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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Frauenarbeit und Ainderschutz

verwendet und mit der Aufsicht über die andern Arbeiterinnen betraut werden.
In den Gutachten zu dem Gesetzentwürfe über die Abänderung der Gewerbe¬
ordnung wurde auch von verschiednen Seiten die Befürchtung ausgesprochen, daß
im Falle einer weitern Beschränkung der Beschäftigung von Frauen Arbeiter¬
innen vielfach Bedenken tragen würden, sich zu verheiraten, und daß sich hieraus
eine Zunahme der Konknbinate und eine Vermehrung der unehelichen Kinder
ergeben würde. Jedenfalls wird die Beschäftigung verheirateter Arbeiterinnen in
absehbarer Zeit nicht aufhören können, und deshalb gilt es, den Übeln Folgen
vorzubeugen, die die Fabrikarbeit der Frauen für die Kinder mit sich bringt.

Fragt man, welche Vorkehrungen zu treffen seien, um die bestehenden
Mißstände zu beseitigen, so wird das Augenmerk vor allen Dingen auf Be¬
gründung von Krippen, Kindergärten, Spielplätzen und Kinderhorten zu richten
sein. Der Staat sorgt durch seine Schulen im wesentlichen nur für den
Unterricht, aber nicht für die Erziehung der Kinder. Da diese aber doch
mindestens ebenso wichtig, ja sogar wichtiger ist, so ist es Sache der Gemeinden
und der besitzenden Klassen, hier helfend einzugreifen.

Man hat zweierlei Anstalten zu unterscheiden: solche, die Kindern im
vorschulpflichtigen Alter, und solche, die den schulpflichtigen Kindern Aufnahme
und Pflege gewähren. Zu den erster" gehören die Krippen und Kindergärten,
zu den letztern namentlich Kinderhorte und Spielplätze. Die Zahl dieser An¬
stalten ist heute noch viel zu gering und unzulänglich, und dabei kranken diese
Anstalten selbst an mancherlei Übeln. Ein Übelstand ist es namentlich, daß
der Besuch der Krippen und Kindergärten in der Regel nur gegen Bezahlung
gestattet ist, und daß sie meist nur eine beschränkte Zeit des Tages zur Benutzung
offen stehen. Nach beiden Richtungen hin müßte anders vorgesorgt werden.

Was die schulpflichtigen Kinder betrifft, so wird vor allen Dingen für
ihre Unterbringung in Kinderhorten Sorge getragen werden müssen. Diese
Anstalten verfolgen den Zweck, schulpflichtige Kinder, die ans Mangel an
häuslicher Obhut und Pflege in Gefahr sind, zu verwahrlosen, während der
schulfreien Stunden in bestimmten Räumlichkeiten, natürlich gesondert nach Ge¬
schlechtern, zu versammeln und bei nützlicher Beschäftigung und passender
Unterhaltung leiblich und geistig zu fördern. Heute findet das aus der Schule
heimkehrende Arbeiterkind die Wohnung meist von den Eltern verlassen und
unbehaglich, es ist ohne Aufsicht und sucht dann in der Regel die Straße
auf, wo doch wenig Gutes zu lernen ist. Solchen Übelständen wollen die
Kinderhorte begegnen. Die Thätigkeit der Kinder dort soll sich vor allem
auf die Anfertigung der Schularbeiten erstrecken. In der Abteilung für Knaben
(Knabenhorte) wird dann dem Handfertigkeitsuntcrrichte besondre Aufmerksam¬
keit zu schenken sein, auch verdient u. a. die Anleitung zum Gartenbau als
Geist und Gemüt bildendes Erziehungsmittel Beachtung. Die Mädchen werden
am geeignetsten mit Stricken und Flicken beschäftigt.


Frauenarbeit und Ainderschutz

verwendet und mit der Aufsicht über die andern Arbeiterinnen betraut werden.
In den Gutachten zu dem Gesetzentwürfe über die Abänderung der Gewerbe¬
ordnung wurde auch von verschiednen Seiten die Befürchtung ausgesprochen, daß
im Falle einer weitern Beschränkung der Beschäftigung von Frauen Arbeiter¬
innen vielfach Bedenken tragen würden, sich zu verheiraten, und daß sich hieraus
eine Zunahme der Konknbinate und eine Vermehrung der unehelichen Kinder
ergeben würde. Jedenfalls wird die Beschäftigung verheirateter Arbeiterinnen in
absehbarer Zeit nicht aufhören können, und deshalb gilt es, den Übeln Folgen
vorzubeugen, die die Fabrikarbeit der Frauen für die Kinder mit sich bringt.

Fragt man, welche Vorkehrungen zu treffen seien, um die bestehenden
Mißstände zu beseitigen, so wird das Augenmerk vor allen Dingen auf Be¬
gründung von Krippen, Kindergärten, Spielplätzen und Kinderhorten zu richten
sein. Der Staat sorgt durch seine Schulen im wesentlichen nur für den
Unterricht, aber nicht für die Erziehung der Kinder. Da diese aber doch
mindestens ebenso wichtig, ja sogar wichtiger ist, so ist es Sache der Gemeinden
und der besitzenden Klassen, hier helfend einzugreifen.

