Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Stand der Arbeiterbewegung

Barmer, in Thalheim in Sachsen und Buhl bei Gebweiler im Elsaß die
Arbeit niedergelegt worden. Ferner haben gestreikt die Getreideträger der
Speicher in Hamburg, Duisburg und Mannheim, die Arbeiter in den Syenit¬
brüchen der Lausitz, die Handschuhmacher in Arnstadt, Hartha und Leberau (Ober¬
elsaß), die Schneider in Lübeck und die Schuhmacher in Hannover und Köln.
In Berlin waren außer deu Goldarbeitern "och die Former in der Metallfabrik
von Löwy ausständig, die Arbeiter in der Tischlerei von Dewitz, in der elek¬
trischen Fabrik von Angerstein, in der Appretnranstalt von Nauer, in der
Lederwarenfabrik von Landes, endlich die Bildhauer der Firma Zeidler und
die Klavierarbeiter der Firma Matz und Komp. In den meisten Fällen betrug
die Zahl der Ansständigen nicht mehr als 100; bei dein Streik der Tabak¬
arbeiter in Hamburg wird sie auf 55000 angegeben.

Mit einer allgemeinen Arbeitseinstellung haben auch wieder die west¬
fälischen Bergleute gedroht. Doch kam es nur auf 42 Zechen zu Teilaus-
stäuden, an denen sich gegen 19000 Arbeiter beteiligt haben. Die Bewegung
griff zwar auch nach dem Saarrevier über, doch war dort die Beteiligung
schwächer; uur auf zwei Zechen sind gegen 1800 Arbeiter ausständig gewesen.
Außerdem haben unabhängig von dieser Bewegung gestreikt: die Belegschaften
der Zeche Trappe in Schilschede in Westfalen, des Eisenbergwerkes Driesbach
bei Siegen, des Braunkohlenbergwerkes Henriette bei Uuseburg, der Zinkhütte
in Lipine und des Schmiedeschachtes bei Gleiwitz. Endlich sind noch die
Streiks der Gärtnergehilfen in Barmer und der Mägde des Rittergutes
Bohlen bei Leipzig zu erwähnen. Sie zeigen, daß allmählich auch die länd¬
lichen Betriebe beginnen, sich an der Bewegung zu beteiligen.

Wenig Erfreuliches ist über das Verhalten der Streitenden zu berichten.
Die meisten Arbeiterschaften haben sich bei Niederlegung der Arbeit des Kontrakt¬
bruches schuldig gemacht. Anscheinend haben nur die erwähnten Gärtner¬
gehilfen die gesetzliche Kündigungsfrist eingehalten. Ans der Kramstaschen
Fabrik wurden sogar die Beamten von den Arbeitern bedroht. Auch in Leberan
und Bremerhaven ließen sich die Streitenden Ausschreitungen zu schulden
kommen. Verursacht wurde die Mehrzahl der Streiks durch Lohuzwistigkeiten,
und zwar namentlich, weil die Löhne herabgesetzt werden sollten. In einem
Falle ist gestreikt worden wegen angeblich schlechter Behandlung und zu lauger
Arbeitszeit, in einem andern, weil eine neue Fabrikordnung, die eingeführt
werden sollte, den Arbeitern unannehmbar erschien. In Nvtha und in der
Fabrik von Esch wurden höhere Löhne verlangt. Die westfälischen Bergleute
kämpften für ihre bekannten Forderungen, achtstündige Arbeitszeit und Mimmal¬
lohn. Die Tabakarbeiter in Hamburg wollten vor allem den Arbeitgebern die
Anerkennung ihrer Organisation aufdrängen. In den Fabriken in Nötha und
von Esch in Mannheim setzten die Arbeiter ihre Forderungen durch. Die
Mehrzahl der Aufstände dagegen ging verloren, namentlich die, die wie die


