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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Zur Geschichte der napoleonische" Kriege

in sein Regiment ein. Aber sein Abenteurerleben sollte "och nicht zu Ende
sein. Als im Jahre 1788 der König von Neapel seine Truppen nach fran¬
zösischem Muster ausbilden wollte und von Frankreich Offiziere und Unter¬
offiziere erbat, wurde Augerea" "ach Neapel geschickt und dort zum Unter¬
leutnant befördert. In Neapel lernte er die Tochter eines griechischen Kauf¬
manns kennen und lieben, und da einer Verheiratung alle möglichen Hinder¬
nisse im Wege standen, floh er mit dem Mädchen nach Lissabon, wo er bis
zum Jahre 1792 ungestört lebte. Beim Ausbruch der französischen Revolution
wurde er aber von der portugiesischen Regierung verhaftet und eingesperrt.
Glücklicherweise lief bald ein französisches Schiff in den Hafen ein. Augereaus
entschlossene Gattin eilte zum Kapitän und bewog ihn, den französischen
Bürger zurückzufordern, und dn die Regierung die Auslieferung verweigerte,
erklärte das Kauffahrteischiff (!) im Namen Frankreichs den Krieg an Portugal.
Nun erst wurde Augereau freigegeben. Er kehrte nach Frankreich zurück und
kämpfte in der Vendee mit, wo er das Heer des unfähigen Generals Rvucin
rettete. Überall zeichnete er sich durch Entschlossenheit, Scharfblick und Aus¬
dauer aus; in Italien wurde er General und entschied den für Napoleon
wichtigen Sieg bei Castiglione. In der Schlacht bei Saalfeld nahm er das
preußische Regiment, worin er früher als Grenadier gedient hatte, gefangen.
Er erkannte unter den Gefangnen seinen alten Kvmpagnieosfizier, der noch
immer Hauptmann war, während er, der Taugenichts, es bis zum Feldmarschall
und Herzog gebracht hatte!

Marbvt war während des Feldzuges von l805 Augereaus Adjutant und
hatte die bei Bregenz dem österreichischen Korps des Feldmarschalls Jellachich
abgenommenen Fahnen nach Brttnu, Napoleons Hauptquartier, zu schaffen.
Einige Tage später erschien dort anch der preußische Gesandte von Haugwitz.
Welch ein diplomatisches Possenspiel Napoleon mit diesem unfähigen Menschen
trieb, davon giebt uns Marbvt zum erstenmale einen ausführlichen Bericht.
Herr von Haugwitz, erzählt er, kam einige Tage vor der Schlacht bei Austerlil',
in Brun" an; er hatte die Absicht, den Ausgang der gewaltigen Schlacht, zu
der man sich rüstete, abzuwarten. Sein König sollte sich nicht rühren, wen"
wir Sieger sein würden, uns aber angreifen, wenn man uns schlagen würde.
Da Napoleon wußte, daß Haugwitz alle Abende einen Kourier nach Berlin
sandte, so wollte er, daß man in Preußen die Niederlage und Gefangennahme
von Jellachichs Korps von Haugwitz erführe. Daher griff er zu folgendem
Mittel. Der Hofmarschall Duroc wies uus an, was wir zu thun hatten, uno
ließ alle Fahnen, die wir von Bregenz gebracht hatten, wieder in unser
Quartier zurückschaffen. Während der Kaiser bald darauf in seinem Zimmer
mit Haugwitz verhandelte, wiederholten wir die ganze Feierlichkeit der Fahnen¬
übergabe in derselben Weise, wie es zuerst geschehen war. Als der Kaiser
die Musik im Schloßhof hörte, heuchelte er großes Erstaunen und eilte mit


Zur Geschichte der napoleonische» Kriege

in sein Regiment ein. Aber sein Abenteurerleben sollte »och nicht zu Ende
sein. Als im Jahre 1788 der König von Neapel seine Truppen nach fran¬
zösischem Muster ausbilden wollte und von Frankreich Offiziere und Unter¬
offiziere erbat, wurde Augerea» »ach Neapel geschickt und dort zum Unter¬
leutnant befördert. In Neapel lernte er die Tochter eines griechischen Kauf¬
manns kennen und lieben, und da einer Verheiratung alle möglichen Hinder¬
nisse im Wege standen, floh er mit dem Mädchen nach Lissabon, wo er bis
zum Jahre 1792 ungestört lebte. Beim Ausbruch der französischen Revolution
wurde er aber von der portugiesischen Regierung verhaftet und eingesperrt.
Glücklicherweise lief bald ein französisches Schiff in den Hafen ein. Augereaus
entschlossene Gattin eilte zum Kapitän und bewog ihn, den französischen
Bürger zurückzufordern, und dn die Regierung die Auslieferung verweigerte,
erklärte das Kauffahrteischiff (!) im Namen Frankreichs den Krieg an Portugal.
Nun erst wurde Augereau freigegeben. Er kehrte nach Frankreich zurück und
kämpfte in der Vendee mit, wo er das Heer des unfähigen Generals Rvucin
rettete. Überall zeichnete er sich durch Entschlossenheit, Scharfblick und Aus¬
dauer aus; in Italien wurde er General und entschied den für Napoleon
wichtigen Sieg bei Castiglione. In der Schlacht bei Saalfeld nahm er das
preußische Regiment, worin er früher als Grenadier gedient hatte, gefangen.
Er erkannte unter den Gefangnen seinen alten Kvmpagnieosfizier, der noch
immer Hauptmann war, während er, der Taugenichts, es bis zum Feldmarschall
und Herzog gebracht hatte!

