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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Recken. Tisch, Essig. Senf, Pfeffer, Kohl, Pflanze, Rettich, Kürbis. Kümmel,
Kirsche, Pfirsich, Pflaume, Quitte, Feige.

Aber wenn auch manches auf diesem Gebiete heute schon mit Sicherheit
festgestellt ist, so bedarf es doch in vielen Fällen immer wieder erneuter Unter-
suchung und Feststellung der Lautgesetze und der geschichtlichen Entwicklung
der Sprache. Das ist die Grundlage, auf der der ganze kühne Bau der
Kulturgeschichte erst ruhen kann, und ist diese Grundlage nicht sorgfältig und
fest gefügt, ist sie auf Sand statt auf den Fels gegründet, so kann auch der
darüber errichtete Bau nicht Bestand haben, er muß wieder abgetragen und
neu errichtet werden.

Im allgemeinen kann und muß die Forschung in der bisherigen Weise
weiter gehen, und sie wird, wenn sie sich erst mit den übrigen Wissenschaften,
die dieselben Ziele verfolgen, wie Geschichte, Archäologie, Ethnologie und
Anthropologie, in das rechte Einverständnis gesetzt hat, gewiß auch schöne
Ergebnisse haben.

Aber auch für die weitere vorhistorische Ferne winken der indogermanischen
Sprachwissenschaft noch lockende Ziele. Die indogermanische Grundsprache ist
nicht fertig mit einemmale wie Athene aus dem Haupte des Zeus entsprungen,
sondern sie muß sich aus einer mit andern Völkern gemeinsamen Sprache ent¬
wickelt haben, sie muß näher oder ferner mit den übrigen Sprachen der Welt
verwandt sein. Bis jetzt hat man freilich noch vergeblich versucht, engere
Beziehungen zu deu semitischen und deu finnisch-ugrischen Sprachen zu be¬
gründen. Die Hoffnung, daß es gelingen werde, auch hier eine viel frühere
gemeinsame Sprachpcriode nachzuweisen, die dann Licht für sehr frühe Zeiten
bringen würde, dürfen wir aber nicht aufgeben, obgleich niemand sagen kann,
wann dieses Ziel erreicht werden wird.

Immer werden aber der Beschäftigung mit der Sprache, diesem wunder¬
barsten und machtvollsten Werkzeuge des Menschen, schöne und hehre Ziele
winken, und das Denkmal, das sich Franz Bopp mit der Begründung dieser
Wissenschaft gesetzt hat, ist in Wahrheit asio porsiuiius. Hoffentlich werden
sich die Deutschen bemühen, wie bisher, so anch künftig in dieser Wissenschaft
allzeit voran zu sein.




Recken. Tisch, Essig. Senf, Pfeffer, Kohl, Pflanze, Rettich, Kürbis. Kümmel,
Kirsche, Pfirsich, Pflaume, Quitte, Feige.

Aber wenn auch manches auf diesem Gebiete heute schon mit Sicherheit
festgestellt ist, so bedarf es doch in vielen Fällen immer wieder erneuter Unter-
suchung und Feststellung der Lautgesetze und der geschichtlichen Entwicklung
der Sprache. Das ist die Grundlage, auf der der ganze kühne Bau der
Kulturgeschichte erst ruhen kann, und ist diese Grundlage nicht sorgfältig und
fest gefügt, ist sie auf Sand statt auf den Fels gegründet, so kann auch der
darüber errichtete Bau nicht Bestand haben, er muß wieder abgetragen und
neu errichtet werden.

Im allgemeinen kann und muß die Forschung in der bisherigen Weise
weiter gehen, und sie wird, wenn sie sich erst mit den übrigen Wissenschaften,
die dieselben Ziele verfolgen, wie Geschichte, Archäologie, Ethnologie und
Anthropologie, in das rechte Einverständnis gesetzt hat, gewiß auch schöne
Ergebnisse haben.

