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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Zur sozialen Frage

von dem Arbeitgeber erinnert, und es wird ihnen das Bewußtsein, daß auch
sie zu völlig selbständigen und deshalb auch Verantwortlicher Rechtssubjekten
herangewachsen seien, verkümmert. Am ersten ließe sich die letzte Einschränkung,
die mit Bezug auf die Verwendung, uoch rechtfertigen, solange ein großer Teil
der Arbeiter an Selbstbeherrschung und wirtschaftlicher Einsicht noch so vieles
zu wünschen übrig läßt.

Sobald man aber die Beteiligung als ein Recht der Arbeit betrachtet,
muß man es allen Angestellten einräumen und darf dagegen nicht einwenden,
daß manche Arbeiten (scheinbar) keinen Einfluß auf das Gedeihen des Unter¬
nehmens haben. Denn alle unentbehrliche Arbeit, sei sie hoch oder niedrig,
ist, wenn auch mit verschiedenem Betrage, zur Teilnahme berechtigt. Wird
dieses Recht anerkannt, so sind auch gewisse Karenzjahre nicht zu rechtfertigen.
Dagegen darf die Beteiligung aus dem Grunde nicht von der Aufführung der
Arbeiter abhängig gemacht werden, weil die Erziehung des Arbeiters nicht
mehr, wie zur Zeit der Patriarchalischeu Wirtschaft, Sache des Arbeitgebers
sein darf. Die Folgen übler Aufführung sind in großen: Betrieben durch die
Fabrikordnung zu regeln. Im übrigen wird ja das Recht, unbrauchbare
Mitglieder aus der Genossenschaft durch Kündigung auszuschließen, durch das
Recht der Gewinnbeteiligung nicht berührt.

Wir kommen zum Schlüsse, soviel auch noch zu sagen wäre, um den
Umfang der Betrachtungen nicht über den uns für jetzt zu Gebote stehenden
Raum hinaus auszudehnen. Zweierlei aber möchten wir "och besonders
wieder betonen: erstens, daß das Hin- und Hertappen auf dem Gebiete der
Gewinnbeteiligung aufhören und daß man, um das Ziel zu erreichen, feste
Prinzipien zu Grunde legen muß. Zweitens, daß die außerordentlich großen
und segensreichen Folgen erst dann völlig ans Licht treten werden, wenn diese
Einrichtung allgemeine Verbreitung findet. Erst dann wird der Arbeiter aus
der Lohnsklaverei, wie er seine jetzige Stellung nicht ganz mit Unrecht nennt,
erlöst sein, erst dann werden die Arbeitgeber den vollen und befriedigenden
Lohn für ihr Entgegenkommen finden.

Wir sind der Ansicht, daß die Beteiligung der Arbeit am Ertrage in der
von uns geschilderten Weise ein Recht der Arbeit sei; andrerseits aber hegen
wir die Überzeugung, daß mehr der Arbeit niemals gewährt werden könne.
Die gegenwärtigen Zeitverhältnisse fordern wahrlich dazu auf, zu überlegen,
ob nicht, um eine Versöhnung herbeizuführen, Opfer gebracht werden müssen.
Man täusche sich nicht über die Größe und über die Nähe der Gefahr und
vertraue nicht zu sehr auf die Allmacht des Staates. Denn der Staat besteht
doch um Ende aus Menschen.

Wer sich den Anschauungen des Verfassers nicht anzuschließen vermag,
wird wenigstens uicht verkennen, daß seine Betrachtungen über die soziale
Frage dem besten Willen entsprungen sind.




Zur sozialen Frage

von dem Arbeitgeber erinnert, und es wird ihnen das Bewußtsein, daß auch
sie zu völlig selbständigen und deshalb auch Verantwortlicher Rechtssubjekten
herangewachsen seien, verkümmert. Am ersten ließe sich die letzte Einschränkung,
die mit Bezug auf die Verwendung, uoch rechtfertigen, solange ein großer Teil
der Arbeiter an Selbstbeherrschung und wirtschaftlicher Einsicht noch so vieles
zu wünschen übrig läßt.

Sobald man aber die Beteiligung als ein Recht der Arbeit betrachtet,
muß man es allen Angestellten einräumen und darf dagegen nicht einwenden,
daß manche Arbeiten (scheinbar) keinen Einfluß auf das Gedeihen des Unter¬
nehmens haben. Denn alle unentbehrliche Arbeit, sei sie hoch oder niedrig,
ist, wenn auch mit verschiedenem Betrage, zur Teilnahme berechtigt. Wird
dieses Recht anerkannt, so sind auch gewisse Karenzjahre nicht zu rechtfertigen.
Dagegen darf die Beteiligung aus dem Grunde nicht von der Aufführung der
Arbeiter abhängig gemacht werden, weil die Erziehung des Arbeiters nicht
mehr, wie zur Zeit der Patriarchalischeu Wirtschaft, Sache des Arbeitgebers
sein darf. Die Folgen übler Aufführung sind in großen: Betrieben durch die
Fabrikordnung zu regeln. Im übrigen wird ja das Recht, unbrauchbare
Mitglieder aus der Genossenschaft durch Kündigung auszuschließen, durch das
Recht der Gewinnbeteiligung nicht berührt.

