigung für diese Mühwaltuug in angemessener Weise festgesetzt
werden und zum Grundgehalt hinzutreten. Die Alterszulageu sollen min¬
destens in Stufen von fünf Jahren gewährt werden, nicht unter je 100 Mark
betragen und bis 600 Mark steigen. Da den Gemeinden die Festsetzung
der Alterszulageu überlassen ist, so werden sie in der Regel nicht über
die Minimalhöhe hinausgehen. Einen rechtlichen Anspruch haben die
Lehrer auf die Altersznlage nicht, doch kaun sie nur bei unbefriedigender
Dienstführung versagt werden. Die Aufbringung des Geldes liegt der
bürgerlichen Gemeinde ob. Der Staat zahlt als Unterstützung zum
Gehalt des ersten Lehrers 600 Mark, des zweiten 400 Mark, des dritten
300 Mark. Warum zahlt er für die erste Stelle mehr, da diese in der Regel
durch Land oder einen Beitrag aus den Kirchenkasfen fundirt ist, und da die
Unterhaltung einer zweiten und dritten Stelle den Gemeinden schwerer wird
als einer ersten? Stellen wir einmal eine Rechnung an. Eine Gemeinde
habe drei Lehrerstellen, die mit 1200 Mark, 1100 Mark und 1000 Mark
Grundgehalt bedacht sind, wozu noch — um den Durchschnitt zu nehmen — je
300 Mark Alterszulagen kommen. Dies giebt 4200 Mark. Wir nehmen
ferner an, daß die Fundntivu für die erste Stelle 400, für die zweite 200 Mark
betrage, die dritte aber keine Fnndation habe. Es kommen also 600 Mark
in Abzug, ferner die 1300 Mark, die der Staat zuschießt. Demnach bleiben
2300 Mark übrig, was ungefähr einer Aufwendung von zehn Mark für das
Kind gleichkommt. Dies ist, wenn nicht sonst ungünstige Verhältnisse vor¬
liegen, keine zu schwere Belastung der Gemeinde. Der Staat muß zu seinen
Zuwendungen noch neun Millionen Mark haben. Daß diese bei der gegen¬
wärtigen Finanzlage nicht aus den laufenden Einnahmen gewonnen werden
können, ist klar. Das Ministerium beabsichtigt die Summe den etwaigen
Überschüssen, die die Selbsteinschützung zur Steueranlage ergeben wird, zu ent¬
nehmen. Diese Überschüsse waren aber eigentlich zur Durchführung der Steuer¬
reform bestimmt. So wird also Miquels Plan durch das Schulgesetz gekreuzt.
Dies ist ein Punkt, an dem das ganze Gesetz scheitern könnte.
Wir haben es unterlassen, den Schulgesetzentwurf von dem Standpunkte
der allgemeine«! Politik ans zu betrachten, der bei den gegenwärtigen Ver¬
handlungen im preußischen Landtage fast ausschließlich zur Geltung kommt.
Es lag uns daran, die wichtigsten Bestimmungen des Gesetzes herauszuheben
und sie an den konkreten Verhältnissen zu prüfen. Wir glauben, daß es
möglich sein wird, den Entwurf derart zu bessern, daß auch die freikonservative
Partei wird zustimmen können, ohne daß die vorhandne Mehrheit gesprengt
wird. Der schwierigste Punkt ist die Frage der missio (Anonioa, die die
katholische Kirche in Schuldingen fordert. Was wir im vorigen Hefte an-
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