Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

bisher noch nicht in der Lage, ihre Forderungen dem Kapital aufnötigen zu
können; wohl aber können sie dem Kapital und den Unternehmern große
Schwierigkeiten bereiten, indem sie gelegentlich ihre Mitwirkung versagen.
Durch die Streiks üben sie einen mächtigen Einfluß aus und haben schon oft
ihre Forderungen ganz oder zum Teil durchgesetzt. Leider muß man aber
dieses Verhältnis der Arbeitskraft zu den Unternehmern als einen in hohem
Grade bedauerlichen Kriegszustand bezeichnen, und nichts wäre erwünschter,
als wenn geeignete Mittel gefunden würden, die Zwistigkeiten auf friedlichem
Wege auszugleichen und sie für die Zukunft zu verhindern. Die Störungen
im Wirtschaftsleben, die durch die Streiks verursacht werden, sind so schwer
und können gelegentlich so gefährlich werden, daß alles aufgeboten werden
muß, ihnen vorzubeugen. Aber uoch sind wir weit von diesem Ziele ent¬
fernt. Noch werden Streiks organisirt, nicht nur um höhere Lohnforderungen
oder leichtere Arbeitsbedingungen zu erreichen, sondern auch lediglich zu tak¬
tischen Zwecken. Als solche muß man es bezeichnen, wenn z. B. in England
von den Dvckarbeitern verlangt wird, daß nur die ihrem Verbände angehörigen
Arbeiter von den Unternehmern beschäftigt werden dürfen, und wenn andrer¬
seits die Zigarrenfabrikanten in Hamburg die Forderung stellen, daß die Ar¬
beiter gewissen Verbänden nicht angehören dürfen. Nach unsrer Ansicht sind
beide Forderungen unberechtigt; die Arbeiter können nicht verlangen, daß die
Freiheit der Arbeit beeinträchtigt wird, indem zünftig geschlossene Korpora¬
tionen gebildet werden; die Arbeitgeber dürfen das Koalitionsrecht der Arbeit¬
nehmer nicht in Frage stellen: die Grundlage des durch Vereinbarung und
gegenseitige Zugeständnisse zu schaffenden Zustandes muß die Gleichberechtigung
beider Teile sein. Alle ans lediglich taktischen Gründen geübten Schikanen
erbittern aufs äußerste und erschweren es, den Frieden zu erhalten oder wieder
herzustellen.

Gewiß werden von den Arbeitern häufig Forderungen in Bezug auf ihren
Anteil am Ertrage gestellt, die nicht erfüllt werden können, auf die wenigstens
zur Zeit nicht eingegangen werden kann. Es ist ein verhängnisvoller Irrtum,
wenn manche Arbeiter glauben, daß es nnr auf den guten Willen der Unter¬
nehmer oder des Staates ankomme, um ihnen höhere Löhne zukommen zu
lassen. Je höher die Kosten eines Produktes oder Fabrikates sind, desto
höher muß auch der Preis gestellt werdeu. Der zu erlangende Preis aber
wird nicht von dem Unternehmer festgesetzt, sondern er ist abhängig von dem
Angebot und der Nachfrage. Die Nachfrage aber bestimmt sich durch mancherlei
Umstände, insbesondre durch die innerhalb des Landes vorhaudne Kaufkraft und
ist davou abhängig, ob die Ware auch an auswärtige Konsumenten abgesetzt
werden kann, ob sie also Fracht und Zoll tragen kann. Die Erzeugung der
Ware wird aufgegeben, wenn der Unternehmer seine Rechnung nicht mehr
findet; er steht mit seiner Verantwortlichkeit zwischen den Kosten und Ans-


bisher noch nicht in der Lage, ihre Forderungen dem Kapital aufnötigen zu
können; wohl aber können sie dem Kapital und den Unternehmern große
Schwierigkeiten bereiten, indem sie gelegentlich ihre Mitwirkung versagen.
Durch die Streiks üben sie einen mächtigen Einfluß aus und haben schon oft
ihre Forderungen ganz oder zum Teil durchgesetzt. Leider muß man aber
dieses Verhältnis der Arbeitskraft zu den Unternehmern als einen in hohem
Grade bedauerlichen Kriegszustand bezeichnen, und nichts wäre erwünschter,
als wenn geeignete Mittel gefunden würden, die Zwistigkeiten auf friedlichem
Wege auszugleichen und sie für die Zukunft zu verhindern. Die Störungen
im Wirtschaftsleben, die durch die Streiks verursacht werden, sind so schwer
und können gelegentlich so gefährlich werden, daß alles aufgeboten werden
muß, ihnen vorzubeugen. Aber uoch sind wir weit von diesem Ziele ent¬
fernt. Noch werden Streiks organisirt, nicht nur um höhere Lohnforderungen
oder leichtere Arbeitsbedingungen zu erreichen, sondern auch lediglich zu tak¬
tischen Zwecken. Als solche muß man es bezeichnen, wenn z. B. in England
von den Dvckarbeitern verlangt wird, daß nur die ihrem Verbände angehörigen
Arbeiter von den Unternehmern beschäftigt werden dürfen, und wenn andrer¬
seits die Zigarrenfabrikanten in Hamburg die Forderung stellen, daß die Ar¬
beiter gewissen Verbänden nicht angehören dürfen. Nach unsrer Ansicht sind
beide Forderungen unberechtigt; die Arbeiter können nicht verlangen, daß die
Freiheit der Arbeit beeinträchtigt wird, indem zünftig geschlossene Korpora¬
tionen gebildet werden; die Arbeitgeber dürfen das Koalitionsrecht der Arbeit¬
nehmer nicht in Frage stellen: die Grundlage des durch Vereinbarung und
gegenseitige Zugeständnisse zu schaffenden Zustandes muß die Gleichberechtigung
beider Teile sein. Alle ans lediglich taktischen Gründen geübten Schikanen
erbittern aufs äußerste und erschweren es, den Frieden zu erhalten oder wieder
herzustellen.

