Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.Volksbühnen auf Volksfesten Pfad zu betreten und in enger Berührung mit dem Volke die nachhaltigste Zukunftsmusik -- das ist das Schlagwort, unter dem diese Vorschlage, die Es liegt im Interesse der Sache, noch ans gewisse Einzelheiten der Denk¬ Vergl, Moderne Blätter, 1. Jahrg., Ur. 11 (München, M. Poßl).
Volksbühnen auf Volksfesten Pfad zu betreten und in enger Berührung mit dem Volke die nachhaltigste Zukunftsmusik — das ist das Schlagwort, unter dem diese Vorschlage, die Es liegt im Interesse der Sache, noch ans gewisse Einzelheiten der Denk¬ Vergl, Moderne Blätter, 1. Jahrg., Ur. 11 (München, M. Poßl).
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0431" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290200"/> <fw type="header" place="top"> Volksbühnen auf Volksfesten</fw><lb/> <p xml:id="ID_1213" prev="#ID_1212"> Pfad zu betreten und in enger Berührung mit dem Volke die nachhaltigste<lb/> Anregung zu neuen Werken gewinnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1214"> Zukunftsmusik — das ist das Schlagwort, unter dem diese Vorschlage, die<lb/> in Fluß gebracht zu haben ein uuleugbares Verdienst der genannten Münchner<lb/> Gesellschaft für modernes Leben ist, werden klassifizirt, aber damit, so hoffen<lb/> wir, nicht abgethan werden. Das Bedürfnis der geistigen und sittliche»<lb/> Hebung unsrer Volksfeste ist so offen erkannt und wird in weiten Kreisen so<lb/> schmerzlich empfunden, daß wir dem Gedanken einer Volksfestbuhne eine sieg¬<lb/> reiche Kraft zutrauen dürfen, an der schließlich auch der mit Bestimmtheit<lb/> vorauszusagende Widerstand der Bühnenleiter und Agenten scheitern muß,<lb/> wenn eine Verwirklichung des Planes nur erst ernstlich in Angriff ge¬<lb/> nommen wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1215" next="#ID_1216"> Es liegt im Interesse der Sache, noch ans gewisse Einzelheiten der Denk¬<lb/> schrift,*) womit die Münchner Gesellschaft ihre Eingabe an den Magistrat be¬<lb/> gleitet hat, einzugehen und einige derselben zu widerlegen, die geeignet er¬<lb/> scheinen, das Gelingen des Unternehmens in Frage zu stellen. Vor allem<lb/> muß die Verschiedenheit des Standpunktes, der den obigen Ausführungen und<lb/> denen der Denkschrift zu Gründe liegt, betont werden. Wahrend es uns in<lb/> erster Reihe darauf ankommt, die sittliche Stufe unsrer Volksfeste zu heben,<lb/> sind die Beweggründe der Münchner vor allem künstlerischer Natur. Gewiß<lb/> verschließen sich auch die Verfasser der Denkschrift nicht der großen Bedeutung<lb/> der sittlichen Seite, aber der Ausgangspunkt wie das Ziel ihrer Wünsche ist<lb/> ausgesprochen in dein Bestreben, eine „Wiedergeburt der mittelalterlichen<lb/> Bühne" und damit eine völlige Umwälzung aus dem Gebiete des dramatische!?<lb/> Schaffens überhaupt heraufzuführen. Sie betonen daher auch besonders die<lb/> Bedingung, daß die zu schaffende Bühne eine offne Tagesbühne sein müsse,<lb/> die gegen die Zufälle der Witterung höchstens durch ein Zeltdach geschützt<lb/> werden soll. Die enge, geschlossene Bühne unsrer modernen Schauspiel¬<lb/> häuser, deren Entstehung in der Denkschrift im wesentlichen dem Ein¬<lb/> dringen der italienisch-französischen Oper zugeschrieben wird, eine Behaup¬<lb/> tung, die geschichtlich nicht völlig zutrifft, ist ihnen zu eng, zu dumpf<lb/> und zu unnatürlich. Sie verkennen zwar die Vorteile des modernen Bühnen¬<lb/> hauses „für die Verfeinerung des Dialoges, die größere Wirksamkeit der<lb/> menschlichen Stimme, eine reichere Verwendung ihrer Register, kurz für<lb/> die Entwicklung des Kabinetsftückes mit allem seinen Raffinement" nicht,<lb/> aber sie werfen doch die Frage auf, ob nicht eine Rückkehr zu dem<lb/> Natürlichen nnter Umstünden möglich oder ratsam, ja mit Rücksicht ans<lb/> bestimmte volkstümliche Zwecke unmittelbar geboten sei. Ohne Zweifel hat<lb/> die freie Tagesbühne vor der geschlossenen, künstlich beleuchteten große un-</p><lb/> <note xml:id="FID_26" place="foot"> Vergl, Moderne Blätter, 1. Jahrg., Ur. 11 (München, M. Poßl).</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0431]
Volksbühnen auf Volksfesten
Pfad zu betreten und in enger Berührung mit dem Volke die nachhaltigste
Anregung zu neuen Werken gewinnen.