Der Stand der Arbeiterbewegung

Barmer, in Thalheim in Sachsen und Buhl bei Gebweiler im Elsaß die
Arbeit niedergelegt worden. Ferner haben gestreikt die Getreideträger der
Speicher in Hamburg, Duisburg und Mannheim, die Arbeiter in den Syenit¬
brüchen der Lausitz, die Handschuhmacher in Arnstadt, Hartha und Leberau (Ober¬
elsaß), die Schneider in Lübeck und die Schuhmacher in Hannover und Köln.
In Berlin waren außer deu Goldarbeitern »och die Former in der Metallfabrik
von Löwy ausständig, die Arbeiter in der Tischlerei von Dewitz, in der elek¬
trischen Fabrik von Angerstein, in der Appretnranstalt von Nauer, in der
Lederwarenfabrik von Landes, endlich die Bildhauer der Firma Zeidler und
die Klavierarbeiter der Firma Matz und Komp. In den meisten Fällen betrug
die Zahl der Ansständigen nicht mehr als 100; bei dein Streik der Tabak¬
arbeiter in Hamburg wird sie auf 55000 angegeben.

Mit einer allgemeinen Arbeitseinstellung haben auch wieder die west¬
fälischen Bergleute gedroht. Doch kam es nur auf 42 Zechen zu Teilaus-
stäuden, an denen sich gegen 19000 Arbeiter beteiligt haben. Die Bewegung
griff zwar auch nach dem Saarrevier über, doch war dort die Beteiligung
schwächer; uur auf zwei Zechen sind gegen 1800 Arbeiter ausständig gewesen.
Außerdem haben unabhängig von dieser Bewegung gestreikt: die Belegschaften
der Zeche Trappe in Schilschede in Westfalen, des Eisenbergwerkes Driesbach
bei Siegen, des Braunkohlenbergwerkes Henriette bei Uuseburg, der Zinkhütte
in Lipine und des Schmiedeschachtes bei Gleiwitz. Endlich sind noch die
Streiks der Gärtnergehilfen in Barmer und der Mägde des Rittergutes
Bohlen bei Leipzig zu erwähnen. Sie zeigen, daß allmählich auch die länd¬
lichen Betriebe beginnen, sich an der Bewegung zu beteiligen.

