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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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zahlreiche Schar von Männern, die, wenn sie auch nicht immer oder nicht
aufdringlich im Vordergrunde standen, doch in jenen schweren und trüben
Tagen die geistigen Führer des Volkes waren. Und Führer ziehen ja nie in
einem Massenaufgebot daher, sie lenken und leiten vereinzelt.

Diese Vorkämpfer -- Streiter, noch ehe die Schlacht wogte -- waren
gereifte Männer, zum Teil Greise. Sie waren die geistigen Urheber, die sitt¬
lichen Hebel der ganzen Bewegung. Zu ihnen gehörte, um nur einige zu
nennen, Fichte, Wilhelm von Humboldt, sogar uoch Schiller und, nicht zuletzt,
Christian Gottfried Körner. Ohne ihn, auch nur im geistigen Sinne gesprochen,
kein Karl Theodor Körner!

Weil aber dieser so ganz der Sohn auch seines geistigen Vaters war und
immer mehr zu werden versprach, so sei am hundertjährigen Geburtstage des
Helden und Sängers auch dessen gedacht, dem er nicht bloß das Sein,
sondern auch zum überwiegende" Teile das Werden und Fühlen verdankte.
In unsrer Zeit wird viel und wird wenig gelesen. Viel, um die Flut der
Tageslitteratur zu bewältigen; wenig, weil diese Flut eben Wasser, nichts als
Wasser ist, und man zwar mit den Augen, aber leider oft nicht für Geist und
Herz liest. Gute Bücher sind nach wie vor eine seltene Erscheinung, sie bleiben
aber häufig, wie die Perlenmuscheln in der See, ungesunden, wenn sie nicht
des Tauchers Hand vom Grunde emporholt. Ein solches gutes Buch, das
in sich schon der klare Beweis für unsre Ansicht über die Bedeutung Christian
Gottfried Körners ist, sind seine von Adolf Stern herausgegebnen gesammelten
Schriften.*)

In dem einbändigen, 423 Seiten zählenden Buche findet sich auch für den
Kenner reiche Geistesnahrung. Aber erst recht der Gebildete jedes Standes
sollte es lesen, für den Christian Gottfried Körner vorzugsweise schrieb. Für
ihn könnte es noch heutzutage ein Wegweiser und Ratgeber in vielen Füllen
sein. Wen" nur überhaupt die Persönlichkeit des Verfassers, den man eben
gewöhnlich bloß als den Vater des Sohnes nennt, bekannter wäre! Mögen
die Feuer, die zu Ehren Theodor Körners an dessen hundertjährigem Geburts¬
tage aufflammen werden, auch dazu dienen, ihren Schein rückwärts auf Leben
und Charakter des Vaters zu werfen!

Bekanntlich gab Christian Gottfried Körner, als der Sohn ihm seinen
heldenmütigen Vorsatz mitteilte, fürs Vaterland zu kämpfen, unbedenklich seine
Zustimmung. Die große Zeit fand beide nicht klein. Ja in jenen Tagen des
erwachenden Völkerfrühliugs schrieb auch der Vater eine zündende Flugschrift,
von der nur noch wenige Exemplare vorhanden sein mochten. Sie führt den
Titel "Deutschlands Hoffnungen" (Leipzig, 1813) und trügt das Motto ans



*) Christian Gottfried Körners gesammelte Schriften, herausgegeben von
Adolf Stern. Leipzig, Fr. Wilh. Grunow, 1831.

zahlreiche Schar von Männern, die, wenn sie auch nicht immer oder nicht
aufdringlich im Vordergrunde standen, doch in jenen schweren und trüben
Tagen die geistigen Führer des Volkes waren. Und Führer ziehen ja nie in
einem Massenaufgebot daher, sie lenken und leiten vereinzelt.

Diese Vorkämpfer — Streiter, noch ehe die Schlacht wogte — waren
gereifte Männer, zum Teil Greise. Sie waren die geistigen Urheber, die sitt¬
lichen Hebel der ganzen Bewegung. Zu ihnen gehörte, um nur einige zu
nennen, Fichte, Wilhelm von Humboldt, sogar uoch Schiller und, nicht zuletzt,
Christian Gottfried Körner. Ohne ihn, auch nur im geistigen Sinne gesprochen,
kein Karl Theodor Körner!

Weil aber dieser so ganz der Sohn auch seines geistigen Vaters war und
immer mehr zu werden versprach, so sei am hundertjährigen Geburtstage des
Helden und Sängers auch dessen gedacht, dem er nicht bloß das Sein,
sondern auch zum überwiegende» Teile das Werden und Fühlen verdankte.
In unsrer Zeit wird viel und wird wenig gelesen. Viel, um die Flut der
Tageslitteratur zu bewältigen; wenig, weil diese Flut eben Wasser, nichts als
Wasser ist, und man zwar mit den Augen, aber leider oft nicht für Geist und
Herz liest. Gute Bücher sind nach wie vor eine seltene Erscheinung, sie bleiben
aber häufig, wie die Perlenmuscheln in der See, ungesunden, wenn sie nicht
des Tauchers Hand vom Grunde emporholt. Ein solches gutes Buch, das
in sich schon der klare Beweis für unsre Ansicht über die Bedeutung Christian
Gottfried Körners ist, sind seine von Adolf Stern herausgegebnen gesammelten
Schriften.*)

