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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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teilzunehmen, könnten daher auch auf den Gewinn keinen Anspruch machen.
Es ist ja auch richtig, daß die jetzigen Arbeiter dank dem Kapitalismus so
mittellos sind, daß sie sich während einer Prodnktionsperiode nicht selbst er¬
nähren können. Aber dieser Übelstand ist doch nicht für alle Zeiten unab¬
änderlich festgestellt; es konnte doch wohl ein Zustand gedacht werden, bei
dem die Arbeiter sehr wohl den eignen und ihrer Familie Unterhalt auf
längere Zeit bestreiten könnten, und überdies ließe sich doch die Einrichtung
treffen, daß, solange die Arbeiter so wenig bemittelt sind, ihnen für ihren
Bedarf ein Vorschuß von dem Unternehmer in wöchentlichen Zahlungen geleistet
würde. Was den andern Punkt anlangt, so muß zwar zugegeben werde",
daß der Unternehmergewinn für etwaigen Verlust auszukommen hat; allein es
ist eine zwar sehr verbreitete, aber doch noch erst zu beweisende Behauptung,
daß jeder Unternehmergewinn, und zwar in seinem ganze" Umfange, dem
Kapital als Ersatz für möglichen Verlust zufallen müsse.

Man kann die Arbeiter für das Geschäft nur dadurch interesstren, daß
man sie an dem Ertrage teilnehmen läßt. Wenn sie wissen, daß ihr Anteil
umso höher sein wird, je höher der Ertrag des Geschäftes ist, so ist ihre
ganze Stellung mit einem Schlage verändert. Sie arbeiten dann mit Lust
und Liebe, weil sie für sich arbeiten. Gleichzeitig arbeiten sie zwar für den
Unternehmer und den Kapitalisten, aber sie empfinden, daß diese auch für sie
arbeiten; daß alle an dem Geschäft beteiligten sich gegenseitig fördern, daß
die Blüte des Unternehmens in aller Interesse liegt, daraus ergiebt sich Liebe
zur Arbeit, vorsichtige Behandlung alles Inventars und aller Materialien,
gegenseitige Beaufsichtigung der Arbeiter, um Verschwendung und Unterschleif
zu verhindern. In sittlicher Beziehung tritt ferner die durchgreifende und folgen¬
reiche Änderung ein, daß der Arbeiter nicht mehr die Arbeit, den Ausfluß
seiner Persönlichkeit wie eine Ware verkauft; vielmehr tritt er mit seiner
Persönlichkeit in ein Geschäft ein, das er als das seinige bezeichnen kann.

Es ist nichts Ungewöhnliches, daß in einem Gesellschaftsverträge (scioistÄL)
der eine Gesellschafter mehr Kapital, der andre mehr Arbeit einschießt, auch
selbstverständlich, daß je nach der Höhe des Eingeschossenen der Anteil an
dem Ertrage des Geschäftes verschieden ist. Aber Gesellschafter kann nur der
sein, dessen Anteil am Ertrage von dem Ergebnis des Geschäftes abhängig
bleibt; wer mit einem von vornherein bestimmten Lohn oder Honorar abge¬
funden wird, ist nicht Gesellschafter. Daß jeder Teilnehmer auch an dem
negativen Ergebnis des Geschäftes beteiligt werde, ist nicht erforderlich; es
kann das Risiko von dem das Kapital einschießenden Gesellschafter allein ge¬
tragen werden, der für diese Leistung mit einer Prämie oder durch Bildung
eines entsprechenden Reservefonds abgefunden wird.

Es soll also nach unsrer Ansicht eine Gesellschaft oder, sage" wir i"
gegenwärtiger Zeit, eine Genosse"schaft gebildet werde", bestehend aus Kapi-


teilzunehmen, könnten daher auch auf den Gewinn keinen Anspruch machen.
Es ist ja auch richtig, daß die jetzigen Arbeiter dank dem Kapitalismus so
mittellos sind, daß sie sich während einer Prodnktionsperiode nicht selbst er¬
nähren können. Aber dieser Übelstand ist doch nicht für alle Zeiten unab¬
änderlich festgestellt; es konnte doch wohl ein Zustand gedacht werden, bei
dem die Arbeiter sehr wohl den eignen und ihrer Familie Unterhalt auf
längere Zeit bestreiten könnten, und überdies ließe sich doch die Einrichtung
treffen, daß, solange die Arbeiter so wenig bemittelt sind, ihnen für ihren
Bedarf ein Vorschuß von dem Unternehmer in wöchentlichen Zahlungen geleistet
würde. Was den andern Punkt anlangt, so muß zwar zugegeben werde»,
daß der Unternehmergewinn für etwaigen Verlust auszukommen hat; allein es
ist eine zwar sehr verbreitete, aber doch noch erst zu beweisende Behauptung,
daß jeder Unternehmergewinn, und zwar in seinem ganze» Umfange, dem
Kapital als Ersatz für möglichen Verlust zufallen müsse.