Man hat zweierlei Anstalten zu unterscheiden: solche, die Kindern im
vorschulpflichtigen Alter, und solche, die den schulpflichtigen Kindern Aufnahme
und Pflege gewähren. Zu den erster« gehören die Krippen und Kindergärten,
zu den letztern namentlich Kinderhorte und Spielplätze. Die Zahl dieser An¬
stalten ist heute noch viel zu gering und unzulänglich, und dabei kranken diese
Anstalten selbst an mancherlei Übeln. Ein Übelstand ist es namentlich, daß
der Besuch der Krippen und Kindergärten in der Regel nur gegen Bezahlung
gestattet ist, und daß sie meist nur eine beschränkte Zeit des Tages zur Benutzung
offen stehen. Nach beiden Richtungen hin müßte anders vorgesorgt werden.

Was die schulpflichtigen Kinder betrifft, so wird vor allen Dingen für
ihre Unterbringung in Kinderhorten Sorge getragen werden müssen. Diese
Anstalten verfolgen den Zweck, schulpflichtige Kinder, die ans Mangel an
häuslicher Obhut und Pflege in Gefahr sind, zu verwahrlosen, während der
schulfreien Stunden in bestimmten Räumlichkeiten, natürlich gesondert nach Ge¬
schlechtern, zu versammeln und bei nützlicher Beschäftigung und passender
Unterhaltung leiblich und geistig zu fördern. Heute findet das aus der Schule
heimkehrende Arbeiterkind die Wohnung meist von den Eltern verlassen und
unbehaglich, es ist ohne Aufsicht und sucht dann in der Regel die Straße
auf, wo doch wenig Gutes zu lernen ist. Solchen Übelständen wollen die
Kinderhorte begegnen. Die Thätigkeit der Kinder dort soll sich vor allem
auf die Anfertigung der Schularbeiten erstrecken. In der Abteilung für Knaben
(Knabenhorte) wird dann dem Handfertigkeitsuntcrrichte besondre Aufmerksam¬
keit zu schenken sein, auch verdient u. a. die Anleitung zum Gartenbau als
Geist und Gemüt bildendes Erziehungsmittel Beachtung. Die Mädchen werden
am geeignetsten mit Stricken und Flicken beschäftigt.


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[0396] Frauenarbeit und Ainderschutz verwendet und mit der Aufsicht über die andern Arbeiterinnen betraut werden. In den Gutachten zu dem Gesetzentwürfe über die Abänderung der Gewerbe¬ ordnung wurde auch von verschiednen Seiten die Befürchtung ausgesprochen, daß im Falle einer weitern Beschränkung der Beschäftigung von Frauen Arbeiter¬ innen vielfach Bedenken tragen würden, sich zu verheiraten, und daß sich hieraus eine Zunahme der Konknbinate und eine Vermehrung der unehelichen Kinder ergeben würde. Jedenfalls wird die Beschäftigung verheirateter Arbeiterinnen in absehbarer Zeit nicht aufhören können, und deshalb gilt es, den Übeln Folgen vorzubeugen, die die Fabrikarbeit der Frauen für die Kinder mit sich bringt. Fragt man, welche Vorkehrungen zu treffen seien, um die bestehenden Mißstände zu beseitigen, so wird das Augenmerk vor allen Dingen auf Be¬ gründung von Krippen, Kindergärten, Spielplätzen und Kinderhorten zu richten sein. Der Staat sorgt durch seine Schulen im wesentlichen nur für den Unterricht, aber nicht für die Erziehung der Kinder. Da diese aber doch mindestens ebenso wichtig, ja sogar wichtiger ist, so ist es Sache der Gemeinden und der besitzenden Klassen, hier helfend einzugreifen. Man hat zweierlei Anstalten zu unterscheiden: solche, die Kindern im vorschulpflichtigen Alter, und solche, die den schulpflichtigen Kindern Aufnahme und Pflege gewähren. Zu den erster« gehören die Krippen und Kindergärten, zu den letztern namentlich Kinderhorte und Spielplätze. Die Zahl dieser An¬ stalten ist heute noch viel zu gering und unzulänglich, und dabei kranken diese Anstalten selbst an mancherlei Übeln. Ein Übelstand ist es namentlich, daß der Besuch der Krippen und Kindergärten in der Regel nur gegen Bezahlung gestattet ist, und daß sie meist nur eine beschränkte Zeit des Tages zur Benutzung offen stehen. Nach beiden Richtungen hin müßte anders vorgesorgt werden. Was die schulpflichtigen Kinder betrifft, so wird vor allen Dingen für ihre Unterbringung in Kinderhorten Sorge getragen werden müssen. Diese Anstalten verfolgen den Zweck, schulpflichtige Kinder, die ans Mangel an häuslicher Obhut und Pflege in Gefahr sind, zu verwahrlosen, während der schulfreien Stunden in bestimmten Räumlichkeiten, natürlich gesondert nach Ge¬ schlechtern, zu versammeln und bei nützlicher Beschäftigung und passender Unterhaltung leiblich und geistig zu fördern. Heute findet das aus der Schule heimkehrende Arbeiterkind die Wohnung meist von den Eltern verlassen und unbehaglich, es ist ohne Aufsicht und sucht dann in der Regel die Straße auf, wo doch wenig Gutes zu lernen ist. Solchen Übelständen wollen die Kinderhorte begegnen. Die Thätigkeit der Kinder dort soll sich vor allem auf die Anfertigung der Schularbeiten erstrecken. In der Abteilung für Knaben (Knabenhorte) wird dann dem Handfertigkeitsuntcrrichte besondre Aufmerksam¬ keit zu schenken sein, auch verdient u. a. die Anleitung zum Gartenbau als Geist und Gemüt bildendes Erziehungsmittel Beachtung. Die Mädchen werden am geeignetsten mit Stricken und Flicken beschäftigt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/396>, abgerufen am 23.07.2024.