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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Gesellschaften mit beschränkter haftnng

das Beispiel Englands angeführt, wo "unter formell mißbräuchlicher Durch¬
brechung des Aktienrechts" in großer Zahl Gesellschaften mit beschränkter
Haftung, und zwar auch für Geschäfte von kleinsten Umfange, entstünden. Die¬
selbe Erscheinung zeige sich auch bei nus. Bei Erlaß des Aktieugesetzcs von
l884 sei mau, wie die Motive ergeben, von der Erwartung ausgegangen, das
neue Gesetz werde namentlich die Assoziation großer Kapitalien fördern, es
werde verhindern, daß sich Gründungen solchen Unternehmungen zuwenden, die
sich schon mit den Mitteln Einzelner oder gewöhnlicher Gesellschaften erreichen
ließen. Diese Hoffnung sei durchaus nicht in Erfüllung gegangen. Gerade
nach dem neuen Gesetz entstünden jetzt Aktiengesellschaften von geringsten Um¬
fange und mit dem geringsten Kapital. Gewerbliche Unternehmungen würden
als Aktiengesellschaften von wenigen Männern gegründet, von denen einige
den Vorstand, die übrigen den Aufsichtsrat bildeten. Religiöse Vereine, die
lediglich Krankenpflege oder die Verbreitung von Flugschriften zum Zwecke
hätten, gründeten sich als Aktiengesellschaft. Desgleichen studentische Ver¬
bindungen (Bonner Preußenkneipe), "Eine Miniaturgesellschaft von tausend
Mark Grundkapital, eingeteilt in fünf Aktien, stattet sich mit einem Vorstand
von zwei Mitgliedern und einem Aufsichtsrat von nenn Personen ans (Aktien¬
gesellschaft zur Räuberhöhle in Mannheim)."

Eine andre Form, durch die man unter nüßbränchlicher Anwendung des
bestehenden Rechts beschränkte Haftung erziele, sei die Ausdehnung deS Rechts
der Berggewerkschaft. Eine Gesellschaft z. B., die die Herstellung von Dampf¬
kesseln betreiben wolle, kaufe eine winzige stillliegende Eisengrube, gründe
auf diesen Besitz eine Gewerkschaft und betreibe als solche dann auch die
Kesfelfabrik.

Für manche Gesellschaften passe die Form der Aktiengesellschaft schon des¬
halb nicht, weil die dabei vorgeschriebnen Veröffentlichungen allen Konkurrenten
einen freien Einblick in das Geschäft gewährten, was manche Geschäfte nicht
ertragen könnten. Andre Arten von Geschäften! könnten gar nicht in der
Form der Aktiengesellschaft betrieben werden; so z. B. der Ankauf vou Grund-
stücken zur Parzellirung, die Anlegung von landwirtschaftlichen Fabriken,
namentlich von Zuckerfabriken. Auch sei es unnatürlich, wenn zur Fort¬
führung großer gewerblicher Anlagen, die durch Erdfall auf eine Familie über¬
gegangen seien, diese zur Bildung einer Aktiengesellschaft schreiten müsse. Für
alle solche Verhältnisse müsse eine neue Gesellschaftsform geschaffen werden.

Für diese neue Gesellschaftsform werden dann Vorschläge gemacht, die
wir hier übergehen können, da sie sich im wesentlichen mit der nun zu er¬
wähnenden Gesetzvorlage decken.

Es hat nämlich am 20. Oktober I8!>l der Reichskanzler dem Bundes¬
rate den Entwurf eines Gesetzes vorgelegt, das die Schaffung von Gesell¬
schaften mit beschränkter Haftung zum Ziel hat. Der Entwurf, der ueunuud-


Gesellschaften mit beschränkter haftnng

das Beispiel Englands angeführt, wo „unter formell mißbräuchlicher Durch¬
brechung des Aktienrechts" in großer Zahl Gesellschaften mit beschränkter
Haftung, und zwar auch für Geschäfte von kleinsten Umfange, entstünden. Die¬
selbe Erscheinung zeige sich auch bei nus. Bei Erlaß des Aktieugesetzcs von
l884 sei mau, wie die Motive ergeben, von der Erwartung ausgegangen, das
neue Gesetz werde namentlich die Assoziation großer Kapitalien fördern, es
werde verhindern, daß sich Gründungen solchen Unternehmungen zuwenden, die
sich schon mit den Mitteln Einzelner oder gewöhnlicher Gesellschaften erreichen
ließen. Diese Hoffnung sei durchaus nicht in Erfüllung gegangen. Gerade
nach dem neuen Gesetz entstünden jetzt Aktiengesellschaften von geringsten Um¬
fange und mit dem geringsten Kapital. Gewerbliche Unternehmungen würden
als Aktiengesellschaften von wenigen Männern gegründet, von denen einige
den Vorstand, die übrigen den Aufsichtsrat bildeten. Religiöse Vereine, die
lediglich Krankenpflege oder die Verbreitung von Flugschriften zum Zwecke
hätten, gründeten sich als Aktiengesellschaft. Desgleichen studentische Ver¬
bindungen (Bonner Preußenkneipe), „Eine Miniaturgesellschaft von tausend
Mark Grundkapital, eingeteilt in fünf Aktien, stattet sich mit einem Vorstand
von zwei Mitgliedern und einem Aufsichtsrat von nenn Personen ans (Aktien¬
gesellschaft zur Räuberhöhle in Mannheim)."