Gewiß werden von den Arbeitern häufig Forderungen in Bezug auf ihren
Anteil am Ertrage gestellt, die nicht erfüllt werden können, auf die wenigstens
zur Zeit nicht eingegangen werden kann. Es ist ein verhängnisvoller Irrtum,
wenn manche Arbeiter glauben, daß es nnr auf den guten Willen der Unter¬
nehmer oder des Staates ankomme, um ihnen höhere Löhne zukommen zu
lassen. Je höher die Kosten eines Produktes oder Fabrikates sind, desto
höher muß auch der Preis gestellt werdeu. Der zu erlangende Preis aber
wird nicht von dem Unternehmer festgesetzt, sondern er ist abhängig von dem
Angebot und der Nachfrage. Die Nachfrage aber bestimmt sich durch mancherlei
Umstände, insbesondre durch die innerhalb des Landes vorhaudne Kaufkraft und
ist davou abhängig, ob die Ware auch an auswärtige Konsumenten abgesetzt
werden kann, ob sie also Fracht und Zoll tragen kann. Die Erzeugung der
Ware wird aufgegeben, wenn der Unternehmer seine Rechnung nicht mehr
findet; er steht mit seiner Verantwortlichkeit zwischen den Kosten und Ans-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0498" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290267"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1457" prev="#ID_1456"> bisher noch nicht in der Lage, ihre Forderungen dem Kapital aufnötigen zu<lb/>
können; wohl aber können sie dem Kapital und den Unternehmern große<lb/>
Schwierigkeiten bereiten, indem sie gelegentlich ihre Mitwirkung versagen.<lb/>
Durch die Streiks üben sie einen mächtigen Einfluß aus und haben schon oft<lb/>
ihre Forderungen ganz oder zum Teil durchgesetzt. Leider muß man aber<lb/>
dieses Verhältnis der Arbeitskraft zu den Unternehmern als einen in hohem<lb/>
Grade bedauerlichen Kriegszustand bezeichnen, und nichts wäre erwünschter,<lb/>
als wenn geeignete Mittel gefunden würden, die Zwistigkeiten auf friedlichem<lb/>
Wege auszugleichen und sie für die Zukunft zu verhindern. Die Störungen<lb/>
im Wirtschaftsleben, die durch die Streiks verursacht werden, sind so schwer<lb/>
und können gelegentlich so gefährlich werden, daß alles aufgeboten werden<lb/>
muß, ihnen vorzubeugen. Aber uoch sind wir weit von diesem Ziele ent¬<lb/>
fernt. Noch werden Streiks organisirt, nicht nur um höhere Lohnforderungen<lb/>
oder leichtere Arbeitsbedingungen zu erreichen, sondern auch lediglich zu tak¬<lb/>
tischen Zwecken. Als solche muß man es bezeichnen, wenn z. B. in England<lb/>
von den Dvckarbeitern verlangt wird, daß nur die ihrem Verbände angehörigen<lb/>
Arbeiter von den Unternehmern beschäftigt werden dürfen, und wenn andrer¬<lb/>
seits die Zigarrenfabrikanten in Hamburg die Forderung stellen, daß die Ar¬<lb/>
beiter gewissen Verbänden nicht angehören dürfen. Nach unsrer Ansicht sind<lb/>
beide Forderungen unberechtigt; die Arbeiter können nicht verlangen, daß die<lb/>
Freiheit der Arbeit beeinträchtigt wird, indem zünftig geschlossene Korpora¬<lb/>
tionen gebildet werden; die Arbeitgeber dürfen das Koalitionsrecht der Arbeit¬<lb/>
nehmer nicht in Frage stellen: die Grundlage des durch Vereinbarung und<lb/>
gegenseitige Zugeständnisse zu schaffenden Zustandes muß die Gleichberechtigung<lb/>
beider Teile sein. Alle ans lediglich taktischen Gründen geübten Schikanen<lb/>
erbittern aufs äußerste und erschweren es, den Frieden zu erhalten oder wieder<lb/>
herzustellen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1458" next="#ID_1459"> Gewiß werden von den Arbeitern häufig Forderungen in Bezug auf ihren<lb/>
Anteil am Ertrage gestellt, die nicht erfüllt werden können, auf die wenigstens<lb/>
zur Zeit nicht eingegangen werden kann. Es ist ein verhängnisvoller Irrtum,<lb/>
wenn manche Arbeiter glauben, daß es nnr auf den guten Willen der Unter¬<lb/>
nehmer oder des Staates ankomme, um ihnen höhere Löhne zukommen zu<lb/>
lassen. Je höher die Kosten eines Produktes oder Fabrikates sind, desto<lb/>
