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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Ans dänischer Zeit

bei Friederichsen wachen und meldete mir dazu, was doch ein Zeichen von
mein guten Gemüt war, weil daß er auch von mich was Böses gesagt hatte.
Abersten als ich mir bei Frau Friederichsen anbiete, da faßt sie mir an den
Hals und smeißt mir so ohne Sangfassong aus die Thür und sagt, daß ihre
Knechtens bessere Wächter wären, als ich, und schimpferirt so fürchterlich hinter
mich her, daß ich ordentlich swiemelig in Kopf wurde. Weil ich nun aber
ein gutes Gemüt hab, bin ich still weggegangen, und die Wächters, die sitzen
ueben die Stube, wo Herr Friederichsen liegt und snacken und trinken und
essen. Natürlicherweise sind sie vergnügt, von wegen das gute Essen und
Trinken, und die Mädchens, die in die Backstube stehen und Kuchen aufrühren,
die sind eines lustig. Denn ein feines Leicheubier mit Braten und Wein und
Kuchen, das is üminer ein fermoses Fest gewesen, worauf sich jedermann in
Ehren freuen kann. Drei Tage und drei Nächte hatte das Leichenwachen all
gedauert, und an den vierten Tag sollte das Fest und die Beerdigung sein.
Vielleicht, daß nun die Knechtens und Mädchens ein büschen flasrig geworden
waren: ich weiß da nix von, abers denken kann ich mich das. Da war viel
Arbeit ins Haus gewesen: sie hatten auch zwei Kälber geflüchtet und viele
Tauben und Hübners, weil die Verwandtschaft so groß war, und dein Leichen-
smaus doch ordentlich gegessen wird. Da kommt der Tischler mit die Leichen¬
kiste und geht in die Stube, wo Jochen Friederichseu liegt, und will ihn in
den Sarg legen. Mit ein furchtbar dummen Gesicht kommt er wieder aus
das Zimmer, denn Jochen war nich da!

Mahlmcinn schwieg. Er hatte sein Leibgericht behaglich aufgegessen und
reichte mir jetzt die Schüssel.

Er war nicht da? wiederholte ich, starr vor Erstaunen. Wo war
er denn?

Der Alte wischte sich mit einem rvtbaninwollnen Tuche den Mund ab.
Slina kann gut Klöse braten! bemerkte er wohlwollend. Bloß, da muß ein
büschen mehr Speck ein sein, und in die .Klöse ein büschen mehr Eier. Dann
is es ein Essen füm täuschen König!

Aber Mahlmann! rief ich verzweiflungsvoll, wo war denn Jochen
Friederichsen? Du mußt es uus sagen!

Der alte Mann zuckte die Achseln. Das hat er mich jn auch nich ge¬
sagt, wo er war, da weiß ich wahrhaftig kein Wort von. Jochen Friederichsen
lag nich mehr auf sein Totenbett, und all die Kuchens und all die Bratens
waren umsonst gebacken und gebraten, denn da konnte kein Leichenbier sein,
wo die Leiche mit einemmal einen kleinen Spaziergang machte!

Sie mußte aber doch wiederkommen! bemerkte einer meiner Brüder. Aber
Mahlmann antwortete nicht weiter, sondern sah starr auf die weißgetünchte
Wand, an der die Sonne runde Figürchen malte. Das war stimm für
Frau Friederichsen! sagte er dann. Die hatte sich iimmer so viel eingebildet und


Ans dänischer Zeit

bei Friederichsen wachen und meldete mir dazu, was doch ein Zeichen von
mein guten Gemüt war, weil daß er auch von mich was Böses gesagt hatte.
Abersten als ich mir bei Frau Friederichsen anbiete, da faßt sie mir an den
Hals und smeißt mir so ohne Sangfassong aus die Thür und sagt, daß ihre
Knechtens bessere Wächter wären, als ich, und schimpferirt so fürchterlich hinter
mich her, daß ich ordentlich swiemelig in Kopf wurde. Weil ich nun aber
ein gutes Gemüt hab, bin ich still weggegangen, und die Wächters, die sitzen
ueben die Stube, wo Herr Friederichsen liegt und snacken und trinken und
essen. Natürlicherweise sind sie vergnügt, von wegen das gute Essen und
Trinken, und die Mädchens, die in die Backstube stehen und Kuchen aufrühren,
die sind eines lustig. Denn ein feines Leicheubier mit Braten und Wein und
Kuchen, das is üminer ein fermoses Fest gewesen, worauf sich jedermann in
Ehren freuen kann. Drei Tage und drei Nächte hatte das Leichenwachen all
gedauert, und an den vierten Tag sollte das Fest und die Beerdigung sein.
Vielleicht, daß nun die Knechtens und Mädchens ein büschen flasrig geworden
waren: ich weiß da nix von, abers denken kann ich mich das. Da war viel
Arbeit ins Haus gewesen: sie hatten auch zwei Kälber geflüchtet und viele
Tauben und Hübners, weil die Verwandtschaft so groß war, und dein Leichen-
smaus doch ordentlich gegessen wird. Da kommt der Tischler mit die Leichen¬
kiste und geht in die Stube, wo Jochen Friederichseu liegt, und will ihn in
den Sarg legen. Mit ein furchtbar dummen Gesicht kommt er wieder aus
das Zimmer, denn Jochen war nich da!