Aber auch für die weitere vorhistorische Ferne winken der indogermanischen
Sprachwissenschaft noch lockende Ziele. Die indogermanische Grundsprache ist
nicht fertig mit einemmale wie Athene aus dem Haupte des Zeus entsprungen,
sondern sie muß sich aus einer mit andern Völkern gemeinsamen Sprache ent¬
wickelt haben, sie muß näher oder ferner mit den übrigen Sprachen der Welt
verwandt sein. Bis jetzt hat man freilich noch vergeblich versucht, engere
Beziehungen zu deu semitischen und deu finnisch-ugrischen Sprachen zu be¬
gründen. Die Hoffnung, daß es gelingen werde, auch hier eine viel frühere
gemeinsame Sprachpcriode nachzuweisen, die dann Licht für sehr frühe Zeiten
bringen würde, dürfen wir aber nicht aufgeben, obgleich niemand sagen kann,
wann dieses Ziel erreicht werden wird.

Immer werden aber der Beschäftigung mit der Sprache, diesem wunder¬
barsten und machtvollsten Werkzeuge des Menschen, schöne und hehre Ziele
winken, und das Denkmal, das sich Franz Bopp mit der Begründung dieser
Wissenschaft gesetzt hat, ist in Wahrheit asio porsiuiius. Hoffentlich werden
sich die Deutschen bemühen, wie bisher, so anch künftig in dieser Wissenschaft
allzeit voran zu sein.




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[0525] Recken. Tisch, Essig. Senf, Pfeffer, Kohl, Pflanze, Rettich, Kürbis. Kümmel, Kirsche, Pfirsich, Pflaume, Quitte, Feige. Aber wenn auch manches auf diesem Gebiete heute schon mit Sicherheit festgestellt ist, so bedarf es doch in vielen Fällen immer wieder erneuter Unter- suchung und Feststellung der Lautgesetze und der geschichtlichen Entwicklung der Sprache. Das ist die Grundlage, auf der der ganze kühne Bau der Kulturgeschichte erst ruhen kann, und ist diese Grundlage nicht sorgfältig und fest gefügt, ist sie auf Sand statt auf den Fels gegründet, so kann auch der darüber errichtete Bau nicht Bestand haben, er muß wieder abgetragen und neu errichtet werden. Im allgemeinen kann und muß die Forschung in der bisherigen Weise weiter gehen, und sie wird, wenn sie sich erst mit den übrigen Wissenschaften, die dieselben Ziele verfolgen, wie Geschichte, Archäologie, Ethnologie und Anthropologie, in das rechte Einverständnis gesetzt hat, gewiß auch schöne Ergebnisse haben. Aber auch für die weitere vorhistorische Ferne winken der indogermanischen Sprachwissenschaft noch lockende Ziele. Die indogermanische Grundsprache ist nicht fertig mit einemmale wie Athene aus dem Haupte des Zeus entsprungen, sondern sie muß sich aus einer mit andern Völkern gemeinsamen Sprache ent¬ wickelt haben, sie muß näher oder ferner mit den übrigen Sprachen der Welt verwandt sein. Bis jetzt hat man freilich noch vergeblich versucht, engere Beziehungen zu deu semitischen und deu finnisch-ugrischen Sprachen zu be¬ gründen. Die Hoffnung, daß es gelingen werde, auch hier eine viel frühere gemeinsame Sprachpcriode nachzuweisen, die dann Licht für sehr frühe Zeiten bringen würde, dürfen wir aber nicht aufgeben, obgleich niemand sagen kann, wann dieses Ziel erreicht werden wird. Immer werden aber der Beschäftigung mit der Sprache, diesem wunder¬ barsten und machtvollsten Werkzeuge des Menschen, schöne und hehre Ziele winken, und das Denkmal, das sich Franz Bopp mit der Begründung dieser Wissenschaft gesetzt hat, ist in Wahrheit asio porsiuiius. Hoffentlich werden sich die Deutschen bemühen, wie bisher, so anch künftig in dieser Wissenschaft allzeit voran zu sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/525>, abgerufen am 23.07.2024.