höher muß auch der Preis gestellt werdeu. Der zu erlangende Preis aber<lb/>
wird nicht von dem Unternehmer festgesetzt, sondern er ist abhängig von dem<lb/>
Angebot und der Nachfrage. Die Nachfrage aber bestimmt sich durch mancherlei<lb/>
Umstände, insbesondre durch die innerhalb des Landes vorhaudne Kaufkraft und<lb/>
ist davou abhängig, ob die Ware auch an auswärtige Konsumenten abgesetzt<lb/>
werden kann, ob sie also Fracht und Zoll tragen kann. Die Erzeugung der<lb/>
Ware wird aufgegeben, wenn der Unternehmer seine Rechnung nicht mehr<lb/>
findet; er steht mit seiner Verantwortlichkeit zwischen den Kosten und Ans-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0498] bisher noch nicht in der Lage, ihre Forderungen dem Kapital aufnötigen zu können; wohl aber können sie dem Kapital und den Unternehmern große Schwierigkeiten bereiten, indem sie gelegentlich ihre Mitwirkung versagen. Durch die Streiks üben sie einen mächtigen Einfluß aus und haben schon oft ihre Forderungen ganz oder zum Teil durchgesetzt. Leider muß man aber dieses Verhältnis der Arbeitskraft zu den Unternehmern als einen in hohem Grade bedauerlichen Kriegszustand bezeichnen, und nichts wäre erwünschter, als wenn geeignete Mittel gefunden würden, die Zwistigkeiten auf friedlichem Wege auszugleichen und sie für die Zukunft zu verhindern. Die Störungen im Wirtschaftsleben, die durch die Streiks verursacht werden, sind so schwer und können gelegentlich so gefährlich werden, daß alles aufgeboten werden muß, ihnen vorzubeugen. Aber uoch sind wir weit von diesem Ziele ent¬ fernt. Noch werden Streiks organisirt, nicht nur um höhere Lohnforderungen oder leichtere Arbeitsbedingungen zu erreichen, sondern auch lediglich zu tak¬ tischen Zwecken. Als solche muß man es bezeichnen, wenn z. B. in England von den Dvckarbeitern verlangt wird, daß nur die ihrem Verbände angehörigen Arbeiter von den Unternehmern beschäftigt werden dürfen, und wenn andrer¬ seits die Zigarrenfabrikanten in Hamburg die Forderung stellen, daß die Ar¬ beiter gewissen Verbänden nicht angehören dürfen. Nach unsrer Ansicht sind beide Forderungen unberechtigt; die Arbeiter können nicht verlangen, daß die Freiheit der Arbeit beeinträchtigt wird, indem zünftig geschlossene Korpora¬ tionen gebildet werden; die Arbeitgeber dürfen das Koalitionsrecht der Arbeit¬ nehmer nicht in Frage stellen: die Grundlage des durch Vereinbarung und gegenseitige Zugeständnisse zu schaffenden Zustandes muß die Gleichberechtigung beider Teile sein. Alle ans lediglich taktischen Gründen geübten Schikanen erbittern aufs äußerste und erschweren es, den Frieden zu erhalten oder wieder herzustellen. Gewiß werden von den Arbeitern häufig Forderungen in Bezug auf ihren Anteil am Ertrage gestellt, die nicht erfüllt werden können, auf die wenigstens zur Zeit nicht eingegangen werden kann. Es ist ein verhängnisvoller Irrtum, wenn manche Arbeiter glauben, daß es nnr auf den guten Willen der Unter¬ nehmer oder des Staates ankomme, um ihnen höhere Löhne zukommen zu lassen. Je höher die Kosten eines Produktes oder Fabrikates sind, desto höher muß auch der Preis gestellt werdeu. Der zu erlangende Preis aber wird nicht von dem Unternehmer festgesetzt, sondern er ist abhängig von dem Angebot und der Nachfrage. Die Nachfrage aber bestimmt sich durch mancherlei Umstände, insbesondre durch die innerhalb des Landes vorhaudne Kaufkraft und ist davou abhängig, ob die Ware auch an auswärtige Konsumenten abgesetzt werden kann, ob sie also Fracht und Zoll tragen kann. Die Erzeugung der Ware wird aufgegeben, wenn der Unternehmer seine Rechnung nicht mehr findet; er steht mit seiner Verantwortlichkeit zwischen den Kosten und Ans-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/498
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/498>, abgerufen am 26.08.2024.