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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Aus dänischer Zeit

Zuerst hatte Frau Friederichseu woll zwanzig Spezies Belohnung versprochen
für den, der ihren Manu wieder brächte; aber kein Mensch fand ihm und so
ging allens allmächtig weiter. Weihnachten kam, und denn das Mistfahren,
und denn Ostern, und denn die Heuernte, und denn die Wcizenernte. Und
zwischendurch hatte Frau Friederichseu noch zweimal Swcinslnchtcn gehabt,
und die Knechtens und Mädchens hatten ordentlich Speck und Grütze ge¬
gessen und viel von das Swein- und Kuhfleisch, das unten in Keller in
große Tournus eingesalzen stand. Und ein große Tonne war da, dn hatte
Iran Friederichseu die besten Stücke von die Kuh und das Swein in Salzlake
gelegt, und da wollte sie in Herbst bei. Abers als ihr Bruder sich aufhängte,
weil er nicht wußte, ob er sein Geld in Papieren oder in Hausers anlegen
sollt, da ging Fran Friederichseu doch an die beste Tonne, weil sie ihr
Swiegcrin ein gutes Stück fürs Leichenbier schicken wollt. Abersteu da war
gar kein Kuhfleisch mehr ein; bloß Jochen Friederichseu, der stand in die
Salzlake und war so gut vertvuservirt, daß jedermann ihn direktemang erkannte!

Oh Mahlmann, das hatten die Diebe gethan! rief ich entsetzt.

Der Erzähler sah mich listig an. Da weiß ich nix von, Kind! Ich bin
"ich beigewesen, als sie ihm fanden; abersten die Lenkers sagen, daß Fran
Friederichseu beswiemelt war, als sie ihren Mann mit einmal wiedergefunden
hat. Ja, so sind die Weihers! Erst schreien sie, wenn einer tot bleibt; und
wenn sie ihn wieder finden, dann mögen sie das auch nich! Abers sonsten
war die Frau ganz vernünftig geworden. Als ich hinging und fragte, ob ich
um "ich ein büschen Leichenwnch halten sollt bei Herr Friederichseu, da is sie
ganz manierlich gewesen, hat mich ein paar Spezies geschenkt und ein paar
dicke Würste. Und was so ante Freunde von mich gewesen sind, die haben
auch allerlei gekriegt; abers gewacht haben wir nich. Die Fermilie hat ge¬
meint, wir sollten uns mau nich in Ungelegenheiten setze", und Friederichseu
is flink eingegraben worden. Das is ümmer das beste, wenn man nich soviel
Snackerei von ein kleinen Spaß macht; das hätte sie man früher einsehen
sollen!

Als ich Mahlmann jetzt den geräucherten Aal verehrte, war er sehr be¬
friedigt und versprach mir noch eine schöne Geschichte zu erzählen, wenn ich
ihm bald wieder etwas Gutes brächte. Dieses Versprechen hat er auch ge¬
halten. Aber die Erzählung von dem verschwundenen Herrn Friederichseu
wollte er uns niemals wiederholen; aus welchem Grunde, konnten wir nicht
erfahre". Später habe ich in alten Akten dieselbe Geschichte wieder gefunden;
sie war aber so umständlich und langweilig erzählt, daß ich Mahlmanns
Bericht den Vorzug geben möchte. Eins aber ging aus deu langweiligen Akten
klar hervor, daß unser Freund Mahlmann Herrn Friederichsen in die Salzlake
gesteckt, und daß er zu deu Leuten gehört hatte, die so viel Gemüt besäße"
und so schöne Verse dichteten.


Aus dänischer Zeit

Zuerst hatte Frau Friederichseu woll zwanzig Spezies Belohnung versprochen
für den, der ihren Manu wieder brächte; aber kein Mensch fand ihm und so
ging allens allmächtig weiter. Weihnachten kam, und denn das Mistfahren,
und denn Ostern, und denn die Heuernte, und denn die Wcizenernte. Und
zwischendurch hatte Frau Friederichseu noch zweimal Swcinslnchtcn gehabt,
und die Knechtens und Mädchens hatten ordentlich Speck und Grütze ge¬
gessen und viel von das Swein- und Kuhfleisch, das unten in Keller in
große Tournus eingesalzen stand. Und ein große Tonne war da, dn hatte
Iran Friederichseu die besten Stücke von die Kuh und das Swein in Salzlake
gelegt, und da wollte sie in Herbst bei. Abers als ihr Bruder sich aufhängte,
weil er nicht wußte, ob er sein Geld in Papieren oder in Hausers anlegen
sollt, da ging Fran Friederichseu doch an die beste Tonne, weil sie ihr
Swiegcrin ein gutes Stück fürs Leichenbier schicken wollt. Abersteu da war
gar kein Kuhfleisch mehr ein; bloß Jochen Friederichseu, der stand in die
Salzlake und war so gut vertvuservirt, daß jedermann ihn direktemang erkannte!

Oh Mahlmann, das hatten die Diebe gethan! rief ich entsetzt.

