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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Volksbühnen auf Volksfesten

Wirklich hervorragender Schauspiclerkräfte an solchen Bühnen nicht gerechnet
werden, sie müßten sich denn, aus Interesse um der guten Sache, der Bil¬
dung des Volksgeschmackes und der Veredlung unsers Volkslebens über¬
haupt bereit finden lassen, ihren gewohnten weitgehenden Ansprüchen in
materieller Beziehung zu entsagen. Vielleicht würden sich aber später,
wenn erst entsprechende Einrichtungen getroffen wären, Künstler genug von
idealer Gesinnung finden, die bereit wären, ihre Kunst in den Dienst des
Volkes zu stellen. Freiwilligkeit im Dienste der Allgemeinheit wäre über¬
haupt die schönste und am meisten erfolgversprechende Losung, mit der ein
derartiges zukunftsreiches Unternehmen begonnen werden könnte. Was ließe
sich da nicht alles schaffen! In jeder, selbst in einer kleinen Stadt giebt es
Maler, die die nötigen Dekorationen schaffen könnten, die, natürlich in ein¬
fachem Stil und Geschmack gehalten, sich grundsätzlich von dem modischen
Prunk fernhalten müßten. Ebenso leicht wäre es, durch freiwillige Gaben
und Arbeitsleistungen die Kosten des Aufbaues eiues bretternen Hauses zu
bestreiten. Bei dem regen Zuspruch aber, der für Aufführungen einer Fest¬
bühne sicher zu erwarten steht, wäre dieser Weg durchaus nicht der allein
mögliche. Der Ertrag der Eintrittsgelder, die womöglich sür alle Plätze des
nach dem Muster des Bahreuther Hauses zu erbauenden Raumes dieselben
sein müßten, würde diese Kosten leicht und rasch decken, auch wenn man in
zweckmäßiger Weise einen für die Dauer gebauten Raum errichtete. Die Naum-
frage wäre gewiß überhaupt die am leichtesten zu lösende Frage. Schwieriger
gestaltet sich die nach dem Leiter des ganzen Unternehmens. Und da möchten
wir als obersten Grundsatz einen verneinenden aufstellen: Keinen Schauspieler
von Beruf oder Gewerbe! Das Unternehmen der Privatspekulativn ausliefern,
hieße es von vornherein in seiner geistigen und sittlichen Bedeutung gefährden.
Gewiß wird man den Rat dieser Kreise nicht entbehren wollen und können,
aber die oberste Leitung des ganzen Unternehmens muß in andern Händen
ruhen, und zwar in den Händen eines aus künstlerisch und litterarisch gebil¬
deten Müunern sich zusammensetzenden Ausschusses. Für den Anfang der
geplanten jungen Volksbühnen will uns kein andrer Weg empfehlenswert er¬
scheinen. Dieser Ausschuß würde, wie das z. B. bei den Aufführungen des
Herrigschen Lutherspieles an den meisten Orten geschehen ist, einen Fachmann
mit beratender Stimme zuziehen. Die etwaigen Überschüsse der Aufführungen
aber würden entweder zum weitern Ausbau der alljährlich in Wirksamkeit
tretenden Unternehmungen oder zu wohlthätigen Zwecken Verwendung finden.
Sollten sich in den Gesellschaften, die Volksfeste veranstalten, bei uns wohl
vorwiegend den Schützengilden, die geeigneten Männer für ein solches Be¬
ginnen finden, so wäre das nur mit Freuden zu begrüßen; sonst ist nicht
abzusehen, ans welchen Gründen sie einem Ausschuß, der so edle Ziele ver¬
folgte, nicht noch bereitwilliger entgegenkommen sollten, als jedem andern