Wenig Erfreuliches ist über das Verhalten der Streitenden zu berichten.
Die meisten Arbeiterschaften haben sich bei Niederlegung der Arbeit des Kontrakt¬
bruches schuldig gemacht. Anscheinend haben nur die erwähnten Gärtner¬
gehilfen die gesetzliche Kündigungsfrist eingehalten. Ans der Kramstaschen
Fabrik wurden sogar die Beamten von den Arbeitern bedroht. Auch in Leberan
und Bremerhaven ließen sich die Streitenden Ausschreitungen zu schulden
kommen. Verursacht wurde die Mehrzahl der Streiks durch Lohuzwistigkeiten,
und zwar namentlich, weil die Löhne herabgesetzt werden sollten. In einem
Falle ist gestreikt worden wegen angeblich schlechter Behandlung und zu lauger
Arbeitszeit, in einem andern, weil eine neue Fabrikordnung, die eingeführt
werden sollte, den Arbeitern unannehmbar erschien. In Nvtha und in der
Fabrik von Esch wurden höhere Löhne verlangt. Die westfälischen Bergleute
kämpften für ihre bekannten Forderungen, achtstündige Arbeitszeit und Mimmal¬
lohn. Die Tabakarbeiter in Hamburg wollten vor allem den Arbeitgebern die
Anerkennung ihrer Organisation aufdrängen. In den Fabriken in Nötha und
von Esch in Mannheim setzten die Arbeiter ihre Forderungen durch. Die
Mehrzahl der Aufstände dagegen ging verloren, namentlich die, die wie die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0058" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289826"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Stand der Arbeiterbewegung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_173" prev="#ID_172"> Barmer, in Thalheim in Sachsen und Buhl bei Gebweiler im Elsaß die<lb/>
Arbeit niedergelegt worden. Ferner haben gestreikt die Getreideträger der<lb/>
Speicher in Hamburg, Duisburg und Mannheim, die Arbeiter in den Syenit¬<lb/>
brüchen der Lausitz, die Handschuhmacher in Arnstadt, Hartha und Leberau (Ober¬<lb/>
elsaß), die Schneider in Lübeck und die Schuhmacher in Hannover und Köln.<lb/>
In Berlin waren außer deu Goldarbeitern »och die Former in der Metallfabrik<lb/>
von Löwy ausständig, die Arbeiter in der Tischlerei von Dewitz, in der elek¬<lb/>
trischen Fabrik von Angerstein, in der Appretnranstalt von Nauer, in der<lb/>
Lederwarenfabrik von Landes, endlich die Bildhauer der Firma Zeidler und<lb/>
die Klavierarbeiter der Firma Matz und Komp. In den meisten Fällen betrug<lb/>
die Zahl der Ansständigen nicht mehr als 100; bei dein Streik der Tabak¬<lb/>
arbeiter in Hamburg wird sie auf 55000 angegeben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_174"> Mit einer allgemeinen Arbeitseinstellung haben auch wieder die west¬<lb/>
fälischen Bergleute gedroht. Doch kam es nur auf 42 Zechen zu Teilaus-<lb/>
stäuden, an denen sich gegen 19000 Arbeiter beteiligt haben. Die Bewegung<lb/>
griff zwar auch nach dem Saarrevier über, doch war dort die Beteiligung<lb/>
schwächer; uur auf zwei Zechen sind gegen 1800 Arbeiter ausständig gewesen.<lb/>
Außerdem haben unabhängig von dieser Bewegung gestreikt: die Belegschaften<lb/>
der Zeche Trappe in Schilschede in Westfalen, des Eisenbergwerkes Driesbach<lb/>
bei Siegen, des Braunkohlenbergwerkes Henriette bei Uuseburg, der Zinkhütte<lb/>
in Lipine und des Schmiedeschachtes bei Gleiwitz. Endlich sind noch die<lb/>
Streiks der Gärtnergehilfen in Barmer und der Mägde des Rittergutes<lb/>
Bohlen bei Leipzig zu erwähnen. Sie zeigen, daß allmählich auch die länd¬<lb/>
lichen Betriebe beginnen, sich an der Bewegung zu beteiligen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_175" next="#ID_176"> Wenig Erfreuliches ist über das Verhalten der Streitenden zu berichten.<lb/>
Die meisten Arbeiterschaften haben sich bei Niederlegung der Arbeit des Kontrakt¬<lb/>
bruches schuldig gemacht. Anscheinend haben nur die erwähnten Gärtner¬<lb/>
gehilfen die gesetzliche Kündigungsfrist eingehalten. Ans der Kramstaschen<lb/>
Fabrik wurden sogar die Beamten von den Arbeitern bedroht. Auch in Leberan<lb/>
und Bremerhaven ließen sich die Streitenden Ausschreitungen zu schulden<lb/>
kommen. Verursacht wurde die Mehrzahl der Streiks durch Lohuzwistigkeiten,<lb/>