Eine andre Form, durch die man unter nüßbränchlicher Anwendung des
bestehenden Rechts beschränkte Haftung erziele, sei die Ausdehnung deS Rechts
der Berggewerkschaft. Eine Gesellschaft z. B., die die Herstellung von Dampf¬
kesseln betreiben wolle, kaufe eine winzige stillliegende Eisengrube, gründe
auf diesen Besitz eine Gewerkschaft und betreibe als solche dann auch die
Kesfelfabrik.

Für manche Gesellschaften passe die Form der Aktiengesellschaft schon des¬
halb nicht, weil die dabei vorgeschriebnen Veröffentlichungen allen Konkurrenten
einen freien Einblick in das Geschäft gewährten, was manche Geschäfte nicht
ertragen könnten. Andre Arten von Geschäften! könnten gar nicht in der
Form der Aktiengesellschaft betrieben werden; so z. B. der Ankauf vou Grund-
stücken zur Parzellirung, die Anlegung von landwirtschaftlichen Fabriken,
namentlich von Zuckerfabriken. Auch sei es unnatürlich, wenn zur Fort¬
führung großer gewerblicher Anlagen, die durch Erdfall auf eine Familie über¬
gegangen seien, diese zur Bildung einer Aktiengesellschaft schreiten müsse. Für
alle solche Verhältnisse müsse eine neue Gesellschaftsform geschaffen werden.

Für diese neue Gesellschaftsform werden dann Vorschläge gemacht, die
wir hier übergehen können, da sie sich im wesentlichen mit der nun zu er¬
wähnenden Gesetzvorlage decken.

Es hat nämlich am 20. Oktober I8!>l der Reichskanzler dem Bundes¬
rate den Entwurf eines Gesetzes vorgelegt, das die Schaffung von Gesell¬
schaften mit beschränkter Haftung zum Ziel hat. Der Entwurf, der ueunuud-


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[0220] Gesellschaften mit beschränkter haftnng das Beispiel Englands angeführt, wo „unter formell mißbräuchlicher Durch¬ brechung des Aktienrechts" in großer Zahl Gesellschaften mit beschränkter Haftung, und zwar auch für Geschäfte von kleinsten Umfange, entstünden. Die¬ selbe Erscheinung zeige sich auch bei nus. Bei Erlaß des Aktieugesetzcs von l884 sei mau, wie die Motive ergeben, von der Erwartung ausgegangen, das neue Gesetz werde namentlich die Assoziation großer Kapitalien fördern, es werde verhindern, daß sich Gründungen solchen Unternehmungen zuwenden, die sich schon mit den Mitteln Einzelner oder gewöhnlicher Gesellschaften erreichen ließen. Diese Hoffnung sei durchaus nicht in Erfüllung gegangen. Gerade nach dem neuen Gesetz entstünden jetzt Aktiengesellschaften von geringsten Um¬ fange und mit dem geringsten Kapital. Gewerbliche Unternehmungen würden als Aktiengesellschaften von wenigen Männern gegründet, von denen einige den Vorstand, die übrigen den Aufsichtsrat bildeten. Religiöse Vereine, die lediglich Krankenpflege oder die Verbreitung von Flugschriften zum Zwecke hätten, gründeten sich als Aktiengesellschaft. Desgleichen studentische Ver¬ bindungen (Bonner Preußenkneipe), „Eine Miniaturgesellschaft von tausend Mark Grundkapital, eingeteilt in fünf Aktien, stattet sich mit einem Vorstand von zwei Mitgliedern und einem Aufsichtsrat von nenn Personen ans (Aktien¬ gesellschaft zur Räuberhöhle in Mannheim)." Eine andre Form, durch die man unter nüßbränchlicher Anwendung des bestehenden Rechts beschränkte Haftung erziele, sei die Ausdehnung deS Rechts der Berggewerkschaft. Eine Gesellschaft z. B., die die Herstellung von Dampf¬ kesseln betreiben wolle, kaufe eine winzige stillliegende Eisengrube, gründe auf diesen Besitz eine Gewerkschaft und betreibe als solche dann auch die Kesfelfabrik. Für manche Gesellschaften passe die Form der Aktiengesellschaft schon des¬ halb nicht, weil die dabei vorgeschriebnen Veröffentlichungen allen Konkurrenten einen freien Einblick in das Geschäft gewährten, was manche Geschäfte nicht ertragen könnten. Andre Arten von Geschäften! könnten gar nicht in der Form der Aktiengesellschaft betrieben werden; so z. B. der Ankauf vou Grund- stücken zur Parzellirung, die Anlegung von landwirtschaftlichen Fabriken, namentlich von Zuckerfabriken. Auch sei es unnatürlich, wenn zur Fort¬ führung großer gewerblicher Anlagen, die durch Erdfall auf eine Familie über¬ gegangen seien, diese zur Bildung einer Aktiengesellschaft schreiten müsse. Für alle solche Verhältnisse müsse eine neue Gesellschaftsform geschaffen werden. Für diese neue Gesellschaftsform werden dann Vorschläge gemacht, die wir hier übergehen können, da sie sich im wesentlichen mit der nun zu er¬ wähnenden Gesetzvorlage decken. Es hat nämlich am 20. Oktober I8!>l der Reichskanzler dem Bundes¬ rate den Entwurf eines Gesetzes vorgelegt, das die Schaffung von Gesell¬ schaften mit beschränkter Haftung zum Ziel hat. Der Entwurf, der ueunuud-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/220>, abgerufen am 23.07.2024.