Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.Frauenarbeit und Kinderschutz übrigen Pflichten ermöglicht, wenn angängig, auf ein so geringes Maß, daß Die günstigen Wirkungen eines Schutzes der verheirateten Frauen kommen Frauenarbeit und Kinderschutz übrigen Pflichten ermöglicht, wenn angängig, auf ein so geringes Maß, daß Die günstigen Wirkungen eines Schutzes der verheirateten Frauen kommen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0394" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290163"/> <fw type="header" place="top"> Frauenarbeit und Kinderschutz</fw><lb/> <p xml:id="ID_1121" prev="#ID_1120"> übrigen Pflichten ermöglicht, wenn angängig, auf ein so geringes Maß, daß<lb/> ihr die Mehrzahl der Tagesstunden für ihren Hallshalt, für ihren Gatten und<lb/> für ihre Kinder zur Verfügung steht." Trotz dieser Erwägungen glaubten<lb/> der Bundesrat wie die Mehrheit des Reichstages einem zehnstündiger Maximal¬<lb/> arbeitstage für Frauen nicht zustimmen zu dürfen, weil sie unter den gegen¬<lb/> wärtigen Verhältnissen eine Gefährdung der Sicherheit und Existenzfühigkeit<lb/> der beteiligten Industrien und eine zu große Schmälerung der Arbeiterbudgets<lb/> befürchteten. Ob diese Befürchtungen in der That als ausschlaggebend zu<lb/> betrachten waren, oder ob es vielleicht möglich gewesen wäre, den erstern Er¬<lb/> wägungen doch Raum zu geben und dem gegenwärtigen Zustande nur durch<lb/> eine längere Übergangszeit und interimistische Bestimmungen Rechnung zu<lb/> tragen, soll an dieser Stelle nicht untersucht werden. An dem Zustande, den<lb/> die Gewerbeordnungsnovelle geschaffen hat, dürfen wir jedenfalls vor der<lb/> Hand nicht rütteln, obschon diese Novelle in ihren wesentlichsten Punkten<lb/> erst am 1. April 1892, zum Teil sogar uoch später in Kraft tritt. Wohl<lb/> aber müssen wir versuchen, wenigstens den größten Mißständen, die sich<lb/> infolge einer übermäßigen Beschäftigung verheirateter Frauen auch nach<lb/> der Einführung des Arbeiterschutzgesetzes ergeben werden, nach Möglichkeit<lb/> zu steuern.</p><lb/> <p xml:id="ID_1122"> Die günstigen Wirkungen eines Schutzes der verheirateten Frauen kommen<lb/> in erster Linie den Kindern im Säuglingsalter zu gute. Da aber zu be¬<lb/> fürchte« ist, daß die Wöchnerinnen der ärmern Volksschichten in vielen Füllen<lb/> selbst ohne genügende Pflege sind und deshalb trotz ihrer vorübergehenden<lb/> Befreiung von der Arbeit den Säuglingen nicht die erforderliche Sorgfalt zu teil<lb/> werden lassen können, so empfiehlt sichs, daß insbesondre Frauenvereine diesen<lb/> Dingen ihre Aufmerksamkeit zuwenden. Man hat vielfach die Gründung von<lb/> Wöchnerinnenasylen empfohlen. Diese bergen aber die Gefahr, daß die Wöch¬<lb/> nerinnen mehr und öfter, als es nötig ist, ihrer Familie entzogen und, wie<lb/> es in den meisten Entbindungsanstalten der Fall ist, mit sittlich zweifelhaften<lb/> Elementen in Berührung gebracht werden. Die Furcht, längere Zeit von der<lb/> Familie getrennt zu fein und in den Stunden der Not unter Fremden zu<lb/> weilen, hält auch die Frauen zurück, Entbindungsanstalten aufzusuchen, und<lb/> so kommt es denn, daß viele dieser Anstalten, selbst größere nur vegetiren.<lb/> Asyle in kleinern Städten und auf dem Lande versprechen überhaupt keinen<lb/> Erfolg. Bedenkt man übrigens, daß sich die Kosten besondrer Wöchnerinuen-<lb/> asyle überaus hoch stellen, so muß man sich doch sagen, daß durch die Ver¬<lb/> wendung so hoher Beträge für die Wöchnerinnen in deren eigner Familie<lb/> weit mehr erreicht werden konnte. Wir wollen ja nicht leugnen, daß in ge¬<lb/> wissen Notfällen die Anstaltspflege erforderlich wird; dann dürfte es aber<lb/> meist genügen, wenn die Krankenhäuser einige Zimmer zur Aufnahme von<lb/> Wöchnerinnen bereit hielten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0394]