und zwar namentlich, weil die Löhne herabgesetzt werden sollten. In einem<lb/>
Falle ist gestreikt worden wegen angeblich schlechter Behandlung und zu lauger<lb/>
Arbeitszeit, in einem andern, weil eine neue Fabrikordnung, die eingeführt<lb/>
werden sollte, den Arbeitern unannehmbar erschien. In Nvtha und in der<lb/>
Fabrik von Esch wurden höhere Löhne verlangt. Die westfälischen Bergleute<lb/>
kämpften für ihre bekannten Forderungen, achtstündige Arbeitszeit und Mimmal¬<lb/>
lohn. Die Tabakarbeiter in Hamburg wollten vor allem den Arbeitgebern die<lb/>
Anerkennung ihrer Organisation aufdrängen. In den Fabriken in Nötha und<lb/>
von Esch in Mannheim setzten die Arbeiter ihre Forderungen durch. Die<lb/>
Mehrzahl der Aufstände dagegen ging verloren, namentlich die, die wie die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0058] Der Stand der Arbeiterbewegung Barmer, in Thalheim in Sachsen und Buhl bei Gebweiler im Elsaß die Arbeit niedergelegt worden. Ferner haben gestreikt die Getreideträger der Speicher in Hamburg, Duisburg und Mannheim, die Arbeiter in den Syenit¬ brüchen der Lausitz, die Handschuhmacher in Arnstadt, Hartha und Leberau (Ober¬ elsaß), die Schneider in Lübeck und die Schuhmacher in Hannover und Köln. In Berlin waren außer deu Goldarbeitern »och die Former in der Metallfabrik von Löwy ausständig, die Arbeiter in der Tischlerei von Dewitz, in der elek¬ trischen Fabrik von Angerstein, in der Appretnranstalt von Nauer, in der Lederwarenfabrik von Landes, endlich die Bildhauer der Firma Zeidler und die Klavierarbeiter der Firma Matz und Komp. In den meisten Fällen betrug die Zahl der Ansständigen nicht mehr als 100; bei dein Streik der Tabak¬ arbeiter in Hamburg wird sie auf 55000 angegeben. Mit einer allgemeinen Arbeitseinstellung haben auch wieder die west¬ fälischen Bergleute gedroht. Doch kam es nur auf 42 Zechen zu Teilaus- stäuden, an denen sich gegen 19000 Arbeiter beteiligt haben. Die Bewegung griff zwar auch nach dem Saarrevier über, doch war dort die Beteiligung schwächer; uur auf zwei Zechen sind gegen 1800 Arbeiter ausständig gewesen. Außerdem haben unabhängig von dieser Bewegung gestreikt: die Belegschaften der Zeche Trappe in Schilschede in Westfalen, des Eisenbergwerkes Driesbach bei Siegen, des Braunkohlenbergwerkes Henriette bei Uuseburg, der Zinkhütte in Lipine und des Schmiedeschachtes bei Gleiwitz. Endlich sind noch die Streiks der Gärtnergehilfen in Barmer und der Mägde des Rittergutes Bohlen bei Leipzig zu erwähnen. Sie zeigen, daß allmählich auch die länd¬ lichen Betriebe beginnen, sich an der Bewegung zu beteiligen. Wenig Erfreuliches ist über das Verhalten der Streitenden zu berichten. Die meisten Arbeiterschaften haben sich bei Niederlegung der Arbeit des Kontrakt¬ bruches schuldig gemacht. Anscheinend haben nur die erwähnten Gärtner¬ gehilfen die gesetzliche Kündigungsfrist eingehalten. Ans der Kramstaschen Fabrik wurden sogar die Beamten von den Arbeitern bedroht. Auch in Leberan und Bremerhaven ließen sich die Streitenden Ausschreitungen zu schulden kommen. Verursacht wurde die Mehrzahl der Streiks durch Lohuzwistigkeiten, und zwar namentlich, weil die Löhne herabgesetzt werden sollten. In einem Falle ist gestreikt worden wegen angeblich schlechter Behandlung und zu lauger Arbeitszeit, in einem andern, weil eine neue Fabrikordnung, die eingeführt werden sollte, den Arbeitern unannehmbar erschien. In Nvtha und in der Fabrik von Esch wurden höhere Löhne verlangt. Die westfälischen Bergleute kämpften für ihre bekannten Forderungen, achtstündige Arbeitszeit und Mimmal¬ lohn. Die Tabakarbeiter in Hamburg wollten vor allem den Arbeitgebern die Anerkennung ihrer Organisation aufdrängen. In den Fabriken in Nötha und von Esch in Mannheim setzten die Arbeiter ihre Forderungen durch. Die Mehrzahl der Aufstände dagegen ging verloren, namentlich die, die wie die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/58
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/58>, abgerufen am 26.08.2024.