Volksbühnen auf Volksfesten

Wirklich hervorragender Schauspiclerkräfte an solchen Bühnen nicht gerechnet
werden, sie müßten sich denn, aus Interesse um der guten Sache, der Bil¬
dung des Volksgeschmackes und der Veredlung unsers Volkslebens über¬
haupt bereit finden lassen, ihren gewohnten weitgehenden Ansprüchen in
materieller Beziehung zu entsagen. Vielleicht würden sich aber später,
wenn erst entsprechende Einrichtungen getroffen wären, Künstler genug von
idealer Gesinnung finden, die bereit wären, ihre Kunst in den Dienst des
Volkes zu stellen. Freiwilligkeit im Dienste der Allgemeinheit wäre über¬
haupt die schönste und am meisten erfolgversprechende Losung, mit der ein
derartiges zukunftsreiches Unternehmen begonnen werden könnte. Was ließe
sich da nicht alles schaffen! In jeder, selbst in einer kleinen Stadt giebt es
Maler, die die nötigen Dekorationen schaffen könnten, die, natürlich in ein¬
fachem Stil und Geschmack gehalten, sich grundsätzlich von dem modischen
Prunk fernhalten müßten. Ebenso leicht wäre es, durch freiwillige Gaben
und Arbeitsleistungen die Kosten des Aufbaues eiues bretternen Hauses zu
bestreiten. Bei dem regen Zuspruch aber, der für Aufführungen einer Fest¬
bühne sicher zu erwarten steht, wäre dieser Weg durchaus nicht der allein
mögliche. Der Ertrag der Eintrittsgelder, die womöglich sür alle Plätze des
nach dem Muster des Bahreuther Hauses zu erbauenden Raumes dieselben
sein müßten, würde diese Kosten leicht und rasch decken, auch wenn man in
zweckmäßiger Weise einen für die Dauer gebauten Raum errichtete. Die Naum-
frage wäre gewiß überhaupt die am leichtesten zu lösende Frage. Schwieriger
gestaltet sich die nach dem Leiter des ganzen Unternehmens. Und da möchten
wir als obersten Grundsatz einen verneinenden aufstellen: Keinen Schauspieler
von Beruf oder Gewerbe! Das Unternehmen der Privatspekulativn ausliefern,
hieße es von vornherein in seiner geistigen und sittlichen Bedeutung gefährden.
Gewiß wird man den Rat dieser Kreise nicht entbehren wollen und können,
aber die oberste Leitung des ganzen Unternehmens muß in andern Händen
ruhen, und zwar in den Händen eines aus künstlerisch und litterarisch gebil¬
deten Müunern sich zusammensetzenden Ausschusses. Für den Anfang der
geplanten jungen Volksbühnen will uns kein andrer Weg empfehlenswert er¬
scheinen. Dieser Ausschuß würde, wie das z. B. bei den Aufführungen des
Herrigschen Lutherspieles an den meisten Orten geschehen ist, einen Fachmann
mit beratender Stimme zuziehen. Die etwaigen Überschüsse der Aufführungen
aber würden entweder zum weitern Ausbau der alljährlich in Wirksamkeit
tretenden Unternehmungen oder zu wohlthätigen Zwecken Verwendung finden.
Sollten sich in den Gesellschaften, die Volksfeste veranstalten, bei uns wohl
vorwiegend den Schützengilden, die geeigneten Männer für ein solches Be¬
ginnen finden, so wäre das nur mit Freuden zu begrüßen; sonst ist nicht
abzusehen, ans welchen Gründen sie einem Ausschuß, der so edle Ziele ver¬
folgte, nicht noch bereitwilliger entgegenkommen sollten, als jedem andern


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[0429] Volksbühnen auf Volksfesten Wirklich hervorragender Schauspiclerkräfte an solchen Bühnen nicht gerechnet werden, sie müßten sich denn, aus Interesse um der guten Sache, der Bil¬ dung des Volksgeschmackes und der Veredlung unsers Volkslebens über¬ haupt bereit finden lassen, ihren gewohnten weitgehenden Ansprüchen in materieller Beziehung zu entsagen. Vielleicht würden sich aber später, wenn erst entsprechende Einrichtungen getroffen wären, Künstler genug von idealer Gesinnung finden, die bereit wären, ihre Kunst in den Dienst des Volkes zu stellen. Freiwilligkeit im Dienste der Allgemeinheit wäre über¬ haupt die schönste und am meisten erfolgversprechende Losung, mit der ein derartiges zukunftsreiches Unternehmen begonnen werden könnte. Was ließe sich da nicht alles schaffen! In jeder, selbst in einer kleinen Stadt giebt es Maler, die die nötigen Dekorationen schaffen könnten, die, natürlich in ein¬ fachem Stil und Geschmack gehalten, sich grundsätzlich von dem modischen Prunk fernhalten müßten. Ebenso leicht wäre es, durch freiwillige Gaben und Arbeitsleistungen die Kosten des Aufbaues eiues bretternen Hauses zu bestreiten. Bei dem regen Zuspruch aber, der für Aufführungen einer Fest¬ bühne sicher zu erwarten steht, wäre dieser Weg durchaus nicht der allein mögliche. Der Ertrag der Eintrittsgelder, die womöglich sür alle Plätze des nach dem Muster des Bahreuther Hauses zu erbauenden Raumes dieselben sein müßten, würde diese Kosten leicht und rasch decken, auch wenn man in zweckmäßiger Weise einen für die Dauer gebauten Raum errichtete. Die Naum- frage wäre gewiß überhaupt die am leichtesten zu lösende Frage. Schwieriger gestaltet sich die nach dem Leiter des ganzen Unternehmens. Und da möchten wir als obersten Grundsatz einen verneinenden aufstellen: Keinen Schauspieler von Beruf oder Gewerbe! Das Unternehmen der Privatspekulativn ausliefern, hieße es von vornherein in seiner geistigen und sittlichen Bedeutung gefährden. Gewiß wird man den Rat dieser Kreise nicht entbehren wollen und können, aber die oberste Leitung des ganzen Unternehmens muß in andern Händen ruhen, und zwar in den Händen eines aus künstlerisch und litterarisch gebil¬ deten Müunern sich zusammensetzenden Ausschusses. Für den Anfang der geplanten jungen Volksbühnen will uns kein andrer Weg empfehlenswert er¬ scheinen. Dieser Ausschuß würde, wie das z. B. bei den Aufführungen des Herrigschen Lutherspieles an den meisten Orten geschehen ist, einen Fachmann mit beratender Stimme zuziehen. Die etwaigen Überschüsse der Aufführungen aber würden entweder zum weitern Ausbau der alljährlich in Wirksamkeit tretenden Unternehmungen oder zu wohlthätigen Zwecken Verwendung finden. Sollten sich in den Gesellschaften, die Volksfeste veranstalten, bei uns wohl vorwiegend den Schützengilden, die geeigneten Männer für ein solches Be¬ ginnen finden, so wäre das nur mit Freuden zu begrüßen; sonst ist nicht abzusehen, ans welchen Gründen sie einem Ausschuß, der so edle Ziele ver¬ folgte, nicht noch bereitwilliger entgegenkommen sollten, als jedem andern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/429>, abgerufen am 26.08.2024.