Marbvt war während des Feldzuges von l805 Augereaus Adjutant und
hatte die bei Bregenz dem österreichischen Korps des Feldmarschalls Jellachich
abgenommenen Fahnen nach Brttnu, Napoleons Hauptquartier, zu schaffen.
Einige Tage später erschien dort anch der preußische Gesandte von Haugwitz.
Welch ein diplomatisches Possenspiel Napoleon mit diesem unfähigen Menschen
trieb, davon giebt uns Marbvt zum erstenmale einen ausführlichen Bericht.
Herr von Haugwitz, erzählt er, kam einige Tage vor der Schlacht bei Austerlil',
in Brun» an; er hatte die Absicht, den Ausgang der gewaltigen Schlacht, zu
der man sich rüstete, abzuwarten. Sein König sollte sich nicht rühren, wen»
wir Sieger sein würden, uns aber angreifen, wenn man uns schlagen würde.
Da Napoleon wußte, daß Haugwitz alle Abende einen Kourier nach Berlin
sandte, so wollte er, daß man in Preußen die Niederlage und Gefangennahme
von Jellachichs Korps von Haugwitz erführe. Daher griff er zu folgendem
Mittel. Der Hofmarschall Duroc wies uus an, was wir zu thun hatten, uno
ließ alle Fahnen, die wir von Bregenz gebracht hatten, wieder in unser
Quartier zurückschaffen. Während der Kaiser bald darauf in seinem Zimmer
mit Haugwitz verhandelte, wiederholten wir die ganze Feierlichkeit der Fahnen¬
übergabe in derselben Weise, wie es zuerst geschehen war. Als der Kaiser
die Musik im Schloßhof hörte, heuchelte er großes Erstaunen und eilte mit


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[0309] Zur Geschichte der napoleonische» Kriege in sein Regiment ein. Aber sein Abenteurerleben sollte »och nicht zu Ende sein. Als im Jahre 1788 der König von Neapel seine Truppen nach fran¬ zösischem Muster ausbilden wollte und von Frankreich Offiziere und Unter¬ offiziere erbat, wurde Augerea» »ach Neapel geschickt und dort zum Unter¬ leutnant befördert. In Neapel lernte er die Tochter eines griechischen Kauf¬ manns kennen und lieben, und da einer Verheiratung alle möglichen Hinder¬ nisse im Wege standen, floh er mit dem Mädchen nach Lissabon, wo er bis zum Jahre 1792 ungestört lebte. Beim Ausbruch der französischen Revolution wurde er aber von der portugiesischen Regierung verhaftet und eingesperrt. Glücklicherweise lief bald ein französisches Schiff in den Hafen ein. Augereaus entschlossene Gattin eilte zum Kapitän und bewog ihn, den französischen Bürger zurückzufordern, und dn die Regierung die Auslieferung verweigerte, erklärte das Kauffahrteischiff (!) im Namen Frankreichs den Krieg an Portugal. Nun erst wurde Augereau freigegeben. Er kehrte nach Frankreich zurück und kämpfte in der Vendee mit, wo er das Heer des unfähigen Generals Rvucin rettete. Überall zeichnete er sich durch Entschlossenheit, Scharfblick und Aus¬ dauer aus; in Italien wurde er General und entschied den für Napoleon wichtigen Sieg bei Castiglione. In der Schlacht bei Saalfeld nahm er das preußische Regiment, worin er früher als Grenadier gedient hatte, gefangen. Er erkannte unter den Gefangnen seinen alten Kvmpagnieosfizier, der noch immer Hauptmann war, während er, der Taugenichts, es bis zum Feldmarschall und Herzog gebracht hatte! Marbvt war während des Feldzuges von l805 Augereaus Adjutant und hatte die bei Bregenz dem österreichischen Korps des Feldmarschalls Jellachich abgenommenen Fahnen nach Brttnu, Napoleons Hauptquartier, zu schaffen. Einige Tage später erschien dort anch der preußische Gesandte von Haugwitz. Welch ein diplomatisches Possenspiel Napoleon mit diesem unfähigen Menschen trieb, davon giebt uns Marbvt zum erstenmale einen ausführlichen Bericht. Herr von Haugwitz, erzählt er, kam einige Tage vor der Schlacht bei Austerlil', in Brun» an; er hatte die Absicht, den Ausgang der gewaltigen Schlacht, zu der man sich rüstete, abzuwarten. Sein König sollte sich nicht rühren, wen» wir Sieger sein würden, uns aber angreifen, wenn man uns schlagen würde. Da Napoleon wußte, daß Haugwitz alle Abende einen Kourier nach Berlin sandte, so wollte er, daß man in Preußen die Niederlage und Gefangennahme von Jellachichs Korps von Haugwitz erführe. Daher griff er zu folgendem Mittel. Der Hofmarschall Duroc wies uus an, was wir zu thun hatten, uno ließ alle Fahnen, die wir von Bregenz gebracht hatten, wieder in unser Quartier zurückschaffen. Während der Kaiser bald darauf in seinem Zimmer mit Haugwitz verhandelte, wiederholten wir die ganze Feierlichkeit der Fahnen¬ übergabe in derselben Weise, wie es zuerst geschehen war. Als der Kaiser die Musik im Schloßhof hörte, heuchelte er großes Erstaunen und eilte mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/309>, abgerufen am 23.07.2024.