Man kann die Arbeiter für das Geschäft nur dadurch interesstren, daß
man sie an dem Ertrage teilnehmen läßt. Wenn sie wissen, daß ihr Anteil
umso höher sein wird, je höher der Ertrag des Geschäftes ist, so ist ihre
ganze Stellung mit einem Schlage verändert. Sie arbeiten dann mit Lust
und Liebe, weil sie für sich arbeiten. Gleichzeitig arbeiten sie zwar für den
Unternehmer und den Kapitalisten, aber sie empfinden, daß diese auch für sie
arbeiten; daß alle an dem Geschäft beteiligten sich gegenseitig fördern, daß
die Blüte des Unternehmens in aller Interesse liegt, daraus ergiebt sich Liebe
zur Arbeit, vorsichtige Behandlung alles Inventars und aller Materialien,
gegenseitige Beaufsichtigung der Arbeiter, um Verschwendung und Unterschleif
zu verhindern. In sittlicher Beziehung tritt ferner die durchgreifende und folgen¬
reiche Änderung ein, daß der Arbeiter nicht mehr die Arbeit, den Ausfluß
seiner Persönlichkeit wie eine Ware verkauft; vielmehr tritt er mit seiner
Persönlichkeit in ein Geschäft ein, das er als das seinige bezeichnen kann.

Es ist nichts Ungewöhnliches, daß in einem Gesellschaftsverträge (scioistÄL)
der eine Gesellschafter mehr Kapital, der andre mehr Arbeit einschießt, auch
selbstverständlich, daß je nach der Höhe des Eingeschossenen der Anteil an
dem Ertrage des Geschäftes verschieden ist. Aber Gesellschafter kann nur der
sein, dessen Anteil am Ertrage von dem Ergebnis des Geschäftes abhängig
bleibt; wer mit einem von vornherein bestimmten Lohn oder Honorar abge¬
funden wird, ist nicht Gesellschafter. Daß jeder Teilnehmer auch an dem
negativen Ergebnis des Geschäftes beteiligt werde, ist nicht erforderlich; es
kann das Risiko von dem das Kapital einschießenden Gesellschafter allein ge¬
tragen werden, der für diese Leistung mit einer Prämie oder durch Bildung
eines entsprechenden Reservefonds abgefunden wird.

Es soll also nach unsrer Ansicht eine Gesellschaft oder, sage» wir i»
gegenwärtiger Zeit, eine Genosse»schaft gebildet werde», bestehend aus Kapi-


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[0560] teilzunehmen, könnten daher auch auf den Gewinn keinen Anspruch machen. Es ist ja auch richtig, daß die jetzigen Arbeiter dank dem Kapitalismus so mittellos sind, daß sie sich während einer Prodnktionsperiode nicht selbst er¬ nähren können. Aber dieser Übelstand ist doch nicht für alle Zeiten unab¬ änderlich festgestellt; es konnte doch wohl ein Zustand gedacht werden, bei dem die Arbeiter sehr wohl den eignen und ihrer Familie Unterhalt auf längere Zeit bestreiten könnten, und überdies ließe sich doch die Einrichtung treffen, daß, solange die Arbeiter so wenig bemittelt sind, ihnen für ihren Bedarf ein Vorschuß von dem Unternehmer in wöchentlichen Zahlungen geleistet würde. Was den andern Punkt anlangt, so muß zwar zugegeben werde», daß der Unternehmergewinn für etwaigen Verlust auszukommen hat; allein es ist eine zwar sehr verbreitete, aber doch noch erst zu beweisende Behauptung, daß jeder Unternehmergewinn, und zwar in seinem ganze» Umfange, dem Kapital als Ersatz für möglichen Verlust zufallen müsse. Man kann die Arbeiter für das Geschäft nur dadurch interesstren, daß man sie an dem Ertrage teilnehmen läßt. Wenn sie wissen, daß ihr Anteil umso höher sein wird, je höher der Ertrag des Geschäftes ist, so ist ihre ganze Stellung mit einem Schlage verändert. Sie arbeiten dann mit Lust und Liebe, weil sie für sich arbeiten. Gleichzeitig arbeiten sie zwar für den Unternehmer und den Kapitalisten, aber sie empfinden, daß diese auch für sie arbeiten; daß alle an dem Geschäft beteiligten sich gegenseitig fördern, daß die Blüte des Unternehmens in aller Interesse liegt, daraus ergiebt sich Liebe zur Arbeit, vorsichtige Behandlung alles Inventars und aller Materialien, gegenseitige Beaufsichtigung der Arbeiter, um Verschwendung und Unterschleif zu verhindern. In sittlicher Beziehung tritt ferner die durchgreifende und folgen¬ reiche Änderung ein, daß der Arbeiter nicht mehr die Arbeit, den Ausfluß seiner Persönlichkeit wie eine Ware verkauft; vielmehr tritt er mit seiner Persönlichkeit in ein Geschäft ein, das er als das seinige bezeichnen kann. Es ist nichts Ungewöhnliches, daß in einem Gesellschaftsverträge (scioistÄL) der eine Gesellschafter mehr Kapital, der andre mehr Arbeit einschießt, auch selbstverständlich, daß je nach der Höhe des Eingeschossenen der Anteil an dem Ertrage des Geschäftes verschieden ist. Aber Gesellschafter kann nur der sein, dessen Anteil am Ertrage von dem Ergebnis des Geschäftes abhängig bleibt; wer mit einem von vornherein bestimmten Lohn oder Honorar abge¬ funden wird, ist nicht Gesellschafter. Daß jeder Teilnehmer auch an dem negativen Ergebnis des Geschäftes beteiligt werde, ist nicht erforderlich; es kann das Risiko von dem das Kapital einschießenden Gesellschafter allein ge¬ tragen werden, der für diese Leistung mit einer Prämie oder durch Bildung eines entsprechenden Reservefonds abgefunden wird. Es soll also nach unsrer Ansicht eine Gesellschaft oder, sage» wir i» gegenwärtiger Zeit, eine Genosse»schaft gebildet werde», bestehend aus Kapi-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/560>, abgerufen am 23.07.2024.