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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Ortszeit, Weltzeit, Lisenl'cihnzeit, Zonenzeit

Daß dus Nebeneinander von Weltzeit und Ortszeit unter Umständen
seine großen Bedenken habe, erkennt mich Förster an. Er sagt, sobald ein
Anlaß zur Zusammenfassung aller nationalen Kräfte und Einrichtungen in
höchster Dringlichkeit vorliege, z. B. bei Mobilmachungen, könnte man ja da¬
durch helfen, daß alle Uhren des Landes ans ein und dieselbe Minute einer
gewissen mittlern Einheitszeit, auf die besondre Fahrpläne sür diesen Fall ein¬
gerichtet wären, sofort eingestellt würden. Es wird keiner Ausführung be¬
dürfen, welche unsägliche Verwirrung ans einem Versuche dieser Art hervor¬
gehen würde. Gerade daraus, daß Förster einen so wenig praktischen Gedanken
fassen konnte, erwächst für uns einige Zuversicht, daß sich auch seine oben
gedachte Voraussage von der bei Einführung der Zonenzeit zu erwartenden
baldigen Wiederkehr der Ortszeit nicht erfüllen würde.

Noch läßt sich fragen, wer denn über die Einführung der Einheitszeit in
das bürgerliche Leben auf Grundlage der Zonenzeit zu bestimme" haben würde?
Ohne Zweifel würde die Einführung nur dadurch erfolgen können, daß die
öffentlichen Uhren nach dieser Zeit gestellt würden; und insofern läge die
Entscheidung in der Hand derer, die die öffentlichen Uhren verwalten. Wenn
aber der Staat die öffentlichen Uhren, die unter seiner Verwaltung stehen,
nach dieser Zeit regelte und zugleich seine Behörden anwiese, ihre Zeitbestim¬
mungen uach diesen Uhren zu bemessen, so würden ohne Zweifel alle übrigen
öffentlichen Uhren sehr bald nachfolgen. Natürlich würde es niemand ver¬
wehrt sein, seine Uhr immer noch nach der alten Ortszeit zu stellen. Es
würde dus aber nichts andres zu bedeuten haben, als daß seine Uhr um so
und so viel Minuten nach oder vor ginge.

Es ist von manchen Seiten auch noch angeregt worden, daß man die
Tagesstunden nicht mehr in doppelter Reihe von 1 bis 12, sondern in ein¬
facher Reihe von 1 bis 24 zählen solle. Ohne Zweifel wäre dieses Fortzählen
weit vernünftiger, indem dadurch die lästige Bezeichnung mit "vormittags"
und "nachmittags" erspart würde. Indessen darf man, namentlich wenn mau
eine Neuerung anstrebt, in die Gewöhnungen der Menschen nicht allzu tief
eingreifen. Wir könnten gar manches besser machen, wenn wir es neu zu
machen hätten, müssen aber dem Hergebrachten gegenüber darauf verzichten.
Es würde daher auch verkehrt sein, wollten wir bei Einführung der Zonenzeit
zugleich versuchen, die Fortzahlung der Stunden ins Leben zu rufen. Darciu
könnte fürwahr jeder Versuch einer Änderung in der Zeitbestimmung scheitern.

Würde die Zonenzeit bei uns eingeführt, so würde damit nur ein ähn¬
licher Schritt gethan werden, wie er seinerzeit mit Schaffung der Einheit
von Münze, Maß und Gewicht gethan worden ist. Es würde dadurch
dem deutscheu Volke kein andres Opfer auferlegt werden, als daß man
in einigen Gegenden Deutschlands für die Verhältnisse, für die man die nach
der bisherigen Ortszeit bestimmte Tagesstunde beibehalten wollte, eine kleine


Ortszeit, Weltzeit, Lisenl'cihnzeit, Zonenzeit

Daß dus Nebeneinander von Weltzeit und Ortszeit unter Umständen
seine großen Bedenken habe, erkennt mich Förster an. Er sagt, sobald ein
Anlaß zur Zusammenfassung aller nationalen Kräfte und Einrichtungen in
höchster Dringlichkeit vorliege, z. B. bei Mobilmachungen, könnte man ja da¬
durch helfen, daß alle Uhren des Landes ans ein und dieselbe Minute einer
gewissen mittlern Einheitszeit, auf die besondre Fahrpläne sür diesen Fall ein¬
gerichtet wären, sofort eingestellt würden. Es wird keiner Ausführung be¬
dürfen, welche unsägliche Verwirrung ans einem Versuche dieser Art hervor¬
gehen würde. Gerade daraus, daß Förster einen so wenig praktischen Gedanken
fassen konnte, erwächst für uns einige Zuversicht, daß sich auch seine oben
gedachte Voraussage von der bei Einführung der Zonenzeit zu erwartenden
baldigen Wiederkehr der Ortszeit nicht erfüllen würde.

Noch läßt sich fragen, wer denn über die Einführung der Einheitszeit in
das bürgerliche Leben auf Grundlage der Zonenzeit zu bestimme» haben würde?
Ohne Zweifel würde die Einführung nur dadurch erfolgen können, daß die
öffentlichen Uhren nach dieser Zeit gestellt würden; und insofern läge die
Entscheidung in der Hand derer, die die öffentlichen Uhren verwalten. Wenn
aber der Staat die öffentlichen Uhren, die unter seiner Verwaltung stehen,
nach dieser Zeit regelte und zugleich seine Behörden anwiese, ihre Zeitbestim¬
mungen uach diesen Uhren zu bemessen, so würden ohne Zweifel alle übrigen
öffentlichen Uhren sehr bald nachfolgen. Natürlich würde es niemand ver¬
wehrt sein, seine Uhr immer noch nach der alten Ortszeit zu stellen. Es
würde dus aber nichts andres zu bedeuten haben, als daß seine Uhr um so
und so viel Minuten nach oder vor ginge.