Wir kommen zum Schlüsse, soviel auch noch zu sagen wäre, um den
Umfang der Betrachtungen nicht über den uns für jetzt zu Gebote stehenden
Raum hinaus auszudehnen. Zweierlei aber möchten wir »och besonders
wieder betonen: erstens, daß das Hin- und Hertappen auf dem Gebiete der
Gewinnbeteiligung aufhören und daß man, um das Ziel zu erreichen, feste
Prinzipien zu Grunde legen muß. Zweitens, daß die außerordentlich großen
und segensreichen Folgen erst dann völlig ans Licht treten werden, wenn diese
Einrichtung allgemeine Verbreitung findet. Erst dann wird der Arbeiter aus
der Lohnsklaverei, wie er seine jetzige Stellung nicht ganz mit Unrecht nennt,
erlöst sein, erst dann werden die Arbeitgeber den vollen und befriedigenden
Lohn für ihr Entgegenkommen finden.

Wir sind der Ansicht, daß die Beteiligung der Arbeit am Ertrage in der
von uns geschilderten Weise ein Recht der Arbeit sei; andrerseits aber hegen
wir die Überzeugung, daß mehr der Arbeit niemals gewährt werden könne.
Die gegenwärtigen Zeitverhältnisse fordern wahrlich dazu auf, zu überlegen,
ob nicht, um eine Versöhnung herbeizuführen, Opfer gebracht werden müssen.
Man täusche sich nicht über die Größe und über die Nähe der Gefahr und
vertraue nicht zu sehr auf die Allmacht des Staates. Denn der Staat besteht
doch um Ende aus Menschen.

Wer sich den Anschauungen des Verfassers nicht anzuschließen vermag,
wird wenigstens uicht verkennen, daß seine Betrachtungen über die soziale
Frage dem besten Willen entsprungen sind.




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[0596] Zur sozialen Frage von dem Arbeitgeber erinnert, und es wird ihnen das Bewußtsein, daß auch sie zu völlig selbständigen und deshalb auch Verantwortlicher Rechtssubjekten herangewachsen seien, verkümmert. Am ersten ließe sich die letzte Einschränkung, die mit Bezug auf die Verwendung, uoch rechtfertigen, solange ein großer Teil der Arbeiter an Selbstbeherrschung und wirtschaftlicher Einsicht noch so vieles zu wünschen übrig läßt. Sobald man aber die Beteiligung als ein Recht der Arbeit betrachtet, muß man es allen Angestellten einräumen und darf dagegen nicht einwenden, daß manche Arbeiten (scheinbar) keinen Einfluß auf das Gedeihen des Unter¬ nehmens haben. Denn alle unentbehrliche Arbeit, sei sie hoch oder niedrig, ist, wenn auch mit verschiedenem Betrage, zur Teilnahme berechtigt. Wird dieses Recht anerkannt, so sind auch gewisse Karenzjahre nicht zu rechtfertigen. Dagegen darf die Beteiligung aus dem Grunde nicht von der Aufführung der Arbeiter abhängig gemacht werden, weil die Erziehung des Arbeiters nicht mehr, wie zur Zeit der Patriarchalischeu Wirtschaft, Sache des Arbeitgebers sein darf. Die Folgen übler Aufführung sind in großen: Betrieben durch die Fabrikordnung zu regeln. Im übrigen wird ja das Recht, unbrauchbare Mitglieder aus der Genossenschaft durch Kündigung auszuschließen, durch das Recht der Gewinnbeteiligung nicht berührt. Wir kommen zum Schlüsse, soviel auch noch zu sagen wäre, um den Umfang der Betrachtungen nicht über den uns für jetzt zu Gebote stehenden Raum hinaus auszudehnen. Zweierlei aber möchten wir »och besonders wieder betonen: erstens, daß das Hin- und Hertappen auf dem Gebiete der Gewinnbeteiligung aufhören und daß man, um das Ziel zu erreichen, feste Prinzipien zu Grunde legen muß. Zweitens, daß die außerordentlich großen und segensreichen Folgen erst dann völlig ans Licht treten werden, wenn diese Einrichtung allgemeine Verbreitung findet. Erst dann wird der Arbeiter aus der Lohnsklaverei, wie er seine jetzige Stellung nicht ganz mit Unrecht nennt, erlöst sein, erst dann werden die Arbeitgeber den vollen und befriedigenden Lohn für ihr Entgegenkommen finden. Wir sind der Ansicht, daß die Beteiligung der Arbeit am Ertrage in der von uns geschilderten Weise ein Recht der Arbeit sei; andrerseits aber hegen wir die Überzeugung, daß mehr der Arbeit niemals gewährt werden könne. Die gegenwärtigen Zeitverhältnisse fordern wahrlich dazu auf, zu überlegen, ob nicht, um eine Versöhnung herbeizuführen, Opfer gebracht werden müssen. Man täusche sich nicht über die Größe und über die Nähe der Gefahr und vertraue nicht zu sehr auf die Allmacht des Staates. Denn der Staat besteht doch um Ende aus Menschen. Wer sich den Anschauungen des Verfassers nicht anzuschließen vermag, wird wenigstens uicht verkennen, daß seine Betrachtungen über die soziale Frage dem besten Willen entsprungen sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/596>, abgerufen am 23.07.2024.