In dem einbändigen, 423 Seiten zählenden Buche findet sich auch für den
Kenner reiche Geistesnahrung. Aber erst recht der Gebildete jedes Standes
sollte es lesen, für den Christian Gottfried Körner vorzugsweise schrieb. Für
ihn könnte es noch heutzutage ein Wegweiser und Ratgeber in vielen Füllen
sein. Wen» nur überhaupt die Persönlichkeit des Verfassers, den man eben
gewöhnlich bloß als den Vater des Sohnes nennt, bekannter wäre! Mögen
die Feuer, die zu Ehren Theodor Körners an dessen hundertjährigem Geburts¬
tage aufflammen werden, auch dazu dienen, ihren Schein rückwärts auf Leben
und Charakter des Vaters zu werfen!

Bekanntlich gab Christian Gottfried Körner, als der Sohn ihm seinen
heldenmütigen Vorsatz mitteilte, fürs Vaterland zu kämpfen, unbedenklich seine
Zustimmung. Die große Zeit fand beide nicht klein. Ja in jenen Tagen des
erwachenden Völkerfrühliugs schrieb auch der Vater eine zündende Flugschrift,
von der nur noch wenige Exemplare vorhanden sein mochten. Sie führt den
Titel „Deutschlands Hoffnungen" (Leipzig, 1813) und trügt das Motto ans



*) Christian Gottfried Körners gesammelte Schriften, herausgegeben von
Adolf Stern. Leipzig, Fr. Wilh. Grunow, 1831.
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[0566] zahlreiche Schar von Männern, die, wenn sie auch nicht immer oder nicht aufdringlich im Vordergrunde standen, doch in jenen schweren und trüben Tagen die geistigen Führer des Volkes waren. Und Führer ziehen ja nie in einem Massenaufgebot daher, sie lenken und leiten vereinzelt. Diese Vorkämpfer — Streiter, noch ehe die Schlacht wogte — waren gereifte Männer, zum Teil Greise. Sie waren die geistigen Urheber, die sitt¬ lichen Hebel der ganzen Bewegung. Zu ihnen gehörte, um nur einige zu nennen, Fichte, Wilhelm von Humboldt, sogar uoch Schiller und, nicht zuletzt, Christian Gottfried Körner. Ohne ihn, auch nur im geistigen Sinne gesprochen, kein Karl Theodor Körner! Weil aber dieser so ganz der Sohn auch seines geistigen Vaters war und immer mehr zu werden versprach, so sei am hundertjährigen Geburtstage des Helden und Sängers auch dessen gedacht, dem er nicht bloß das Sein, sondern auch zum überwiegende» Teile das Werden und Fühlen verdankte. In unsrer Zeit wird viel und wird wenig gelesen. Viel, um die Flut der Tageslitteratur zu bewältigen; wenig, weil diese Flut eben Wasser, nichts als Wasser ist, und man zwar mit den Augen, aber leider oft nicht für Geist und Herz liest. Gute Bücher sind nach wie vor eine seltene Erscheinung, sie bleiben aber häufig, wie die Perlenmuscheln in der See, ungesunden, wenn sie nicht des Tauchers Hand vom Grunde emporholt. Ein solches gutes Buch, das in sich schon der klare Beweis für unsre Ansicht über die Bedeutung Christian Gottfried Körners ist, sind seine von Adolf Stern herausgegebnen gesammelten Schriften.*) In dem einbändigen, 423 Seiten zählenden Buche findet sich auch für den Kenner reiche Geistesnahrung. Aber erst recht der Gebildete jedes Standes sollte es lesen, für den Christian Gottfried Körner vorzugsweise schrieb. Für ihn könnte es noch heutzutage ein Wegweiser und Ratgeber in vielen Füllen sein. Wen» nur überhaupt die Persönlichkeit des Verfassers, den man eben gewöhnlich bloß als den Vater des Sohnes nennt, bekannter wäre! Mögen die Feuer, die zu Ehren Theodor Körners an dessen hundertjährigem Geburts¬ tage aufflammen werden, auch dazu dienen, ihren Schein rückwärts auf Leben und Charakter des Vaters zu werfen! Bekanntlich gab Christian Gottfried Körner, als der Sohn ihm seinen heldenmütigen Vorsatz mitteilte, fürs Vaterland zu kämpfen, unbedenklich seine Zustimmung. Die große Zeit fand beide nicht klein. Ja in jenen Tagen des erwachenden Völkerfrühliugs schrieb auch der Vater eine zündende Flugschrift, von der nur noch wenige Exemplare vorhanden sein mochten. Sie führt den Titel „Deutschlands Hoffnungen" (Leipzig, 1813) und trügt das Motto ans *) Christian Gottfried Körners gesammelte Schriften, herausgegeben von Adolf Stern. Leipzig, Fr. Wilh. Grunow, 1831.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/566>, abgerufen am 23.07.2024.