Es ist von manchen Seiten auch noch angeregt worden, daß man die
Tagesstunden nicht mehr in doppelter Reihe von 1 bis 12, sondern in ein¬
facher Reihe von 1 bis 24 zählen solle. Ohne Zweifel wäre dieses Fortzählen
weit vernünftiger, indem dadurch die lästige Bezeichnung mit „vormittags"
und „nachmittags" erspart würde. Indessen darf man, namentlich wenn mau
eine Neuerung anstrebt, in die Gewöhnungen der Menschen nicht allzu tief
eingreifen. Wir könnten gar manches besser machen, wenn wir es neu zu
machen hätten, müssen aber dem Hergebrachten gegenüber darauf verzichten.
Es würde daher auch verkehrt sein, wollten wir bei Einführung der Zonenzeit
zugleich versuchen, die Fortzahlung der Stunden ins Leben zu rufen. Darciu
könnte fürwahr jeder Versuch einer Änderung in der Zeitbestimmung scheitern.

Würde die Zonenzeit bei uns eingeführt, so würde damit nur ein ähn¬
licher Schritt gethan werden, wie er seinerzeit mit Schaffung der Einheit
von Münze, Maß und Gewicht gethan worden ist. Es würde dadurch
dem deutscheu Volke kein andres Opfer auferlegt werden, als daß man
in einigen Gegenden Deutschlands für die Verhältnisse, für die man die nach
der bisherigen Ortszeit bestimmte Tagesstunde beibehalten wollte, eine kleine


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[0454] Ortszeit, Weltzeit, Lisenl'cihnzeit, Zonenzeit Daß dus Nebeneinander von Weltzeit und Ortszeit unter Umständen seine großen Bedenken habe, erkennt mich Förster an. Er sagt, sobald ein Anlaß zur Zusammenfassung aller nationalen Kräfte und Einrichtungen in höchster Dringlichkeit vorliege, z. B. bei Mobilmachungen, könnte man ja da¬ durch helfen, daß alle Uhren des Landes ans ein und dieselbe Minute einer gewissen mittlern Einheitszeit, auf die besondre Fahrpläne sür diesen Fall ein¬ gerichtet wären, sofort eingestellt würden. Es wird keiner Ausführung be¬ dürfen, welche unsägliche Verwirrung ans einem Versuche dieser Art hervor¬ gehen würde. Gerade daraus, daß Förster einen so wenig praktischen Gedanken fassen konnte, erwächst für uns einige Zuversicht, daß sich auch seine oben gedachte Voraussage von der bei Einführung der Zonenzeit zu erwartenden baldigen Wiederkehr der Ortszeit nicht erfüllen würde. Noch läßt sich fragen, wer denn über die Einführung der Einheitszeit in das bürgerliche Leben auf Grundlage der Zonenzeit zu bestimme» haben würde? Ohne Zweifel würde die Einführung nur dadurch erfolgen können, daß die öffentlichen Uhren nach dieser Zeit gestellt würden; und insofern läge die Entscheidung in der Hand derer, die die öffentlichen Uhren verwalten. Wenn aber der Staat die öffentlichen Uhren, die unter seiner Verwaltung stehen, nach dieser Zeit regelte und zugleich seine Behörden anwiese, ihre Zeitbestim¬ mungen uach diesen Uhren zu bemessen, so würden ohne Zweifel alle übrigen öffentlichen Uhren sehr bald nachfolgen. Natürlich würde es niemand ver¬ wehrt sein, seine Uhr immer noch nach der alten Ortszeit zu stellen. Es würde dus aber nichts andres zu bedeuten haben, als daß seine Uhr um so und so viel Minuten nach oder vor ginge. Es ist von manchen Seiten auch noch angeregt worden, daß man die Tagesstunden nicht mehr in doppelter Reihe von 1 bis 12, sondern in ein¬ facher Reihe von 1 bis 24 zählen solle. Ohne Zweifel wäre dieses Fortzählen weit vernünftiger, indem dadurch die lästige Bezeichnung mit „vormittags" und „nachmittags" erspart würde. Indessen darf man, namentlich wenn mau eine Neuerung anstrebt, in die Gewöhnungen der Menschen nicht allzu tief eingreifen. Wir könnten gar manches besser machen, wenn wir es neu zu machen hätten, müssen aber dem Hergebrachten gegenüber darauf verzichten. Es würde daher auch verkehrt sein, wollten wir bei Einführung der Zonenzeit zugleich versuchen, die Fortzahlung der Stunden ins Leben zu rufen. Darciu könnte fürwahr jeder Versuch einer Änderung in der Zeitbestimmung scheitern. Würde die Zonenzeit bei uns eingeführt, so würde damit nur ein ähn¬ licher Schritt gethan werden, wie er seinerzeit mit Schaffung der Einheit von Münze, Maß und Gewicht gethan worden ist. Es würde dadurch dem deutscheu Volke kein andres Opfer auferlegt werden, als daß man in einigen Gegenden Deutschlands für die Verhältnisse, für die man die nach der bisherigen Ortszeit bestimmte Tagesstunde beibehalten wollte, eine kleine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/454>, abgerufen am 23.07.2024.