Mahlmcinn schwieg. Er hatte sein Leibgericht behaglich aufgegessen und
reichte mir jetzt die Schüssel.

Er war nicht da? wiederholte ich, starr vor Erstaunen. Wo war
er denn?

Der Alte wischte sich mit einem rvtbaninwollnen Tuche den Mund ab.
Slina kann gut Klöse braten! bemerkte er wohlwollend. Bloß, da muß ein
büschen mehr Speck ein sein, und in die .Klöse ein büschen mehr Eier. Dann
is es ein Essen füm täuschen König!

Aber Mahlmann! rief ich verzweiflungsvoll, wo war denn Jochen
Friederichsen? Du mußt es uus sagen!

Der alte Mann zuckte die Achseln. Das hat er mich jn auch nich ge¬
sagt, wo er war, da weiß ich wahrhaftig kein Wort von. Jochen Friederichsen
lag nich mehr auf sein Totenbett, und all die Kuchens und all die Bratens
waren umsonst gebacken und gebraten, denn da konnte kein Leichenbier sein,
wo die Leiche mit einemmal einen kleinen Spaziergang machte!

Sie mußte aber doch wiederkommen! bemerkte einer meiner Brüder. Aber
Mahlmann antwortete nicht weiter, sondern sah starr auf die weißgetünchte
Wand, an der die Sonne runde Figürchen malte. Das war stimm für
Frau Friederichsen! sagte er dann. Die hatte sich iimmer so viel eingebildet und


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[0624] Ans dänischer Zeit bei Friederichsen wachen und meldete mir dazu, was doch ein Zeichen von mein guten Gemüt war, weil daß er auch von mich was Böses gesagt hatte. Abersten als ich mir bei Frau Friederichsen anbiete, da faßt sie mir an den Hals und smeißt mir so ohne Sangfassong aus die Thür und sagt, daß ihre Knechtens bessere Wächter wären, als ich, und schimpferirt so fürchterlich hinter mich her, daß ich ordentlich swiemelig in Kopf wurde. Weil ich nun aber ein gutes Gemüt hab, bin ich still weggegangen, und die Wächters, die sitzen ueben die Stube, wo Herr Friederichsen liegt und snacken und trinken und essen. Natürlicherweise sind sie vergnügt, von wegen das gute Essen und Trinken, und die Mädchens, die in die Backstube stehen und Kuchen aufrühren, die sind eines lustig. Denn ein feines Leicheubier mit Braten und Wein und Kuchen, das is üminer ein fermoses Fest gewesen, worauf sich jedermann in Ehren freuen kann. Drei Tage und drei Nächte hatte das Leichenwachen all gedauert, und an den vierten Tag sollte das Fest und die Beerdigung sein. Vielleicht, daß nun die Knechtens und Mädchens ein büschen flasrig geworden waren: ich weiß da nix von, abers denken kann ich mich das. Da war viel Arbeit ins Haus gewesen: sie hatten auch zwei Kälber geflüchtet und viele Tauben und Hübners, weil die Verwandtschaft so groß war, und dein Leichen- smaus doch ordentlich gegessen wird. Da kommt der Tischler mit die Leichen¬ kiste und geht in die Stube, wo Jochen Friederichseu liegt, und will ihn in den Sarg legen. Mit ein furchtbar dummen Gesicht kommt er wieder aus das Zimmer, denn Jochen war nich da! Mahlmcinn schwieg. Er hatte sein Leibgericht behaglich aufgegessen und reichte mir jetzt die Schüssel. Er war nicht da? wiederholte ich, starr vor Erstaunen. Wo war er denn? Der Alte wischte sich mit einem rvtbaninwollnen Tuche den Mund ab. Slina kann gut Klöse braten! bemerkte er wohlwollend. Bloß, da muß ein büschen mehr Speck ein sein, und in die .Klöse ein büschen mehr Eier. Dann is es ein Essen füm täuschen König! Aber Mahlmann! rief ich verzweiflungsvoll, wo war denn Jochen Friederichsen? Du mußt es uus sagen! Der alte Mann zuckte die Achseln. Das hat er mich jn auch nich ge¬ sagt, wo er war, da weiß ich wahrhaftig kein Wort von. Jochen Friederichsen lag nich mehr auf sein Totenbett, und all die Kuchens und all die Bratens waren umsonst gebacken und gebraten, denn da konnte kein Leichenbier sein, wo die Leiche mit einemmal einen kleinen Spaziergang machte! Sie mußte aber doch wiederkommen! bemerkte einer meiner Brüder. Aber Mahlmann antwortete nicht weiter, sondern sah starr auf die weißgetünchte Wand, an der die Sonne runde Figürchen malte. Das war stimm für Frau Friederichsen! sagte er dann. Die hatte sich iimmer so viel eingebildet und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/624>, abgerufen am 26.08.2024.