Zukunftsmusik — das ist das Schlagwort, unter dem diese Vorschlage, die
in Fluß gebracht zu haben ein uuleugbares Verdienst der genannten Münchner
Gesellschaft für modernes Leben ist, werden klassifizirt, aber damit, so hoffen
wir, nicht abgethan werden. Das Bedürfnis der geistigen und sittliche»
Hebung unsrer Volksfeste ist so offen erkannt und wird in weiten Kreisen so
schmerzlich empfunden, daß wir dem Gedanken einer Volksfestbuhne eine sieg¬
reiche Kraft zutrauen dürfen, an der schließlich auch der mit Bestimmtheit
vorauszusagende Widerstand der Bühnenleiter und Agenten scheitern muß,
wenn eine Verwirklichung des Planes nur erst ernstlich in Angriff ge¬
nommen wird.
Es liegt im Interesse der Sache, noch ans gewisse Einzelheiten der Denk¬
schrift,*) womit die Münchner Gesellschaft ihre Eingabe an den Magistrat be¬
gleitet hat, einzugehen und einige derselben zu widerlegen, die geeignet er¬
scheinen, das Gelingen des Unternehmens in Frage zu stellen. Vor allem
muß die Verschiedenheit des Standpunktes, der den obigen Ausführungen und
denen der Denkschrift zu Gründe liegt, betont werden. Wahrend es uns in
erster Reihe darauf ankommt, die sittliche Stufe unsrer Volksfeste zu heben,
sind die Beweggründe der Münchner vor allem künstlerischer Natur. Gewiß
verschließen sich auch die Verfasser der Denkschrift nicht der großen Bedeutung
der sittlichen Seite, aber der Ausgangspunkt wie das Ziel ihrer Wünsche ist
ausgesprochen in dein Bestreben, eine „Wiedergeburt der mittelalterlichen
Bühne" und damit eine völlige Umwälzung aus dem Gebiete des dramatische!?
Schaffens überhaupt heraufzuführen. Sie betonen daher auch besonders die
Bedingung, daß die zu schaffende Bühne eine offne Tagesbühne sein müsse,
die gegen die Zufälle der Witterung höchstens durch ein Zeltdach geschützt
werden soll. Die enge, geschlossene Bühne unsrer modernen Schauspiel¬
häuser, deren Entstehung in der Denkschrift im wesentlichen dem Ein¬
dringen der italienisch-französischen Oper zugeschrieben wird, eine Behaup¬
tung, die geschichtlich nicht völlig zutrifft, ist ihnen zu eng, zu dumpf
und zu unnatürlich. Sie verkennen zwar die Vorteile des modernen Bühnen¬
hauses „für die Verfeinerung des Dialoges, die größere Wirksamkeit der
menschlichen Stimme, eine reichere Verwendung ihrer Register, kurz für
die Entwicklung des Kabinetsftückes mit allem seinen Raffinement" nicht,
aber sie werfen doch die Frage auf, ob nicht eine Rückkehr zu dem
Natürlichen nnter Umstünden möglich oder ratsam, ja mit Rücksicht ans
bestimmte volkstümliche Zwecke unmittelbar geboten sei. Ohne Zweifel hat
die freie Tagesbühne vor der geschlossenen, künstlich beleuchteten große un-
Vergl, Moderne Blätter, 1. Jahrg., Ur. 11 (München, M. Poßl).
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