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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Den Böotiern hatte die delphische Göttin in einer Zeit der Dürre em¬
pfohlen, sich vo" Trophonios in Lebadeia das Mittel, wie das Land zu Regen
kommen könne, sagen zu lassen. Die Männer thaten, wie ihnen geheißen
worden war, und stiegen nach mancherlei Waschungen, Salbungen und aller¬
hand Zeremonien in das Adyton des Gottes, in die Windungen einer dunkeln
Höhle hinab, wo heilige Schauer bis zum Todesgraueu ihre Seele überkamen.
Erst allmählich, berichtet Pausanms, kehrte ihnen der volle Verstand zurück,
aber das Lachen kam keinem wieder, der den Trophonios befragt hatte. Die
rociivivii ist eine gnädigere Göttin; wenn dn hinabtauchst in das scheinbare
Jrrsal der Ziffern, dann beschleicht dich auch eine Art geheimes Grauen, wie
in verhaltener Kraft arbeitet der Geist, während sich Buchstabe zu Buchstabe,
wort- und sinnrnndend, fügt, bis sich beim Daktylus des fünften Fußes die
verhaltene Spannung der Seele löst und beim Schlußfuße dem wohligen Ge¬
fühle über die gefuiidne Wahrheit, ja wahrhaftig auch einem Lächeln über
den -- geistreichen Schwindel Raum giebt, der in der lebendigen Kraft sinn¬
voller Rede aus diesen toten Zahlenreihen wie ein betäubender Duft aufsteigt.
Denn diese Tabellen mit ihren griechischen Lettern und den zahlreichen, wohl
beabsichtigten Druckfehlern haben in der That keinen andern Zweck als ver¬
wirrend zu wirken und so dem schlau angelegten Spiele den Zauber des
Mysteriösen zu wahren.

Sie sind an sich völlig überflüssiges Brimborium. Es bedarf gar keiner
Waschungen und Riten, keiner Rechnungen, keiner um- und Irrwege durch sie.
Neun Grnndhexameter, die einem im Jahre 176" in Köln erschienenen kabbali¬
stischen Weissagebüchlein*) entnommen zu sein scheinen, beantworten beinahe
sofort jede an die Göttin gestellte Frage ohne den Hokuspokus der Tabellen¬
ziffern. Es sind die Hexameter:

1DivoStellt intÄustciruuipvt tibiloväöras^tum
2Ist"pedisvupicto(ioinxlttbittiÜMCÄSUL
3llvvöllvitoN0N ivckötprosperiinurnön
4?-enlg,NIMI8einen'o80lV0l til>iooinuioclahiatus
5?01't<Zludöllsvoll"^rouiiltil^an6laillo annus
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6^urczL^disvertoxr^Sallon^udilatllönm
7Ritt"zmil^islloraümnsvovet tibiL-^vouIaVMNSN
8UounsoxtWvitiU!mein rscläktprilöiiii^tsmpus
9Lrväoa.lliäsininoritocloimditclöbiweoöluin.

Man sieht, sie sind (abgesehen von den falsch gemessenen tliönm und vövvy
äußerst geschickt gebaut. Sämtliche Füße können beliebig, nur immer in rechter



Vktivinium <Al)du,Iistio>lo Iisx-uuoti-o-aritliwoiivum "xtissimag ot kirtur-^ vontiriAvQti"
>n so <:vutinc?n^gg rv"xor>sionos aä omnos d^tas ^n!wstion<zö oziiübsns. Ciillen, Bey Johnn
Jacob Horst, 1766. Die Tabelle" sind einfacher als die Mohrschen.
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Den Böotiern hatte die delphische Göttin in einer Zeit der Dürre em¬
pfohlen, sich vo» Trophonios in Lebadeia das Mittel, wie das Land zu Regen
kommen könne, sagen zu lassen. Die Männer thaten, wie ihnen geheißen
worden war, und stiegen nach mancherlei Waschungen, Salbungen und aller¬
hand Zeremonien in das Adyton des Gottes, in die Windungen einer dunkeln
Höhle hinab, wo heilige Schauer bis zum Todesgraueu ihre Seele überkamen.
Erst allmählich, berichtet Pausanms, kehrte ihnen der volle Verstand zurück,
aber das Lachen kam keinem wieder, der den Trophonios befragt hatte. Die
rociivivii ist eine gnädigere Göttin; wenn dn hinabtauchst in das scheinbare
Jrrsal der Ziffern, dann beschleicht dich auch eine Art geheimes Grauen, wie
in verhaltener Kraft arbeitet der Geist, während sich Buchstabe zu Buchstabe,
wort- und sinnrnndend, fügt, bis sich beim Daktylus des fünften Fußes die
verhaltene Spannung der Seele löst und beim Schlußfuße dem wohligen Ge¬
fühle über die gefuiidne Wahrheit, ja wahrhaftig auch einem Lächeln über
den — geistreichen Schwindel Raum giebt, der in der lebendigen Kraft sinn¬
voller Rede aus diesen toten Zahlenreihen wie ein betäubender Duft aufsteigt.
Denn diese Tabellen mit ihren griechischen Lettern und den zahlreichen, wohl
beabsichtigten Druckfehlern haben in der That keinen andern Zweck als ver¬
wirrend zu wirken und so dem schlau angelegten Spiele den Zauber des
Mysteriösen zu wahren.

Sie sind an sich völlig überflüssiges Brimborium. Es bedarf gar keiner
Waschungen und Riten, keiner Rechnungen, keiner um- und Irrwege durch sie.
Neun Grnndhexameter, die einem im Jahre 176« in Köln erschienenen kabbali¬
stischen Weissagebüchlein*) entnommen zu sein scheinen, beantworten beinahe
sofort jede an die Göttin gestellte Frage ohne den Hokuspokus der Tabellen¬
ziffern. Es sind die Hexameter:

1DivoStellt intÄustciruuipvt tibiloväöras^tum
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9Lrväoa.lliäsininoritocloimditclöbiweoöluin.

Man sieht, sie sind (abgesehen von den falsch gemessenen tliönm und vövvy
äußerst geschickt gebaut. Sämtliche Füße können beliebig, nur immer in rechter



Vktivinium <Al)du,Iistio>lo Iisx-uuoti-o-aritliwoiivum »xtissimag ot kirtur-^ vontiriAvQti»
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Jacob Horst, 1766. Die Tabelle» sind einfacher als die Mohrschen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/613>, abgerufen am 26.08.2024.