Der Erzähler sah mich listig an. Da weiß ich nix von, Kind! Ich bin
»ich beigewesen, als sie ihm fanden; abersten die Lenkers sagen, daß Fran
Friederichseu beswiemelt war, als sie ihren Mann mit einmal wiedergefunden
hat. Ja, so sind die Weihers! Erst schreien sie, wenn einer tot bleibt; und
wenn sie ihn wieder finden, dann mögen sie das auch nich! Abers sonsten
war die Frau ganz vernünftig geworden. Als ich hinging und fragte, ob ich
um »ich ein büschen Leichenwnch halten sollt bei Herr Friederichseu, da is sie
ganz manierlich gewesen, hat mich ein paar Spezies geschenkt und ein paar
dicke Würste. Und was so ante Freunde von mich gewesen sind, die haben
auch allerlei gekriegt; abers gewacht haben wir nich. Die Fermilie hat ge¬
meint, wir sollten uns mau nich in Ungelegenheiten setze», und Friederichseu
is flink eingegraben worden. Das is ümmer das beste, wenn man nich soviel
Snackerei von ein kleinen Spaß macht; das hätte sie man früher einsehen
sollen!

Als ich Mahlmann jetzt den geräucherten Aal verehrte, war er sehr be¬
friedigt und versprach mir noch eine schöne Geschichte zu erzählen, wenn ich
ihm bald wieder etwas Gutes brächte. Dieses Versprechen hat er auch ge¬
halten. Aber die Erzählung von dem verschwundenen Herrn Friederichseu
wollte er uns niemals wiederholen; aus welchem Grunde, konnten wir nicht
erfahre». Später habe ich in alten Akten dieselbe Geschichte wieder gefunden;
sie war aber so umständlich und langweilig erzählt, daß ich Mahlmanns
Bericht den Vorzug geben möchte. Eins aber ging aus deu langweiligen Akten
klar hervor, daß unser Freund Mahlmann Herrn Friederichsen in die Salzlake
gesteckt, und daß er zu deu Leuten gehört hatte, die so viel Gemüt besäße»
und so schöne Verse dichteten.


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[0627] Aus dänischer Zeit Zuerst hatte Frau Friederichseu woll zwanzig Spezies Belohnung versprochen für den, der ihren Manu wieder brächte; aber kein Mensch fand ihm und so ging allens allmächtig weiter. Weihnachten kam, und denn das Mistfahren, und denn Ostern, und denn die Heuernte, und denn die Wcizenernte. Und zwischendurch hatte Frau Friederichseu noch zweimal Swcinslnchtcn gehabt, und die Knechtens und Mädchens hatten ordentlich Speck und Grütze ge¬ gessen und viel von das Swein- und Kuhfleisch, das unten in Keller in große Tournus eingesalzen stand. Und ein große Tonne war da, dn hatte Iran Friederichseu die besten Stücke von die Kuh und das Swein in Salzlake gelegt, und da wollte sie in Herbst bei. Abers als ihr Bruder sich aufhängte, weil er nicht wußte, ob er sein Geld in Papieren oder in Hausers anlegen sollt, da ging Fran Friederichseu doch an die beste Tonne, weil sie ihr Swiegcrin ein gutes Stück fürs Leichenbier schicken wollt. Abersteu da war gar kein Kuhfleisch mehr ein; bloß Jochen Friederichseu, der stand in die Salzlake und war so gut vertvuservirt, daß jedermann ihn direktemang erkannte! Oh Mahlmann, das hatten die Diebe gethan! rief ich entsetzt. Der Erzähler sah mich listig an. Da weiß ich nix von, Kind! Ich bin »ich beigewesen, als sie ihm fanden; abersten die Lenkers sagen, daß Fran Friederichseu beswiemelt war, als sie ihren Mann mit einmal wiedergefunden hat. Ja, so sind die Weihers! Erst schreien sie, wenn einer tot bleibt; und wenn sie ihn wieder finden, dann mögen sie das auch nich! Abers sonsten war die Frau ganz vernünftig geworden. Als ich hinging und fragte, ob ich um »ich ein büschen Leichenwnch halten sollt bei Herr Friederichseu, da is sie ganz manierlich gewesen, hat mich ein paar Spezies geschenkt und ein paar dicke Würste. Und was so ante Freunde von mich gewesen sind, die haben auch allerlei gekriegt; abers gewacht haben wir nich. Die Fermilie hat ge¬ meint, wir sollten uns mau nich in Ungelegenheiten setze», und Friederichseu is flink eingegraben worden. Das is ümmer das beste, wenn man nich soviel Snackerei von ein kleinen Spaß macht; das hätte sie man früher einsehen sollen! Als ich Mahlmann jetzt den geräucherten Aal verehrte, war er sehr be¬ friedigt und versprach mir noch eine schöne Geschichte zu erzählen, wenn ich ihm bald wieder etwas Gutes brächte. Dieses Versprechen hat er auch ge¬ halten. Aber die Erzählung von dem verschwundenen Herrn Friederichseu wollte er uns niemals wiederholen; aus welchem Grunde, konnten wir nicht erfahre». Später habe ich in alten Akten dieselbe Geschichte wieder gefunden; sie war aber so umständlich und langweilig erzählt, daß ich Mahlmanns Bericht den Vorzug geben möchte. Eins aber ging aus deu langweiligen Akten klar hervor, daß unser Freund Mahlmann Herrn Friederichsen in die Salzlake gesteckt, und daß er zu deu Leuten gehört hatte, die so viel Gemüt besäße» und so schöne Verse dichteten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/627>, abgerufen am 23.07.2024.