Frauenarbeit und Kinderschutz
übrigen Pflichten ermöglicht, wenn angängig, auf ein so geringes Maß, daß
ihr die Mehrzahl der Tagesstunden für ihren Hallshalt, für ihren Gatten und
für ihre Kinder zur Verfügung steht." Trotz dieser Erwägungen glaubten
der Bundesrat wie die Mehrheit des Reichstages einem zehnstündiger Maximal¬
arbeitstage für Frauen nicht zustimmen zu dürfen, weil sie unter den gegen¬
wärtigen Verhältnissen eine Gefährdung der Sicherheit und Existenzfühigkeit
der beteiligten Industrien und eine zu große Schmälerung der Arbeiterbudgets
befürchteten. Ob diese Befürchtungen in der That als ausschlaggebend zu
betrachten waren, oder ob es vielleicht möglich gewesen wäre, den erstern Er¬
wägungen doch Raum zu geben und dem gegenwärtigen Zustande nur durch
eine längere Übergangszeit und interimistische Bestimmungen Rechnung zu
tragen, soll an dieser Stelle nicht untersucht werden. An dem Zustande, den
die Gewerbeordnungsnovelle geschaffen hat, dürfen wir jedenfalls vor der
Hand nicht rütteln, obschon diese Novelle in ihren wesentlichsten Punkten
erst am 1. April 1892, zum Teil sogar uoch später in Kraft tritt. Wohl
aber müssen wir versuchen, wenigstens den größten Mißständen, die sich
infolge einer übermäßigen Beschäftigung verheirateter Frauen auch nach
der Einführung des Arbeiterschutzgesetzes ergeben werden, nach Möglichkeit
zu steuern.
Die günstigen Wirkungen eines Schutzes der verheirateten Frauen kommen
in erster Linie den Kindern im Säuglingsalter zu gute. Da aber zu be¬
fürchte« ist, daß die Wöchnerinnen der ärmern Volksschichten in vielen Füllen
selbst ohne genügende Pflege sind und deshalb trotz ihrer vorübergehenden
Befreiung von der Arbeit den Säuglingen nicht die erforderliche Sorgfalt zu teil
werden lassen können, so empfiehlt sichs, daß insbesondre Frauenvereine diesen
Dingen ihre Aufmerksamkeit zuwenden. Man hat vielfach die Gründung von
Wöchnerinnenasylen empfohlen. Diese bergen aber die Gefahr, daß die Wöch¬
nerinnen mehr und öfter, als es nötig ist, ihrer Familie entzogen und, wie
es in den meisten Entbindungsanstalten der Fall ist, mit sittlich zweifelhaften
Elementen in Berührung gebracht werden. Die Furcht, längere Zeit von der
Familie getrennt zu fein und in den Stunden der Not unter Fremden zu
weilen, hält auch die Frauen zurück, Entbindungsanstalten aufzusuchen, und
so kommt es denn, daß viele dieser Anstalten, selbst größere nur vegetiren.
Asyle in kleinern Städten und auf dem Lande versprechen überhaupt keinen
Erfolg. Bedenkt man übrigens, daß sich die Kosten besondrer Wöchnerinuen-
asyle überaus hoch stellen, so muß man sich doch sagen, daß durch die Ver¬
wendung so hoher Beträge für die Wöchnerinnen in deren eigner Familie
weit mehr erreicht werden konnte. Wir wollen ja nicht leugnen, daß in ge¬
wissen Notfällen die Anstaltspflege erforderlich wird; dann dürfte es aber
meist genügen, wenn die Krankenhäuser einige Zimmer zur Aufnahme von
Wöchnerinnen bereit hielten.
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